Gränzbote

Das Sterben der Elefanten in Afrika geht weiter

Die Dickhäuter sind extrem gefährdet – Sie werden von Wilderern getötet oder sterben an rätselhaft­en Krankheite­n wie in Botsuana

- Von Ralf E. Krüger

An der Einfahrt zu Durbans King Shaka Internatio­nal Airport schlug die Falle zu. In einem gestoppten Auto wurden südafrikan­ische Polizisten Mitte Februar schnell fündig: Zwei schwere Elefantens­toßzähne lagen im Kofferraum – die drei Insassen wurden festgenomm­en. In einer Lodge nördlich der Hafenstadt gab es kurz drauf drei weitere Festnahmen, eine Sondereinh­eit der Polizei hatte einen anonymen Hinweis bekommen, dass die Männer auf der Suche nach Käufern für Elfenbein waren. Fälle wie diese gibt es weiter, doch sie machten in den vergangene­n Monaten seltener Schlagzeil­en: Die strikten Corona-Beschränku­ngen drängten den Elfenbeins­chmuggel in den Hintergrun­d. Gesicherte Daten dazu gibt es aber nicht.

„In Südafrikas Krüger-Nationalpa­rk etwa hat der Lockdown eindeutig dazu geführt, dass weniger Nashörner getötet wurden; vermutlich gilt das auch für Elefanten dort“, meint etwa Daniela Freyer von der Tierschutz­organisati­on Pro Wildlife – weist aber auf die spezielle Situation des eingezäunt­en Areals hin. „Die allgemeine Befürchtun­g ist, dass es in anderen Gebieten aufgrund des Lockdowns zu mehr Wilderei kommt, weil Ranger nicht auf ihren Posten bleiben können.“

Das sieht Heike Henderson von der Organisati­on Future for Elephants ähnlich. „Die Elefantenb­estände gehen kontinuier­lich zurück und haben einen historisch­en Tiefststan­d erreicht“, erläutert sie. Während vor allem in Zentral- und Westafrika die Wilderei weiter anhält, scheint sich zumindest in Ostafrika auch in Lockdown-Zeiten ein Abwärtstre­nd der Elefantenw­ilderei abzuzeichn­en. „Aufgrund der Gesamtentw­icklung wäre es aus unserer Sicht dennoch fatal, hieraus eine Entspannun­g der Situation für Elefanten herzuleite­n“, meint sie und betont: „Wir haben in den letzten 50 Jahren etwa 80 Prozent der Elefantenp­opulation verloren.“

Als seriöseste Quelle für die Bestandsza­hlen der Elefanten in Afrika gilt eine Datenbank der internatio­nalen Tierschutz­organisati­on IUCN. Doch die letzte Veröffentl­ichung dieser Datenbank stammt von 2016 – basierend auf Zahlen, die 2015 erhoben wurden. Nach diesen Schätzunge­n gab es nach etwa zwei Millionen Dickhäuter­n im Jahr 1970 zu diesem Zeitpunkt noch 415 000 Elefanten. Allein in Botsuana waren es 131 626 Tiere. Das dortige Okavango-Delta ist weltweit wegen seiner spektakulä­ren Landschaft­en und der vielfältig­en Tierwelt berühmt – und beherbergt auch den global höchsten Elefantenb­estand.

Doch rätselhaft­e Todesfälle treiben dort seit gut einem Jahr die Tierschütz­er um. Zu Hunderten brachen Elefanten dort einfach zusammen, blieben leblos liegen. In diesem Jahr wiederholt sich das mysteriöse Szenario. „Von Januar bis heute wurden insgesamt 39 Elefantenk­adaver identifizi­ert; erste Untersuchu­ngen haben Bakterien oder Anthrax als Todesursac­he

ausgeschlo­ssen“, sagte Kabelo Senyatso, der Direktor der Nationalpa­rk-Abteilung, Ende Februar. Die meisten Kadaver, die ihre bei Wilderern begehrten Stoßzähne noch besaßen, lagen in der MomboRegio­n. Im Vorjahr starben rund 330 Elefanten 230 Kilometer entfernt ebenfalls im Okavango-Park.

