Gränzbote

So gelingt ein Umzug im Alter

Für ältere Menschen bedeutet ein Neuanfang oft Stress – dabei bietet er auch Chancen

- Von Vera Kraft

So lange wie möglich in den eigenen vier Wänden zu wohnen, das ist für viele ältere Menschen nach wie vor das Ziel. Ein Großteil von ihnen verbindet einen anstehende­n Umzug vor allem mit Stress. Doch es geht anders.

Denn auch wenn der Umzug nicht aus Gründen der Selbstverw­irklichung, sondern aus rein praktische­n Motiven erfolgt, muss er längst kein Horrorszen­ario sein. Worauf kommt es an, damit nicht nur der Umzug, sondern auch der Neuanfang bestmöglic­h gelingt?

Wenn die Stufen hinauf zur Wohnung unüberwind­bar scheinen und auch das Schmeißen des Haushalts zur immer größeren Herausford­erung wird, beginnen viele ältere Menschen und ihre Angehörige­n zu überlegen, ob nicht ein Umzug in eine barrierefr­eie Wohnung oder in eine betreute Wohnform das Leben erleichter­n würde.

Dadurch werde der Umzug allerdings oft negativ wahrgenomm­en, sagt die Psychologi­n Eva Asselmann. Nämlich als ein Hinweis darauf, dass man nicht mehr so fit und selbststän­dig ist, wie man sich das wünscht.

Wenn der Umzug dagegen noch nicht akut notwendig ist, lässt sich ein neutralere­s Bild machen. Mit Blick auf die eigene Zukunftspl­anung ist es ohnehin wichtig, sich rechtzeiti­g umfassend über mögliche Optionen zu informiere­n. Asselmann empfiehlt, sich schon relativ früh, mit 50 oder 60 Jahren, Gedanken zu machen, was einem im Alter wichtig sein könnte und wie man in 15 Jahren leben möchte.

„Wenn man noch fit ist, erscheint das Alter zwar in weiter Ferne, aber es kann auch beruhigend sein, so früh zu planen“, sagt sie.

Der Alternsfor­scher Prof. Frank Oswald forscht seit rund 20 Jahren zu Entwicklun­g, Lebensqual­ität und Wohnen im höheren Alter. Er bestätigt die Empfehlung, die Asselmann gibt: „Es macht auf jeden Fall Sinn, sich früh und möglichst angstfrei mit dem Thema Wohnen im Alter auseinande­rzusetzen und sich vorzuberei­ten.“

Doch auch wenn wir wissen, was gut für uns wäre, tun wir es oft nicht, ganz unabhängig vom Lebensalte­r. „Wir Menschen warten häufig ab, was geschieht und dann reagieren wir“, sagt Oswald. Immerhin seien wir im Reagieren recht gut – auch noch im höheren Alter.

Für die Psyche kann ein Umzug am Lebensaben­d belastend sein. „Je älter Menschen werden, desto schwierige­r werden Veränderun­gen für sie“, erklärt Sabrina Odijk, die das Soziale Ehrenamt beim Malteser Hilfsdiens­t leitet. Gerade alte Menschen vertrauen viel auf Routinen, insbesonde­re wenn noch eine Demenz hinzukommt. Ein kompletter Neuanfang kann daher oftmals verunsiche­rn. Dazu kommt: Wer schon lange an einem Ort wohnt, ist oft stark gebunden an sein Zuhause, die Umgebung und die Nachbarsch­aft oder die Gemeinde. Während also praktische Gründe für einen Umzug sprechen mögen, regt sich emotional oft noch großer Widerstand dagegen.

„Umzüge gelten generell als kritische Lebenserei­gnisse, die mit viel Umstellung verbunden sind“, sagt der Psychologe und Alternsfor­scher Hans-Werner Wahl.

„Wohnen im weitesten Sinne ist mehr als Alltagshan­deln und Ausstattun­g, es ist immer auch mit einer emotionale­n Geschichte verbunden“, sagt Frank Oswald. Für die Betroffene­n fühlt sich die Situation meist anders an, als sie von außen betrachtet erscheinen mag. Emotionale Bindung ist nicht so sichtbar wie Barrieren.

„Einige ältere Menschen gehen aus Gründen der Verbundenh­eit lieber das Risiko ein, etwa auf ihrer Treppe zu stolpern, als diese Treppe umzubauen oder sich gar vom dazugehöri­gen Zuhause zu trennen“, sagt Oswald. Angehörige sollten die Verbundenh­eit ernst nehmen.

Am besten setze man sich gemeinsam hin und schreibe eine Liste mit allen Vor- und Nachteilen auf, rät Hans-Werner Wahl.

Eine „wohlgemein­te Überfürsor­glichkeit“könne indes schnell dazu führen, dass sich die ältere Person entmündigt fühlt, warnt Sabrina Odijk. Selbst bei kognitiv beeinträch­tigten Menschen sei es wichtig, einen partnersch­aftlichen Umgang zu wahren, sagt Wahl – damit die ältere Person Teil des Geschehens bleibe.

Fühlt man sich bei den wichtigen Entscheidu­ngen zum Umzug gut eingebunde­n, gelingt womöglich auch die Anpassung an den neuen Ort besser. Besonders bedeutsam ist dabei, wie aktiv man vor Ort am Leben teilhaben könne, sagt Psychologi­n Asselmann.

Denn eine barrierefr­eie Wohnung bietet zwar eine wichtige Grundlage, bringt aber nur wenig, wenn die Umgebung nicht passt. Wie weit ist es zum nächsten Supermarkt und zur Apotheke? Welche Seniorentr­effs und Freizeitan­gebote gibt es? Sind Familie und Freunde gut erreichbar? Wer sich möglichst viel und oft mit dem neuen Wohnort beschäftig­t, kann dadurch neue Sicherheit gewinnen.

Ein erfolgreic­hes Ankommen beginnt schon beim Abschiedne­hmen von der alten Heimat, sagt Alternsfor­scher Oswald. Besonders wenn der Umzug mit einer Verkleiner­ung einhergeht, muss man sich von vielen liebgewonn­en Gegenständ­en trennen.

Was wichtig ist, kann man nur selbst entscheide­n – nicht die Angehörige­n. Oft zählt nicht der materielle Wert, sondern die emotionale Verbundenh­eit. Beim Entrümpeln sollte man sich, wenn es geht, unbedingt aktiv einbringen – die Angehörige­n sollten hier darauf achten, dass das nach Möglichkei­t geschieht.

Am besten ist es, wenn man selbst schon einige Wochen im Voraus beginnt zu sortieren: Was kann weg und was muss mit? Wohnberate­r, die auf Seniorenum­züge spezialisi­ert sind, können bei diesem Prozess gegebenenf­alls profession­elle Unterstütz­ung bieten.

Das Aussortier­en von Gegenständ­en fällt oft leichter, wenn ein Großteil nicht auf dem Sperrmüll landet, sondern weitervers­chenkt oder für einen guten Zweck gespendet werden kann. Statt rigoros zu entsorgen, rät Hans-Werner Wahl, sich bewusst Zeit für den Abschied zu nehmen und sich beispielsw­eise vor Augen zu führen, welche Rolle ein treues Möbelstück im Leben gespielt habe.

Ein weiterer Tipp vom Experten : „So eine kleine „Umzugsfeie­r“, vielleicht auch noch mit gemeinsame­n Essen, kann helfen, um sich abzunabeln.“(dpa)

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Für einen entspannte­n Umzug sollte man entscheide­n: Was kommt mit und was kann weg?

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