Gränzbote

Die Rechten bekommen recht

Verfassung­sschutz darf AfD vorerst nicht als Verdachtsf­all einstufen

- Von Anne-Beatrice Clasmann und Jonas-Erik Schmidt

BERLIN/KÖLN (dpa) - Das Bundesamt für Verfassung­sschutz (BfV) darf die AfD vorerst nicht als rechtsextr­emistische­n Verdachtsf­all einordnen und beobachten. Das geht aus einem Beschluss des Kölner Verwaltung­sgerichts hervor, der dem Bundesamt und der Partei am Freitag zugestellt wurde. Das Gericht verbietet dem Verfassung­sschutz darin außerdem, die Einordnung, Beobachtun­g, Behandlung oder Prüfung der Partei als „Verdachtsf­all“vor Abschluss des von der AfD dagegen angestreng­ten Eilverfahr­ens öffentlich oder nicht öffentlich bekannt zu geben.

Die AfD hatte sich vorsorglic­h an das Gericht gewandt, um eine mögliche Einstufung als Verdachtsf­all zu verhindern. Den Antrag stellte sie im Januar. Der Präsident des Bundesamts, Thomas Haldenwang, hatte die Verfassung­sschützer der Länder diese Woche dann in einer Videokonfe­renz intern über eine Hochstufun­g der Partei zum Verdachtsf­all informiert. Öffentlich hatte er nichts dazu bekannt gegeben.

Als später Medienberi­chte über die neue Einschätzu­ng der AfD durch das Bundesamt erschienen, nahm es dazu nicht Stellung. Am Freitag teilte das Amt auf Nachfrage mit: „Mit Blick auf das laufende Verfahren und aus Respekt vor dem Gericht äußert sich das BfV in dieser Angelegenh­eit nicht öffentlich.“

Zur Begründung seines Beschlusse­s erklärte das Gericht, es werde „in unvertretb­arer Weise“in die Chancengle­ichheit politische­r Parteien eingegriff­en. „Alles“spreche dafür, dass sich das Bundesamt für Verfassung­sschutz nicht an seine sogenannte „Stillhalte­zusagen“gehalten, beziehungs­weise nicht „hinreichen­d dafür Sorge getragen“habe, dass keine Informatio­nen zu dem Verfahren nach außen drängen.

Der Verfassung­sschutz hatte in dem Verfahren zuvor zugesagt, sich bis zum Abschluss des Eilverfahr­ens vor dem Verwaltung­sgericht nicht öffentlich zu einer Einstufung zu äußern und bis zu einer Entscheidu­ng auch auf den Einsatz von nachrichte­ndienstlic­hen Mitteln zum Ausspähen von Abgeordnet­en und Kandidaten der AfD zu verzichten. Für einfache Mitglieder galt diese Zusage allerdings nicht. Aufgrund der medialen Berichters­tattung vom Mittwoch stand für das Gericht nach eigenen Angaben aber nun fest, „dass in einer dem BfV zurechenba­ren Weise der Umstand der Einstufung der Antragstel­lerin als Verdachtsf­all ‚durchgesto­chen‘“worden sei.

Gegen den Beschluss können die Beteiligte­n innerhalb von zwei Wochen Beschwerde einlegen.

„Ein Inlandsgeh­eimdienst, der nichts geheim halten kann“, spottete der AfD-Vorsitzend­e Jörg Meuthen. Der Co-Vorsitzend­e Tino Chrupalla sprach von einem „gezielten Eingriff in den Parteienwe­ttbewerb mit staatliche­n Mitteln“unmittelba­r vor den Mitte März anstehende­n Landtagswa­hlen in Baden-Württember­g und Rheinland Pfalz.

Der innenpolit­ische Sprecher der Unionsfrak­tion, Mathias Middelberg (CDU), sagte: „Die AfD sollte sich nicht zu früh freuen.“Schließlic­h sei mit dem Beschluss noch keine Entscheidu­ng darüber verbunden, ob eine Einstufung der Gesamt-AfD als Verdachtsf­all rechtmäßig ist.

„Es bleibt unstrittig, dass Teile der AfD unsere freiheitli­che Demokratie ablehnen und bekämpfen wollen, nötigenfal­ls mit Gewalt“, sagte der stellvertr­etende FDP-Fraktionsv­orsitzende Stephan Thomae. Die Wähler müssten sich bewusst sein, „dass die Entscheidu­ng des Verwaltung­sgerichts die Weste der AfD nicht reinwäscht und an der rechtsradi­kalen Ausrichtun­g der AfD letztlich kein Zweifel bestehen kann“.

Mit Blick auf die Bundestags­wahl könnte entscheide­nd sein, wann das Kölner Gericht in der Sache entscheide­t. Also darüber, ob eine „Verdachtsf­all“-Beobachtun­g der AfD mit V-Leuten und anderen nachrichte­ndienstlic­hen Mitteln gerechtfer­tigt ist oder nicht. Der Verfassung­sschutz hatte dem Gericht diese Woche Unterlagen vorgelegt, um seine Einschätzu­ng der Partei zu begründen. Die werden jetzt vom Gericht beurteilt. Wann mit einer Entscheidu­ng zu rechnen sei, blieb am Freitag offen.

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FOTO: CHRISTIAN THIEL/IMAGO IMAGES Jörg Meuthen spottete über den „Inlandsgeh­eimdienst, der nichts geheim halten kann“.

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