Die Behörden hatten damals Cyanobakte­rien, auch Blaualgen genannt, als wahrschein­liche Todesursac­he ausgemacht. Labortests mit Blutproben verendeter Tiere sowie Erd- und Wasserprob­en hätten ergeben, dass diese giftebilde­nden Mikroorgan­ismen die Tiere im Okavango-Delta im Nordwesten des Landes töteten, hatte die Wildpark-Behörde Mitte September erklärt.

Manche Arten von Cyanobakte­rien bilden potenziell tödliche Giftstoffe. Das kann zum Beispiel Folgen für Tiere beim Trinken aus Gewässern haben, wenn sich die Mikroben dort bei Algenblüte­n massenhaft vermehren.

Der Internatio­nale Tierschutz­Fonds (IFAW) verwies in einer Erklärung auf Forschungs­ergebnisse des früheren IFAW-Beraters Rudi van Aarde, wonach auch die beengten Lebensräum­e der Dickhäuter mit beschränkt­em Zugang zu Frischwass­er eine Rolle gespielt haben könnten. „Das tragische Massenster­ben im vergangene­n Jahr hat es klar gemacht: Elefanten einzuengen kann verheerend sein“, so Jason Bell vom IFAW. Lesego Kgomanyane von Botsuanas Umweltmini­sterium weist darauf hin, dass im Grenzgebie­t mit Angola, Namibia, Sambia und Simbabwe historisch­e Wanderrout­en geöffnet werden sollen.

Ein internatio­nales Forscherte­am unter Leitung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierfo­rschung in Berlin belegte, dass Viren die wenigen Süßwassers­tellen als Übertragun­gsweg nutzen können, um sich zwischen Tieren zu verbreiten. Das Team beprobte Wasserlöch­er in Ökosysteme­n Afrikas und der Mongolei mit ausgeprägt­en Trockenzei­ten und versuchte dann, ausgesucht­e Tierviren darin zu züchten. Die im Fachjourna­l „Science of the Total Environmen­t“veröffentl­ichten Ergebnisse bestätigen, dass es tatsächlic­h funktionie­rt. Wasserlöch­er können so eine Art Schlüssels­telle für die Übertragun­g von Krankheits­erregern innerhalb und zwischen den Arten sein.

Sorgen bereitet Tierschütz­ern auch ein geplantes Bohrprojek­t auf der namibische­n Seite des Okavangos, wo die kanadische Firma Recon nach Öl und Gas suchen will. Das Lizenzgebi­et der Firma liege weitgehend im Kaza-Naturschut­zgebiet, wo es auch schon die ersten Testbohrun­gen gegeben habe, meint Henderson. „Geplante seismische Untersuchu­ngen haben nachweisli­ch negative Auswirkung­en auf Elefanten, deren letzte große Population Afrikas im Kaza lebt.“Sie sieht auch Deutschlan­d in der Pflicht, das mit über 35 Millionen Euro Hauptfinan­zierer von Kaza ist.

 ?? FOTO: CHARMAINE NORONHA/DPA ?? Elefanten trinken Wasser im Chobe-Nationalpa­rk in Botsuana. In dem westafrika­nischen Land sterben immer noch viele Tiere an einer mysteriöse­n Krankheit. Auch die Wilderei ist nach Einschätzu­ng von Experten nach wie vor eine große Bedrohung für das langfristi­ge Überleben der Art.
FOTO: CHARMAINE NORONHA/DPA Elefanten trinken Wasser im Chobe-Nationalpa­rk in Botsuana. In dem westafrika­nischen Land sterben immer noch viele Tiere an einer mysteriöse­n Krankheit. Auch die Wilderei ist nach Einschätzu­ng von Experten nach wie vor eine große Bedrohung für das langfristi­ge Überleben der Art.
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FOTO: DPA Zu den Todesursac­hen bei den Elefanten zählt auch extreme Dürre, wie etwa in Simbabwe, wo 2019 Hunderte Tiere verdurstet sind.

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