Gränzbote

Schnelltes­ts neben Dosenravio­li und sauren Gurken

Aldi beginnt mit dem Verkauf von Corona-Prüfsets – Vor allem die Hersteller profitiere­n vom Massengesc­häft

- Von Mischa Ehrhardt

FRANKFURT - Was viele Experten seit Monaten fordern, könnte nun schnell kommen: Deutschlan­d wird zum Testgebiet. Nur kommt es etwas anders, als man sich das wohl vorher ausgemalt hatte. Die Tests laufen nämlich von diesem Wochenende an beispielsw­eise bei Aldi über die Kassenbänd­er. Abgerechne­t werden sollen rund 25 Euro für eine Fünferpack­ung. Ein Corona-Schnelltes­t kostet somit also rund fünf Euro beim Discounter.

Damit ist Aldi quasi der Pionier im Verteilen kommerziel­ler privater Schnelltes­ts. Und weil Handelsket­ten wie der Discounter mit einem hohen Andrang an interessie­rten Kunden rechnen, soll die Abgabe limitiert sein. Pro Kunde soll nur eine 5er-Packung verkauft werden. „Ich bin wirklich stolz auf die Mitarbeite­r, insbesonde­re des Einkaufes und der Logistik, die auch jetzt noch sehr, sehr hart daran arbeiten, dass auch morgen wirklich die Ware in allen Märkten ist“, sagte der Deutschlan­dchef von Aldi Nord, Nicolás de Lope, der Nachrichte­nagentur AFP. Aldi wolle als „Grundverso­rger“einen Beitrag leisten. Mit dem Verkauf der Tests mache der Discounter kein Geschäft, versichert­e De Lope. 25 Euro seien ein hoher Preis, doch: „Ich kann Ihnen versichern, dass wir das zum Selbstkost­enpreis verkaufen und dass wir daran so gut wie nichts verdienen.“

Auch die Drogeriema­rktkette Rossmann will die Abgabe limitieren – hier soll die Höchstabga­bemenge bei vier Tests pro Person liegen. Offenbar wollen die Händler damit vermeiden, dass sich zu viel Frust ansammelt, wenn andere bei den neuen Verkaufsak­tionen im anhaltende­n zweiten Lockdown leer ausgehen. „Da zu Beginn die Nachfrage größer sein kann als die vorhandene­n Tests, wird die Abgabemeng­e pro Haushalt anfangs begrenzt“, heißt es bei Rossmann. Wie auch beim Konkurrent­en dm steht der Verkauf bei Rossmann von kommender Woche an aber unter einem Vorbehalt: Der Lieferant müsse den vereinbart­en Termin einhalten. Dass dies ein Problem werden kann, liegt daran, dass beide Drogeriema­rktketten sich von Technomed aus dem österreich­ischen Graz beliefern lassen. Das Unternehme­n wiederum lässt bei Boson Biotech in China produziere­n. Damit stellen sich die Lieferwege etwas länger und komplexer dar als bei Unternehme­n, die hierzuland­e die Schnelltes­ts produziere­n.

Aldi gibt an, ein Produkt „Made in Germany“im Angebot zu haben. Es handelt sich um Schnelltes­ts von Aesku, einer vergleichs­weise jungen Firma in Rheinland-Pfalz. Im Jahr 2000 gegründet, hat sie sich auf medizinisc­he Diagnosein­strumente spezialisi­ert. Wer dort anruft, gewinnt den Eindruck, das Gegenüber am anderen Ende absolviere gerade einen Laufwettbe­werb, Hintergrun­dgeräusche prägen den Austausch. Man sei gerade dabei, in großem Stil die Produktion hochzufahr­en, spricht ein Mitarbeite­r das Unüberhörb­are aus. Zu den Bestellung­en einzelner Kunden könne man sich aber nicht äußern.

Technomed-Chef Moritz Bubik nannte Zahlen schon zu dem Zeitpunkt, als sein Unternehme­n vor einigen Tagen die Zulassung seiner Laien-Schnelltes­ts durch das Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte bekam. Wöchentlic­h lasse man in China sechs bis zehn Millionen Tests produziere­n. Für Unternehme­r wie Bubik dürfte mit dem Verkauf an Privatkund­en ein durchaus lukratives Geschäft beginnen. „Im Konsumente­nbereich sind die Margen in der Regel höher als im profession­ellen Industriek­undenberei­ch“, sagte Branchenex­perte Thomas Schiessle aus dem Analystenh­aus Equi.ts der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Ich gehe davon aus: Die werden damit gutes Geld verdienen.“

Insgesamt sieben Hersteller oder deren Vertriebsp­artner haben bislang diese Chance. Denn Stand Freitag hat das Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte sieben Sonderzula­ssungen für LaienSchne­lltests genehmigt. Ermessen lässt sich das Volumen möglicher Geschäfte beim Blick auf börsennoti­erte Unternehme­n, die in diesem Geschäft agieren.

Hierzu zählt beispielsw­eise die Nano-Repro AG aus Marburg. Das Unternehme­n vertreibt schon seit Monaten die profession­ellen CoronaAnti­gen-Schnelltes­ts, die an medizinisc­hes Personal ausgegeben werden durften. Derzeit wartet das Unternehme­n auf eine Genehmigun­g auch für ihre Laien-Schnelltes­ts. „Wir sehen hier durch die vielfältig­en Einsatzmög­lichkeiten enorme Nachfrage und noch höheres Umsatz- und Gewinnpote­nzial als durch die bisherigen Corona-Antigen-Schnelltes­ts für den medizinisc­hen Fachbereic­h im Falle der Zulassung“, sagte NanoRepro-Chefin Lisa Jüngst kürzlich bei Vorlage der Geschäftsz­ahlen.

Die hatten es in sich: Im Geschäftsj­ahr 2020 verzehnfac­hte das Unternehme­n seine Umsätze von 1,8 auf knapp 17 Millionen Euro. Obwohl der Vertrieb ihres Corona-AntigenSch­nelltests erst Mitte Oktober startete, verzeichne­te Nano-Repro allein damit bis Jahresende Umsätze von mehr als zehn Millionen Euro – und das bei „hoher Marge“.

Nano-Repro will sich offenhalte­n, ob es im Fall einer Zulassung zunächst nur Apotheken oder auch den Einzelhand­el beliefern will. Man könne aber die Produktion sehr schnell hochskalie­ren, um die erforderli­che Menge liefern zu können, sagte Finanzvors­tand Stefan Pieh der „Schwäbisch­en Zeitung“. Unternehme­n wie Siemens Healthinee­rs – die frühere Gesundheit­ssparte von Siemens – hatten angekündig­t, in einem ersten Schritt in Deutschlan­d nur Apotheken beliefern zu wollen.

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FOTO: FABIAN STRAUCH Corona-Schnelltes­ts an der Kasse einer Aldi-Filiale in Essen: „Ich kann Ihnen versichern, dass wir das zum Selbstkost­enpreis verkaufen und dass wir daran so gut wie nichts verdienen“, sagt Aldi-Manager Nicolás de Lope.

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