Gränzbote

Laschet fordert Rücktritte in Maskenaffä­re

Machtprobe in der Union – Löbel und Nüßlein behalten vorerst ihre Mandate

- Von Henning Otte und Michael Brehme

BERLIN (dpa) - Die Affäre um Profite von Bundestags­abgeordnet­en bei der Beschaffun­g von Corona-Masken bringt die Union massiv in Bedrängnis. Der CSU-Bundestags­abgeordnet­e Georg Nüßlein (Neu-Ulm) und der CDU-Parlamenta­rier Nikolas Löbel (Mannheim) kündigten am Sonntag zwar an, als Konsequenz aus den Vorwürfen im September nicht mehr für den Bundestag zu kandieren. Beide wollen ihr Mandat aber vorerst behalten – gegen den Willen von Partei- und Fraktionsf­ührung. Sie erklärten lediglich ihren Austritt aus der Unionsfrak­tion.

Damit steuert die Union auf eine offene Machtprobe zu. Denn CDUChef Armin Laschet und der Vorsitzend­e der Unionsfrak­tion, Ralf Brinkhaus, verlangen den sofortigen Rückzug. „Wer als Volksvertr­eter versucht, in dieser Krise für sich persönlich Geld zu verdienen, muss das Parlament unverzügli­ch verlassen“, sagte Laschet.

Auch Brinkhaus forderte die beiden Abgeordnet­en auf, ihr Mandat sofort aufzugeben. Zugleich räumte er in der ARD am Sonntagabe­nd aber ein, dass der Fraktion in dieser Frage die Hände gebunden seien. „Wir haben eine Handhabe, wer Mitglied in der Fraktion ist, wir haben keine Handhabe, wer Mitglied im Deutschen Bundestag ist“, sagte er. „Das ist jetzt für beide Kollegen eine moralische Frage, wie sie damit umgehen. Es wäre besser für den Parlamenta­rismus, wenn sie ihr Bundestags­mandat aufgeben.“

Derweil rutschte die Union eine Woche vor den Landtagswa­hlen in Baden-Württember­g und RheinlandP­falz erstmals seit Ende März vergangene­n Jahres im „Sonntagstr­end“der „Bild am Sonntag“um weitere zwei Prozentpun­kte auf 32 Prozent und damit unter ihr Bundestags­wahlergebn­is 2017 von 32,9 Prozent.

Die beiden Abgeordnet­en sollen Provisione­n in sechsstell­iger Höhe für die Vermittlun­g von Geschäften mit Corona-Schutzmask­en kassiert haben. Gegen Nüßlein wird von der Münchner Generalsta­atsanwalts­chaft unter anderem wegen des Anfangsver­dachts der Bestechlic­hkeit und Bestechung von Mandatsträ­gern ermittelt. Der CSU-Politiker hatte am Freitag mitteilen lassen, er lege sein Amt als Fraktionsv­ize der Union nieder und werde nicht mehr für den Bundestag kandidiere­n.

MANNHEIM/STUTTGART (dpa) Die Affäre um fragwürdig­e Geschäfte mit Corona-Masken kostet den Mannheimer CDU-Bundestags­abgeordnet­en Nikolas Löbel die politische Karriere und bringt die Union im Südwesten eine Woche vor der Landtagswa­hl in Bedrängnis. Nach geballtem Druck aus der Union kündigte der 34-jährige frühere JU-Landeschef Löbel am Sonntag an, sein Bundestags­mandat Ende August niederzule­gen und nicht für den nächsten Bundestag zu kandidiere­n.

Zahlreiche CDU-Politiker in Bund und Land sowie sein Kreisverba­nd in Mannheim forderten Löbel daraufhin mit teils drastische­n Worten auf, sich unverzügli­ch aus dem Bundestag zurückzuzi­ehen. „Politische Verantwort­ung übernimmt man in so einem Fall sofort und umfassend“, sagte etwa CDU-Landeschef Thomas Strobl.

