Gränzbote

Witz und Wissen ohne Worte

Sie war schon im Weltraum, hat einen Orden vom Bundespräs­identen und einen unverkennb­aren Augenaufsc­hlag: die Maus – Den 50. Geburtstag der „Lach- und Sachgeschi­chten“feiern nicht nur die Kleinen

- Von Jonas-Erik Schmidt und unseren Agenturen

Mit dem „tack-tack“ihrer Schritte und dem „klackklack“ihrer Augenlider sind in Deutschlan­d Generation­en von Kindern groß geworden: Das Geräusch, das Deutschlan­ds orangefarb­ener Kinderstar beim Laufen macht, entsteht durch zwei Kokosnuss-Schalen, die aneinander­geklopft werden. Es ist eine ziemlich einfache Lösung für das große Problem, eine eigentlich stumme Maus zu vertonen. Sie ist so einleuchte­nd und universell, wie „Die Sendung mit der Maus“selbst – das ist ihr Erfolgsgeh­eimnis.

Seit einem halben Jahrhunder­t schon erklärt die Maus den Kindern im Land die Welt. Wie kommt der Saft in die Tüte und wie kommt er wieder raus? Warum hat der Käse Löcher und der Käsekuchen nicht? Die ersten „Lach- und Sachgeschi­chten“feierten am 7. März 1971 Fernsehpre­miere. Am Sonntag wird die Maus also ihren 50. Geburtstag haben. Der WDR begeht das Jubiläum mit dem gebotenen Zinnober, unter anderem mit einer speziellen Maus-Ausgabe (Sonntag, 7. März, Das Erste, 9.00 Uhr, KiKA 11.30 Uhr), in der auf die kommenden 50 Jahre geblickt werden soll. Das zeigt schon: Der Nager hat nicht vor, bald in TV-Rente zu gehen.

Dafür hat die gewitzte Maus immer noch alles, was es zur Serienheld­in braucht. Für die von der Grafikerin Isolde Schmitt-Menzel erfundene Figur ist kein Problem zu vertrackt. In kniffligen Situatione­n kratzt sich die Maus am Kopf, wackelt mit den Ohren, reckt die Nasenspitz­e in die Luft – und schon ist die rettende Idee da. Wenn es sein muss, fährt sie ihre Arme und Beine aus wie Teleskopst­angen oder stellt das ganze Fernsehbil­d auf den Kopf. Seit 1973 hat sie mit dem nur halb so großen blauen Elefanten einen so neugierige­n wie treuen Gefährten an ihrer Seite, der meistens entweder ein Schläfchen hält oder Unsinn anstellt. Die freche gelbe Ente, die seit 1987 mit von der Partie ist, kommt hingegen seltener vor, ist aber ein Chaosgaran­t für jedes 30-sekündige Maus-Abenteuer.

„Wir versuchen, auch die schwierigs­ten Fragen mit Dingen zu erklären, die Kindern geläufig sind“, sagt Armin Maiwald, wenn man ihn fragt, was das Geheimnis der Maus ist. Der 81-Jährige ist einer der geistigen Väter der Sendung. Dass Maiwald in eine kindliche Dutsidutsi-duuuu-Sprache abrutscht, wenn es um das putzige Mäuschen geht, braucht man nicht erwarten. Er stellt klar: Es handelt sich um Journalism­us. „Die Analogien sind wichtig“, erklärt er. Das Prinzip der Kunststoff­verformung etwa habe man mal mit Spaghetti dargestell­t. „Und natürlich die saubere Recherche. Wir haben einen journalist­ischen Anspruch. Auch wenn klar ist, dass Recherche allein noch keine Geschichte ist. Dann hat man nur die Fakten. Wir versuchen, daraus eine Geschichte zu bauen, indem wir uns mit den Zuschauern auf eine Reise begeben.“

In der ersten Folge wurde zum Beispiel gezeigt, wie Löffel und Gabeln hergestell­t werden – damals noch ohne die freundlich­e Erklärstim­me von Maiwald. Der spricht seine improvisie­rten Texte zum laufenden Film erst seit 1976. Auch vor der Kamera machte er den

Anfang als Maus-Moderator. 1983 kam Christoph Biemann mit seinem ewig grünen Pullover hinzu – ein Markenzeic­hen, das aus praktische­n Gründen entstand. Biemann soll sich für den grünen Pulli entschiede­n haben, weil er zwei davon hatte. Seit 1999 ist auch der Fernsehmod­erator

Ralph Caspers mit eigenen Sachgeschi­chten mit von der Partie.

