Eine positive Entwicklung mit Luft nach oben
Tuttlingens Gleichberechtigungsbeauftragte Lucia Faller spricht über den Frauentag
TUTTLINGEN - Am 8. März findet jedes Jahr der Frauentag statt. Damit wird seit 100 Jahren auf den Kampf der Frauen um Gleichberechtigung hingewiesen. Mitarbeiterin Sabine Doderer hat sich mit Lucia Faller, Gleichberechtigungsbeauftragte der Stadt Tuttlingen, unterhalten und die Situation in der Verwaltung beleuchtet.
Frau Faller, vor genau eineinhalb Jahren hatten wir ein Gespräch zum Thema Gleichstellung der Frau in der Stadt Tuttlingen. Was hat sich seither getan?
Die Anzahl der Frauen in Führungspositionen auf Abteilungsleiterinnen-Ebene hat sich hervorragend entwickelt. Die Hälfte der Führungskräfte sind Frauen. Ein wichtiges Signal für alle Frauen in unserer Verwaltung, denn weibliche Vorbilder motivieren und verändern das Rollenverständnis. Ein weiterer Pluspunkt, mit dem die Stadtverwaltung auf einem guten Weg ist, heißt Führung in Teilzeit. Dort wächst die Anzahl der Frauen langsam, aber stetig. Wo es vor Jahren nur die eine gab, haben wir inzwischen sechs Frauen, die in Teilzeit führen.
Wie sieht das in der Praxis aus?
Basis für diese Fortschritte in der Gleichstellung ist die Flexibilisierung der Arbeitszeiten. Nahezu jede Frau, die nach der Elternzeit zurückkommt, erhält ein Arbeitszeitmodell, das genau ihren Möglichkeiten entspricht. Es gibt also nicht nur Vollzeit oder Teilzeit, es gibt auch 35 ProzentStellen oder 75 Prozent-Stellen.
Wie hat sich das Arbeitsleben seit Corona verändert?
Vor allem Frauen haben bundesweit im Lockdown die zusätzliche Sorgearbeit übernommen, etwa in Kinderbetreuung oder der Pflege von Angehörigen und mussten dafür im Beruf kürzertreten. Da hat unsere Verwaltung schnell reagiert und allen Beschäftigen, bei denen es von der Aufgabe her möglich ist, Home Office angeboten. Seit dem zweiten Lockdown arbeite auch ich hauptsächlich von zu Hause.
Seit 100 Jahren findet nun weltweit regelmäßig im März der Frauentag statt. Wie gehen Sie als Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Tuttlingen mit diesem Tag um?
Ich möchte an den langen Weg der Frauen für die Gleichstellung erinnern. Besonders junge Frauen verstehen oft nicht, was Feminismus bedeutet. Die meisten Frauen erkennen erst, wenn sie Karriere machen wollen, dass immer noch Männer bevorzugt werden. Besonders Mütter erleben den Karriereknick.
Was sind Neuerungen in diesem Jahr?
Wir stellen alle Aktionen auf OnlineAngebote um und auch die Beratung und Vermittlung kann nur noch via Telefon oder Videokonferenz stattfinden. Daher plane ich derzeit gemeinsam mit einem Team von zehn Akteurinnen aus der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg zwei online Beratungs- und Informationstage. Dabei geht es um Qualifizierung, Karrierewege, Wiedereinstieg bis hin zur Existenzgründung – also alles rund um die berufliche Veränderung. Ebenso ist wieder ein Frauenwirtschaftstag sowie die Job for Future-Messe geplant, online, hybrid oder auch teilweise in Präsenzveranstaltungen. Im Rathaus selbst stehen derzeit Gespräch an, das interne Qualifizierungskonzept für Frauen mit dem Titel „Female Leadership“auszubauen und zu verändern.
Wie kam es zu der von Ihnen initiierten Schaufensteraktion?
Zusammen mit der Jugendkunstschule Zebra und Bettina Fillinger von ProTUT haben wir eine Schaufenster-Ausstellung organisiert, die auch dem vom Lockdown getroffenen Einzelhandel Aufmerksamkeit verschafft. Dabei haben Ines Figert und Hans-Uwe Hähn von Zebra online den Kontakt mit den Künstlerinnen und Künstlern gehalten. Mein vorgegebenes Thema „frei, gleich, selbstbestimmt“haben die Schülerinnen und Schüler ganz hervorragend umgesetzt. Das gesamte Projekt ist uns nur gelungen, weil alle Beteiligten sich trotz der Beschränkungen lösungsorientiert eingesetzt haben, dabei waren sogar drei Personen in Quarantäne. Janika Mägerle und Gabi Dürler haben im Hintergrund besonders aktiv gearbeitet.
Wie viele Frauen arbeiten aktuell für die Stadt und wie ist die Gewichtung von Frauen in Führungspositionen?
Drei Viertel der Beschäftigen sind Frauen. In Führungspositionen sind es rund 35 Prozent. Da ist noch Luft nach oben. Aber die Entwicklung ist positiv, denn an den Verwaltungshochschulen überwiegen die Frauen. Somit kommen in Zukunft viel Akademikerinnen in die Verwaltungen.