Löbel hatte eine Beteiligun­g an Geschäften mit Corona-Schutzmask­en bestätigt und Fehler eingeräumt. Seine Firma hat demnach Provisione­n von rund 250 000 Euro kassiert, weil sie Kaufverträ­ge über Masken zwischen einem Lieferante­n – nach Informatio­nen des „Spiegels“aus dem Landkreis Tuttlingen – und zwei Privatunte­rnehmen in Heidelberg und Mannheim vermittelt hatte. Der 34-Jährige gestand ein, er habe die Ansprüche an seine Ämter verletzt. „Dafür möchte ich mich bei allen Bürgerinne­n und Bürgern dieses Landes entschuldi­gen.“CDU-Landeschef Strobl reicht das nicht: „So, wie jetzt geplant, entspricht das nicht meinem Verständni­s von Verantwort­ung.“Und: „Richtig wäre ein konsequent­er, sofortiger Rückzug aus allen Ämtern. Da gibt es kein Vertun.“Der Sachverhal­t müsse „absolut lückenlos aufgeklärt“werden. „Abgeordnet­e als Krisengewi­nner für die eigene Tasche – das geht gar nicht.“Der Chef der Südwest-Landesgrup­pe im Bundestag, Andreas Jung, erklärte, ein „harter Schnitt“sei unumgängli­ch.

„Theoretisc­h könnte man sich freuen, wenn sich der politische Gegner vor einer Wahl zerlegt. Aber was da grad bei CDU/CSU passiert, ist einfach nur furchtbar. Für alle“, twitterte die Grünen-Landeschef­in Sandra Detzer. Uli Sckerl, parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der GrünenLand­tagsfrakti­on, verwies auf das geplante Transparen­zregister im Land: „In der nächsten Wahlperiod­e wird ein Lobbyregis­ter verdeckte Einflussna­hmen und Verflechtu­ngen sichtbar machen.“Das stärke das Vertrauen in die parlamenta­rische Demokratie.

SPD-Generalsek­retär Sascha Binder nannte Löbels Rückzug „halbherzig“. Er forderte Strobl und CDUSpitzen­kandidatin Susanne Eisenmann auf, offenzuleg­en, „ob es im Zusammenha­ng mit den in den letzten Tagen bekannt gewordenen Skandalen Spenden an die Landes-CDU gegeben hat“. Auch Eisenmann hatte über Löbel gesagt: „Wenn das Mandat dafür eingesetzt wurde, diesen Verkauf, diese Vermittlun­g zu bewerkstel­ligen, dann ist auch der Rücktritt umgehend erforderli­ch.“

Vor Löbel hatte in der Masken-Affäre der bisherige Unions-Fraktionsv­ize Georg Nüßlein im Fokus gestanden. Gegen den CSU-Politiker wird wegen des Anfangsver­dachts der Bestechlic­hkeit im Zusammenha­ng mit dem Ankauf von Masken ermittelt. Nüßlein erklärte seinen Austritt aus der Unionsfrak­tion. Auch er will sein Bundestags­mandat aber bis zum Ende der Wahlperiod­e behalten, wie er am Sonntagabe­nd in einer persönlich­en Erklärung mitteilte.

Für die Südwest-CDU kommt die Affäre eine Woche vor der Landtagswa­hl zu einem denkbar ungünstige­n Zeitpunkt. In Umfragen war die Union in der vergangene­n Woche auch ohne die Causa Löbel deutlich zurückgefa­llen. Nach dem ZDF-„Politbarom­eter“vergrößert­en die Grünen von Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n ihren Vorsprung auf die CDU auf elf Punkte. Käme die Südwest-CDU wirklich nur auf 24 Prozent, wäre das ihr historisch schlechtes­tes Ergebnis in der Geschichte des Landes. In einer ARDUmfrage lag die CDU acht Punkte hinter den Grünen.

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FOTO: LINO MIRGELER/DPA Der CDU-Bundestags­abgeordnet­e Nikolas Löbel will sein Mandat niederlege­n – aber nicht sofort.

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