Mehr Freiheiten für Taxi-Konkurrenz
Bundestag beschließt Personenbeförderungsgesetz – Erstmals Rechtsgrundlagen für digitale Fahrtenvermittler
BERLIN - Es geht um nicht weniger als das „Grundgesetz des öffentlichen Verkehrs“, wie es Cem Özdemir, der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, feststellte. Gemeint ist das Regelwerk zur Personenbeförderung im Nahverkehr. Bisher war das vor allem Bussen, Bahnen und Taxen vorbehalten. Seit einigen Jahren drängen aber neue Angebote auf den Markt. Das US-Unternehmen Uber beispielsweise macht mit per App buchbaren Leihwagen den Taxen Konkurrenz. Verschiedene andere Unternehmen bieten Sammeltaxifahrten an, in der Fachsprache Ride-Pooling oder auch Ride-Sharing genannt. Beides ist rechtlich derzeit nur über eine Experimentierklausel erlaubt. Nun sollen diese Geschäftsmodelle auf legale Standbeine gestellt werden.
Nach jahrelangen Debatten beschloss der Bundestag am Freitag eine Reform des Personenbeförderungsgesetzes, das diverse Vorgaben macht – und zwar künftig auch genauer für jene neu auf den Markt drängenden Mobilitätsanbieter, die man per App buchen kann. Das soll auch klassische Taxis schützen.
Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sprach von einem Kompromiss für einen „innovationsfreundlichen Rechtsrahmen“, in dem jeder Anbieter Platz habe. Dafür sollen die Kommunen vor Ort eine Reihe von Steuerungsmöglichkeiten bekommen, wie SPD-Fraktionsvize Sören Bartol sagte. Das soll Dumping und ein Ausbremsen öffentlich mitfinanzierter Busse und Bahnen vermeiden. Im Parlament stimmten auch die Grünen für das Paket der großen Koalition. Alle Anbieter zusammen seien starke Konkurrenz für das Nutzen des eigenen Autos, sagte der Grünen-Experte Stefan Gelbhaar. Der Bundesrat muss den Plänen noch zustimmen.
Besonders umkämpft war ein „fairer Ausgleich“zwischen klassischen Taxis und neuen Fahrdienstvermittlern wie Uber. Für deren Wagen bleibt es bei einer „Rückkehrpflicht“. Sie müssen nach einer Kundenfahrt erst zum Betriebssitz zurück und dürfen – anders als Taxis – nicht an der Straße warten oder sich heranwinken lassen. In ländlichen Regionen können aber auch andere Halteplätze angesteuert werden, um allzu lange Leerfahrten zu vermeiden. Erst mit einem neuen Auftrag dürfen sie wieder Fahrgäste aufnehmen.
Anbieter Uber hält die Liberalisierung deshalb für missglückt. „Die Rückkehrpflicht ist antiquiert“, kritisierte der Deutschland-Chef von Uber, Christoph Weigler. An diesem Punkt haben sich aber die Taxifahrer durchgesetzt.
Zudem erhalten die Kommunen noch die Möglichkeit regulierend einzugreifen, wenn die neuen Mobilitätsangebote nicht zum Verkehrskonzept passen oder der Wettbewerb in einzelnen Städten unfair geführt wird. Einschränkungen für Mietwagen können zum Beispiel ausgesprochen werden, wenn deren Marktanteil 25 Prozent übersteigt.
Einen Kompromiss hat der Bundestag auch bei einem zweiten großen Streitpunkt gefunden, den Sozialstandards in der Branche. Die Gewerkschaft
Verdi bemängelte, dass die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben gar nicht kontrolliert werden kann, weil der Entwurf dazu weder Sanktionen vorsieht, noch Subunternehmer darin einbezogen werden. „Hier entsteht ein neuer Niedriglohnsektor“, befürchtete Verdi-Expertin Mira Ball. Den Vorwurf des Sozialdumpings weist Uber zurück. Die Fahrer seien sozialversicherungspflichtig beschäftigt und verdienten in der Regel mehr als den gesetzlichen Mindestlohn, versichert Weigler. Gelöst wurde der Konflikt, indem die Kommunen den Unternehmen künftig Standards vorgeben dürfen.
Dem Taxigewerbe ist auch die freie Preisgestaltung der Mietwagenfirmen ein Dorn im Auge. In nachfrageschwachen Zeiten bieten sie die Fahrten günstiger an. Taxen sind hingegen an Festpreise gebunden. Umgekehrt werden die Taxen bei der Mehrwertsteuer mit einem geringeren Satz von sieben Prozent begünstigt. Dies stößt wiederum Uber sauer auf. „Hier wird eine Chance vertan, die Verkehrswende zu beschleunigen“, warnt Weigler. Taxen und Mietwagen hätten denselben Wettbewerber, den privaten Pkw. Hier liegt es künftig in der Hand der Behörden, Mindestpreise vorzuschreiben.
Nicht umstritten war dagegen die Liberalisierung der Sammeltaxis. Sie werden übereinstimmend als positive Innovation im Nahverkehr angesehen, zumal sie auch in den städtischen Randgebieten für ein besseres Mobilitätsangebot sorgen können. So begrüßt die VW-Tochter Moia, die diese Dienste anbietet, das Gesetz grundsätzlich. Allerdings wendet sich Moia-Chef Robert Henrich gegen zu viele Eingriffsmöglichkeiten der Kommunen in die Geschäftstätigkeit der Ride-Pooler. So können Betriebsgebiete- und Zeiten eingeschränkt werden und es drohe die bisherige Rechtsunsicherheit in Planungsunsicherheit umzuschlagen, sagt Henrich. Auch verlangt das Unternehmen eine Gleichstellung mit dem öffentlichen Nahverkehr beim Mehrwertsteuersatz.
Das Gesetz sorgt auch dafür, dass Kunden bald besser über die Verkehrsangebote und die Verkehrslage informiert werden können. Die Unternehmen müssen Daten dazu in ein allen zugängliches System einspeisen. Nur Ein-Mann-Betriebe sind davon ausgenommen. Damit können Informationsdienste betriebsübergreifende Auskünfte liefern, etwa zu freien Fahrzeugen in der Nähe.