Gränzbote

Der Wahnsinn hat Methode

FC Bayern dreht gegen BVB erneut einen Rückstand – Lewandowsk­i jagt Müller-Torrekord

- Von Patrick Strasser

MÜNCHEN - Die Vier muss stehen – und sie stand am Ende auch, obwohl die entscheide­nden Treffer erst in den letzten Minuten fielen. Vier Tore schenkte der FC Bayern München Gegner Borussia Dortmund in der Allianz Arena ein, die Mindestaus­beute der nun vergangene­n sechs Duelle des deutschen Clásicos in München. Und weil die Gäste die sonst so ungleiche Partie diesmal bis zur 88. Minute – zumindest dem Ergebnis nach – ausgeglich­en gestalten konnten, gab es kein weiteres Schützenfe­st der Bayern. Die Ergebnisse in der Bundesliga lauteten aus Münchner Sicht zuletzt 4:0, 5:0 (beide 2019), 6:0 (2018), 4:1 (2017) und 5:1 (2015).

Kam der BVB diesmal also noch gut davon oder überwog der Frust über den so nahen Punktgewin­n nach der schnellen 2:0-Führung durch den Doppelpack von Erling Haaland (2./9. Minute)? Dem K.o.-Treffer zum 3:2 durch Leon Goretzka war in der 88. Minute ein umstritten­er Zweikampf zwischen Leroy Sané und Emre Can vorausgega­ngen. Schiedsric­hter Marco Fritz pfiff den Rempler von Sané nicht als Foul, weshalb die Borussen sich echauffier­ten. BVB-Kapitän Marco Reus tobte bei Sky: „Bei Bayern wäre das gepfiffen worden. Fertig, aus, ist so!“Im ZDF schimpfte er: „Für mich hat der Schiri keine Eier gehabt, da zu pfeifen.“Von zahlreiche­n Bayern-Fans wurde Reus im Netz als schlechter Verlierer abgestempe­lt. Dortmunds Trainer Edin Terzic wertete die Aktion „als klares Foulspiel. Es war ärgerlich, weil auf der anderen Seite einige andere Dinge, die ähnlich waren, gegen uns gepfiffen wurden.“

Ganz anders sah es Bayerns Thomas Müller: „Beide gehen mit dem Arm hin. Wir wollen doch nicht, dass solche Duelle an der Mittellini­e abgepfiffe­n werden. Das hatte keinen Einfluss auf die Situation, die danach entstanden ist. Es gibt nichts Schlimmere­s, als wenn alles gleich abgepfiffe­n wird.“Oder abgeschrie­ben – wie seine Nationalel­fzeit nach der Ausbootung durch Joachim Löw im Frühjahr 2019. Der Bundestrai­ner hatte zuletzt die Tür für ein Comeback aufgemacht, Müller will mit Schwung hindurchge­hen, sagte: „Ich habe auf jeden Fall Lust, im Sommer nach Titeln zu jagen. Was dann am Ende passiert, das werden wir sehen. Ob im Champions-League-Finale, das ganz klar unser Ziel ist, terminlich für mich Schluss ist oder nicht, das schauen wir dann.“Nach den jüngsten Äußerungen Löws ist Müllers DFB-Rückkehr wohl nur noch Formsache.

Mit Müller verbuchte Bayern-Trainer Hansi Flick im fünften Spiel den fünften Erfolg gegen die SchwarzGel­ben, in dieser Saison endeten die beiden Ligaduelle und der Supercup jeweils 3:2. Viel mehr noch befriedigt­e den 56-Jährigen der Fakt, dass seine Mannschaft nach dem frühen Rückstand zum wiederholt­en Male Comeback-Qualitäten bewiesen hatte. Flick lobte „die Moral, die Mentalität und den Willen der Mannschaft“und fand: „Am Ende haben wir verdient gewonnen. Es war ein sensatione­lles Comeback.“Für Goretzka, den ExSchalker, stand neben der Freude über seinen Treffer im Vordergrun­d: „Nach dem 0:2 haben wir gezeigt, dass wir das Spiel unbedingt gewinnen wollen. Es war eine großartige Energielei­stung und spätestens mit dem Anschlusst­reffer haben wir zu 100 Prozent daran geglaubt, dass wir das Spiel gewinnen können.“Wieder einmal bogen die Bayern ein Match um. Insgesamt drehten die Bayern zum sechsten Mal in dieser Saison ein Spiel – ein neuer Saisonreko­rd. Neben den erwähnten Wendemanöv­ern gewann man nach Rückstand beim BVB (3:2 nach 0:1) sowie in Stuttgart (3:1 nach 0:1), gegen Wolfsburg (2:1 nach 0:1) und in Leverkusen (2:1 nach 0:1) – jeweils in der Hinrunde.

Eklatante Abwehrschw­ächen wie auch an diesem Samstagabe­nd, als die Bayern bereits ihren 34. Gegentreff­er kassierten (letzte Saison am Ende 32), werden durch die phänomenal­e Offensive um Toptorjäge­r Robert Lewandowsk­i übertüncht. Oder anders formuliert: Der Wahnsinn hat Methode bei den Bayern 2020/21. Vor allem auf der Mittelstür­mer-Position. Während Dortmunds Haaland nach 19 Liga-Einsätzen auf starke 19 Treffer kommt, steht Lewandowsk­i nach 23 Einsätzen bei unglaublic­hen 31 Toren (zu diesem Zeitpunkt der Saison bisher unerreicht) und liegt damit auf Kurs Ewigkeit. Gerd Müllers AllzeitRek­ord von 40 Toren aus der Saison 1971/72 wackelt, Lewandowsk­i fehlen noch neun zur Einstellun­g, noch zehn zur alleinigen Bestmarke. „Ich habe den Rekord nicht im Kopf“, sagte der Pole, „das ist noch zu früh.“In der ewigen Torjägerli­ste der Bundesliga fehlt Lewandowsk­i nun nur noch ein Treffer zu Rang zwei, zu Klaus Fischer (268 Tore). Ob auch hier des Bombers 365 Tore wirklich unantastba­r bleiben?

 ?? FOTO: SVEN HOPPE/DPA ?? Viel Grund zur Freude: Mit seinen drei Treffern dreht Robert Lewandowsk­i (li.) nicht nur das Spiel gegen Ex-Club Dortmund, sondern kommt auch dem Bundesliga-Torrekord immer näher. Thomas Müller (re.) darf auf eine DFB-Rückkehr hoffen.
FOTO: SVEN HOPPE/DPA Viel Grund zur Freude: Mit seinen drei Treffern dreht Robert Lewandowsk­i (li.) nicht nur das Spiel gegen Ex-Club Dortmund, sondern kommt auch dem Bundesliga-Torrekord immer näher. Thomas Müller (re.) darf auf eine DFB-Rückkehr hoffen.

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