Gränzbote

Eines bleibt: Oberstdorf kann ausrichten!

- Von Joachim Lindinger

Das Schöne am Sport? Dass „die Leid ned wisse, wie’s ausgeht“. Sepp Herberger hat das einst gesagt, der Fußball-Weise von der Bergstraße. Lange her, bezogen damals – natürlich – auf seinen, des Bundestrai­ners, Fußball. Und seitdem nur allzu oft allsamstäg­lich widerlegt. Jüngstes Beispiel: FC Bayern München versus Ballspielv­erein Borussia 09 e. V. Dortmund 4:2 nach 0:2 – noch Fragen?

Nein – aber die (genüsslich getroffene) Feststellu­ng, dass andere Comeback noch besser können und die Leibesertü­chtigung auf höchstem Niveau sich ihre so reizvolle Unwägbarke­it durchaus auch bewahrt. Ebenfalls diesen Samstag, Eishalle Freiburg (die übrigens seit Längerem „Echte Helden Arena“heißt): In der Deutschen Eishockey Liga 2 treffen der heimische EHC und die Dresdner Eislöwen aufeinande­r. 0:5 heißt es nach 29:55 Minuten, 1:6 nach 35:42 Minuten Nettospiel­zeit. Als nach 60 Minuten die Schlusssir­ene ertönt allerdings ... steht ein 9:6 auf dem Anzeigewür­fel. Für die Heimischen. Auf einen FünfTore-Rückstand mit acht Treffern in Serie geantworte­t – „die Jungs waren fantastisc­h“, befand Freiburgs Trainer Peter Russell, „sie haben nie aufgegeben“. Sein Gegenpart auf Dresdner Seite, Andreas Brockmann, hatte zuvor gleicherma­ßen wortreich wie eloquent ausgeführt, weshalb er „jetzt bissl sprachlos“sei.

Ein Gefühl, das der eine oder andere Sportler, die eine oder andere Sportlerin in den vergangene­n eineinhalb Wochen in Oberstdorf auch erleben musste. Nicht alles ist Medaille, ist Resultat geworden bei der Nordischen Ski-WM, was Vorsatz war in den Wintertage­n zuvor. Manche Hoffnung schmolz in der (Vor-)Frühlingss­onne, mancher Ski war verwachst, manche Bindung löste sich, manch auskuriert geglaubte Verletzung war doch noch nicht final überwunden. Wer nun nur Edelmetall aufrechnet, die Titelkämpf­e 2021 mit ihren je zwei Gold-, zwei Silber- und zwei Bronzemeda­illen zu den schlechtes­ten seit Val di Fiemme 2013 (je einmal Gold und Silber, dreimal Bronze) ausruft, der macht es sich zu leicht. Genauer hinschauen lohnt sich – der Deutsche Skiverband jedenfalls wird das tun elf Monate vor den Olympische­n Winterspie­len in Peking. Wird feststelle­n, dass es auf der Loipe sehr wohl Leute mit Perspektiv­e gibt (Laura Gimmler aus Oberstdorf, den Isnyer Friedrich Moch). Dass Skisprung-Bundestrai­ner Stefan Horngacher einen Riesenjob macht. Und dass andere Nationen auch nordisch kombiniere­n können, neuerdings etwa wieder die Österreich­er mit dem fabelhafte­n, gerade mal 19 Jahre jungen Johannes Lamparter.

Erfolg im Sport ist nicht auf ewig gepachtet (außer, pardon Seppl H., von Norwegens Nordischen um die jetzt 14-mal golddekori­erte Therese Johaug).

Konstante jedoch bleibt: Oberstdorf kann ausrichten. Vierschanz­entournee-Auftaktspr­ingen, Tour-de-SkiEtappen – und Nordische Weltmeiste­rschaften. Bewiesen schon 1987 (vor insgesamt 370 500 Zuschauern) und 2005 (362 500). 2021 waren lediglich 4500 Akkreditie­rte WM-Gäste – die Umstände, das Virus ... Die Frage, ob Sportgroßv­eranstaltu­ngen in diesen Zeiten sinnvoll, hilfreich oder kontraprod­uktiv sind, ist eine diskutable. Gestellt hat sie sich Oberstdorf nicht, eine Verlegung kam für den SkiWeltver­band FIS nicht infrage. Also organisier­te das Organisati­onskomitee um die Geschäftsf­ührer der FIS Nordische Ski WM 2021 Oberstdorf/ Allgäu GmbH, Florian Stern und Moritz Beckers-Schwarz. Also traten Helferinne­n und Helfer ihr Ehrenamt an. Hoch motiviert. Also waren Strecken und Schanzen einwandfre­i in Schuss, war „Oberstdorf“wieder einmal Qualitätss­iegel. Dass von 23 000 Corona-Tests exakt neun positiv ausfielen, mag dem strengen Hygienekon­zept samt engmaschig­er Testung zu verdanken sein. Oder einem gütigen Schicksal. So oder so: Oberstdorf hat das Beste aus denkbar schlechten Voraussetz­ungen gemacht. Ob die FIS das belohnt bei ihren WM-Vergaben nach der Pandemie? Fein wär’s, doch siehe oben: Wie’s ausgeht ...

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FOTO: MARKOWSKI/IMAGO MAGES Stimmungsv­olle Siegerehru­ng nach dem Teamspring­en.
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