Die Rechten bekommen recht
Verfassungsschutz darf AfD vorerst nicht als Verdachtsfall einstufen
BERLIN/KÖLN (dpa) - Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) darf die AfD vorerst nicht als rechtsextremistischen Verdachtsfall einordnen und beobachten. Das geht aus einem Beschluss des Kölner Verwaltungsgerichts hervor, der dem Bundesamt und der Partei am Freitag zugestellt wurde. Das Gericht verbietet dem Verfassungsschutz darin außerdem, die Einordnung, Beobachtung, Behandlung oder Prüfung der Partei als „Verdachtsfall“vor Abschluss des von der AfD dagegen angestrengten Eilverfahrens öffentlich oder nicht öffentlich bekannt zu geben.
Die AfD hatte sich vorsorglich an das Gericht gewandt, um eine mögliche Einstufung als Verdachtsfall zu verhindern. Den Antrag stellte sie im Januar. Der Präsident des Bundesamts, Thomas Haldenwang, hatte die Verfassungsschützer der Länder diese Woche dann in einer Videokonferenz intern über eine Hochstufung der Partei zum Verdachtsfall informiert. Öffentlich hatte er nichts dazu bekannt gegeben.
Als später Medienberichte über die neue Einschätzung der AfD durch das Bundesamt erschienen, nahm es dazu nicht Stellung. Am Freitag teilte das Amt auf Nachfrage mit: „Mit Blick auf das laufende Verfahren und aus Respekt vor dem Gericht äußert sich das BfV in dieser Angelegenheit nicht öffentlich.“
Zur Begründung seines Beschlusses erklärte das Gericht, es werde „in unvertretbarer Weise“in die Chancengleichheit politischer Parteien eingegriffen. „Alles“spreche dafür, dass sich das Bundesamt für Verfassungsschutz nicht an seine sogenannte „Stillhaltezusagen“gehalten, beziehungsweise nicht „hinreichend dafür Sorge getragen“habe, dass keine Informationen zu dem Verfahren nach außen drängen.
Der Verfassungsschutz hatte in dem Verfahren zuvor zugesagt, sich bis zum Abschluss des Eilverfahrens vor dem Verwaltungsgericht nicht öffentlich zu einer Einstufung zu äußern und bis zu einer Entscheidung auch auf den Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln zum Ausspähen von Abgeordneten und Kandidaten der AfD zu verzichten. Für einfache Mitglieder galt diese Zusage allerdings nicht. Aufgrund der medialen Berichterstattung vom Mittwoch stand für das Gericht nach eigenen Angaben aber nun fest, „dass in einer dem BfV zurechenbaren Weise der Umstand der Einstufung der Antragstellerin als Verdachtsfall ‚durchgestochen‘“worden sei.
Gegen den Beschluss können die Beteiligten innerhalb von zwei Wochen Beschwerde einlegen.
„Ein Inlandsgeheimdienst, der nichts geheim halten kann“, spottete der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen. Der Co-Vorsitzende Tino Chrupalla sprach von einem „gezielten Eingriff in den Parteienwettbewerb mit staatlichen Mitteln“unmittelbar vor den Mitte März anstehenden Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland Pfalz.
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg (CDU), sagte: „Die AfD sollte sich nicht zu früh freuen.“Schließlich sei mit dem Beschluss noch keine Entscheidung darüber verbunden, ob eine Einstufung der Gesamt-AfD als Verdachtsfall rechtmäßig ist.
„Es bleibt unstrittig, dass Teile der AfD unsere freiheitliche Demokratie ablehnen und bekämpfen wollen, nötigenfalls mit Gewalt“, sagte der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Stephan Thomae. Die Wähler müssten sich bewusst sein, „dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts die Weste der AfD nicht reinwäscht und an der rechtsradikalen Ausrichtung der AfD letztlich kein Zweifel bestehen kann“.
Mit Blick auf die Bundestagswahl könnte entscheidend sein, wann das Kölner Gericht in der Sache entscheidet. Also darüber, ob eine „Verdachtsfall“-Beobachtung der AfD mit V-Leuten und anderen nachrichtendienstlichen Mitteln gerechtfertigt ist oder nicht. Der Verfassungsschutz hatte dem Gericht diese Woche Unterlagen vorgelegt, um seine Einschätzung der Partei zu begründen. Die werden jetzt vom Gericht beurteilt. Wann mit einer Entscheidung zu rechnen sei, blieb am Freitag offen.