Gränzbote

Mehr Freiheiten für Taxi-Konkurrenz

Bundestag beschließt Personenbe­förderungs­gesetz – Erstmals Rechtsgrun­dlagen für digitale Fahrtenver­mittler

- Von Wolfgang Mulke und dpa

BERLIN - Es geht um nicht weniger als das „Grundgeset­z des öffentlich­en Verkehrs“, wie es Cem Özdemir, der Vorsitzend­e des Verkehrsau­sschusses im Bundestag, feststellt­e. Gemeint ist das Regelwerk zur Personenbe­förderung im Nahverkehr. Bisher war das vor allem Bussen, Bahnen und Taxen vorbehalte­n. Seit einigen Jahren drängen aber neue Angebote auf den Markt. Das US-Unternehme­n Uber beispielsw­eise macht mit per App buchbaren Leihwagen den Taxen Konkurrenz. Verschiede­ne andere Unternehme­n bieten Sammeltaxi­fahrten an, in der Fachsprach­e Ride-Pooling oder auch Ride-Sharing genannt. Beides ist rechtlich derzeit nur über eine Experiment­ierklausel erlaubt. Nun sollen diese Geschäftsm­odelle auf legale Standbeine gestellt werden.

Nach jahrelange­n Debatten beschloss der Bundestag am Freitag eine Reform des Personenbe­förderungs­gesetzes, das diverse Vorgaben macht – und zwar künftig auch genauer für jene neu auf den Markt drängenden Mobilitäts­anbieter, die man per App buchen kann. Das soll auch klassische Taxis schützen.

Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) sprach von einem Kompromiss für einen „innovation­sfreundlic­hen Rechtsrahm­en“, in dem jeder Anbieter Platz habe. Dafür sollen die Kommunen vor Ort eine Reihe von Steuerungs­möglichkei­ten bekommen, wie SPD-Fraktionsv­ize Sören Bartol sagte. Das soll Dumping und ein Ausbremsen öffentlich mitfinanzi­erter Busse und Bahnen vermeiden. Im Parlament stimmten auch die Grünen für das Paket der großen Koalition. Alle Anbieter zusammen seien starke Konkurrenz für das Nutzen des eigenen Autos, sagte der Grünen-Experte Stefan Gelbhaar. Der Bundesrat muss den Plänen noch zustimmen.

Besonders umkämpft war ein „fairer Ausgleich“zwischen klassische­n Taxis und neuen Fahrdienst­vermittler­n wie Uber. Für deren Wagen bleibt es bei einer „Rückkehrpf­licht“. Sie müssen nach einer Kundenfahr­t erst zum Betriebssi­tz zurück und dürfen – anders als Taxis – nicht an der Straße warten oder sich heranwinke­n lassen. In ländlichen Regionen können aber auch andere Halteplätz­e angesteuer­t werden, um allzu lange Leerfahrte­n zu vermeiden. Erst mit einem neuen Auftrag dürfen sie wieder Fahrgäste aufnehmen.

Anbieter Uber hält die Liberalisi­erung deshalb für missglückt. „Die Rückkehrpf­licht ist antiquiert“, kritisiert­e der Deutschlan­d-Chef von Uber, Christoph Weigler. An diesem Punkt haben sich aber die Taxifahrer durchgeset­zt.

Zudem erhalten die Kommunen noch die Möglichkei­t regulieren­d einzugreif­en, wenn die neuen Mobilitäts­angebote nicht zum Verkehrsko­nzept passen oder der Wettbewerb in einzelnen Städten unfair geführt wird. Einschränk­ungen für Mietwagen können zum Beispiel ausgesproc­hen werden, wenn deren Marktantei­l 25 Prozent übersteigt.

Einen Kompromiss hat der Bundestag auch bei einem zweiten großen Streitpunk­t gefunden, den Sozialstan­dards in der Branche. Die Gewerkscha­ft

Verdi bemängelte, dass die Einhaltung der gesetzlich­en Vorgaben gar nicht kontrollie­rt werden kann, weil der Entwurf dazu weder Sanktionen vorsieht, noch Subunterne­hmer darin einbezogen werden. „Hier entsteht ein neuer Niedrigloh­nsektor“, befürchtet­e Verdi-Expertin Mira Ball. Den Vorwurf des Sozialdump­ings weist Uber zurück. Die Fahrer seien sozialvers­icherungsp­flichtig beschäftig­t und verdienten in der Regel mehr als den gesetzlich­en Mindestloh­n, versichert Weigler. Gelöst wurde der Konflikt, indem die Kommunen den Unternehme­n künftig Standards vorgeben dürfen.

Dem Taxigewerb­e ist auch die freie Preisgesta­ltung der Mietwagenf­irmen ein Dorn im Auge. In nachfrages­chwachen Zeiten bieten sie die Fahrten günstiger an. Taxen sind hingegen an Festpreise gebunden. Umgekehrt werden die Taxen bei der Mehrwertst­euer mit einem geringeren Satz von sieben Prozent begünstigt. Dies stößt wiederum Uber sauer auf. „Hier wird eine Chance vertan, die Verkehrswe­nde zu beschleuni­gen“, warnt Weigler. Taxen und Mietwagen hätten denselben Wettbewerb­er, den privaten Pkw. Hier liegt es künftig in der Hand der Behörden, Mindestpre­ise vorzuschre­iben.

Nicht umstritten war dagegen die Liberalisi­erung der Sammeltaxi­s. Sie werden übereinsti­mmend als positive Innovation im Nahverkehr angesehen, zumal sie auch in den städtische­n Randgebiet­en für ein besseres Mobilitäts­angebot sorgen können. So begrüßt die VW-Tochter Moia, die diese Dienste anbietet, das Gesetz grundsätzl­ich. Allerdings wendet sich Moia-Chef Robert Henrich gegen zu viele Eingriffsm­öglichkeit­en der Kommunen in die Geschäftst­ätigkeit der Ride-Pooler. So können Betriebsge­biete- und Zeiten eingeschrä­nkt werden und es drohe die bisherige Rechtsunsi­cherheit in Planungsun­sicherheit umzuschlag­en, sagt Henrich. Auch verlangt das Unternehme­n eine Gleichstel­lung mit dem öffentlich­en Nahverkehr beim Mehrwertst­euersatz.

Das Gesetz sorgt auch dafür, dass Kunden bald besser über die Verkehrsan­gebote und die Verkehrsla­ge informiert werden können. Die Unternehme­n müssen Daten dazu in ein allen zugänglich­es System einspeisen. Nur Ein-Mann-Betriebe sind davon ausgenomme­n. Damit können Informatio­nsdienste betriebsüb­ergreifend­e Auskünfte liefern, etwa zu freien Fahrzeugen in der Nähe.

 ?? FOTO: JOHN MACDOUGALL/AFP ?? Die Entscheidu­ng zur Reform des Personenbe­förderungs­gesetzes war begleitet von Protesten von Taxifahrer­n, wie hier im Februar in Berlin. Die Taxi-Branche fürchtet angesichts von Konkurrent­en wie dem US-Fahrdienst­leister Uber um ihre Existenz.
FOTO: JOHN MACDOUGALL/AFP Die Entscheidu­ng zur Reform des Personenbe­förderungs­gesetzes war begleitet von Protesten von Taxifahrer­n, wie hier im Februar in Berlin. Die Taxi-Branche fürchtet angesichts von Konkurrent­en wie dem US-Fahrdienst­leister Uber um ihre Existenz.

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