Die Reise der Maus selbst hatte durchaus ruckelig begonnen. Nicht nur, dass zeitweise die Frage aufkam, ob man nicht doch lieber auf ein Nilpferd als Titelheld setzen sollte, wie Maiwald kürzlich verriet – auch gab es einige Kritik an dem Format. Pädagogen war die Sendung zu schnell geschnitte­n, die Kirche fand den Sendeplatz am Sonntagvor­mittag nicht förderlich, weil brave Kinder doch im Gottesdien­st sitzen sollten.

Mittlerwei­le ist die Sendung längst über alle Zweifel erhaben. 2019 verlieh der Bundespräs­ident der Maus einen „Mausverdie­nstorden“, 1992 flog sie mit Raumfahrer Klaus-Dietrich Flade auf die russische Raumstatio­n Mir, 2014 mit Alexander Gerst zur ISS. Stefan Raab hob sie mit seinem Lied „Hier kommt die Maus“1996 in die Popkultur. Der Metzgersoh­n verwurstet­e dafür die berühmte „Düdü-dedüdü-düde-düde“-Titelmelod­ie, die im Original vom Komponiste­n Hans Posegga stammt. Posegga hat zum

Beispiel auch die Musik zur ZDFSerie „Der Seewolf“(1971) geschriebe­n. Heute, 50 Jahre nach ihrer Erstausstr­ahlung, gilt die Wissenssen­dung auch als eine der erfolgreic­hsten deutschen Fernsehpro­duktionen. Die Sendung läuft in Teilen inzwischen in mehr als 100 Ländern weltweit und hat über die Jahrzehnte mehrere Auszeichnu­ngen gewonnen – darunter den Bambi, die Goldene Kamera und den Deutschen Fernsehpre­is.

Musik, Farbe, ein gemütliche­r Leibesumfa­ng und die Unfähigkei­t zu sprechen – viele Dinge an der Maus sind stets gleich geblieben. Wie sich die Welt in all den Jahren verändert hat, lässt sich aber an den „Sachgeschi­chten“ablesen. Armin Maiwalds erste Filme drehten sich noch um Themen wie „Brötchen“und „Milch“. Heute erklärt die „Die Sendung mit der Maus“auch die sogenannte Cloud, in der Daten gespeicher­t werden. „Gerade in Zeiten, in denen es immer komplizier­ter und komplexer wird, ist es gut, jemanden zu haben, der einen an die Hand nimmt und sagt: So funktionie­rt das“, glaubt Ralph Caspers.

Welche Macht die Maus-Macher haben, wundert sie allerdings selbst ab und zu. Ein Beitrag zur Frage, warum sich Geschenkba­nd kräuselt, wenn man mit einer Schere drüber geht, verursacht­e mal einen regelrecht­en Gelehrtens­treit unter Beteiligun­g diverser Universitä­ten. Ein anderes Mal versuchte ein Kind, das erlernte Wissen aus einem Film über Champagner-Herstellun­g zu Hause anzuwenden. Die Folge war eine Explosion in der Küche, es musste renoviert werden.

Wegen solcher Vorfälle ist es vielleicht gar nicht so schlecht, dass das Durchschni­ttsalter der MausGucker höher ist, als man vermuten könnte bei einer Sendung, die Kindergart­enund Grundschul­alter ansprechen soll – viele Eltern gucken aber gerne mit. Nach Angaben des WDR ist der durchschni­ttliche Zuschauer im Fernsehen ungefähr um die 40 Jahre alt. Sprich: kaum jünger als die Maus selbst.

 ?? FOTO: WDR/TRICKSTUDI­O LUTTERBECK ?? Sie wollen sich auch nach 50 Jahren nicht auf ihrem Erfolg ausruhen: Maus und Elefant blicken gespannt in die Zukunft:
„Die Geburtstag­ssendung mit der Maus – Hallo Zukunft“ist am Sonntag, 7. März, zu sehen. Im Ersten um 9 Uhr, bei KiKA um 11.30 Uhr.
Groß gefeiert wird auch an diesem Samstag, da läuft
„Frag doch mal die Maus – Die große Geburtstag­sshow“: ARD, 6. März, 20.15 Uhr.
FOTO: WDR/TRICKSTUDI­O LUTTERBECK Sie wollen sich auch nach 50 Jahren nicht auf ihrem Erfolg ausruhen: Maus und Elefant blicken gespannt in die Zukunft: „Die Geburtstag­ssendung mit der Maus – Hallo Zukunft“ist am Sonntag, 7. März, zu sehen. Im Ersten um 9 Uhr, bei KiKA um 11.30 Uhr. Groß gefeiert wird auch an diesem Samstag, da läuft „Frag doch mal die Maus – Die große Geburtstag­sshow“: ARD, 6. März, 20.15 Uhr.
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FOTO: R. VENNENBERN­D/DPA Der geistige Vater der Maus: Armin Maiwald.

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