Nur ein Wegweiser nach Tokio
Deutsche Leichtathleten zeigen bei Hallen-EM Licht und Schatten – Mihambo verschenkt Goldmedaille beim Absprung
TORUN (dpa) - Die Hallen-EM war kein Sprungbrett für mögliche Medaillen bei den Olympischen Spielen in Tokio für die deutschen Leichtathleten – eher ein Wegweiser. „Es war ein Schritt in die richtige Richtung“, sagte Weitsprung-Star Malaika Mihambo, die sich mit großen Sätzen bestens auskennt und im polnischen Torun auf dem Silberrang landete. Für die Weltmeisterin und ihre deutschen Mitstreiter gibt es bis zur Olympia-Eröffnung am 23. Juli noch viel zu tun, um trotz Pandemie optimal vorbereitet in Tokio zu starten.
„Die deutsche Mannschaft hat in Torun gut performt. Man hat aber auch gesehen, dass viel mehr in ihr steckt, als sie in manchen entscheidenden Momenten zeigen konnte“, bilanzierte Annett Stein, Cheftrainerin des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. Insgesamt gewannen die DLVAthleten sechs Medaillen – 2019 waren es fünf.
„Ich habe mich in dieser Hallensaison schwergetan mit dem langen Anlauf, aus dem ich ein Jahr nicht gesprungen bin“, sagte Mihambo. „Jetzt geht es darum, bis zum Sommer daran zu feilen.“Wegen Rückenbeschwerden hatte sie ihren Körper 2020 schonen wollen und machte nur 16 statt 20 Schritte bis zum Absprung. Seit der Rückkehr zum langen Anlauf trifft sie das Brett seltener, fliegt weniger weit. Im Finale von Torun verschenkte Mihambo beim Silbersatz über 6,88 Meter einige Zentimeter und wohl den ersten Sieben-MeterSprung im Winter. „Effektiv war ich die Beste, aber im Ergebnis nur die Zweitbeste“, befand die 27-Jährige von der LG Kurpfalz. „Ich bin zuversichtlich und weiß, dass ich noch einen Sprung über sieben Meter bringen kann.“
Fortgesetzt hat Dreispringer Max Heß die bronzene Medaillenserie. Nach 2019 und 2017 gelang ihm mit 17,01 Meter erneut der Sprung auf Rang drei hinter dem Portugiesen Pedro Pablo Pichardo (17,30 Meter) und Alexis Copello (Aserbaidschan/17,04). „Das ist die ärgerlichste
Bronzemedaille“, klagte der Chemnitzer. „Es waren vier ungültige Versuche dabei, die das Potenzial hatten, bei Gold mitzuspielen.“
Völlig überraschend gewann Dreisprung-Kollegin Neele Eckardt ebenfalls Bronze. Erst im letzten Versuch wurde die Göttingerin von Ana Peleteiro (Spanien) vom 2. Platz verdrängt. Sie war wie die deutsche Hallen-Meisterin 14,52 Meter weit geflogen, hatte aber insgesamt die besseren Versuche. „Ich war fassungslos, mit 14,52 Meter habe ich nicht gerechnet. Besser hätte es nicht laufen können“, sagte Eckardt, die zudem die Olympianorm knackte. Den Titel holte mit nur einem Zentimeter mehr Patricia Mamona aus Portugal.
Als Nummer 1 in Europa ging Kevin Kranz an den Start, mit Silber über 60 Meter reiste er nach Wetzlar zurück. „Auch wenn ich Bestzeit gelaufen wäre, hätte ich nicht gewonnen“, sagte der 22-jährige Sprinter. In 6,60 Sekunden kam er hinter dem Italiener Lamont Marcell Jacobs ins Ziel, der in 6,47 Sekunden eine Weltbestzeit rannte. „Ich wäre gerne schneller gelaufen, bin aber erstmal glücklich.“
Mehr als Glück empfand Hanna Klein nach Bronze über 1500 Meter. „Es war mein Traum, eine Medaille zu gewinnen. Es ist meine erste bei einer großen Meisterschaft – die Farbe ist mir relativ egal“, sagte die Tübingerin. Schlecht gelaufen ist es für Gesa Krause. Die Hindernis-Europameisterin wurde in ihrem Lauf nur Letzte. „Trotz dieses Rennens bin ich auf gutem Weg nach Tokio“, sagte die Triererin. „Ich bin aus einem Tief immer stärker herausgekommen.“
Olympiataugliche Höhen erreichte auch Hochsprung-Europameister Mateusz Przybylko nicht. Gehandicapt durch Fußprobleme überquerte der 28-jährige Leverkusener nur 2,19 Meter. „Ich bin echt traurig“, sagte er verzagt, versicherte nach einer schwierigen Phase aber dennoch: „Das Fluggefühl ist wieder da. Im Sommer geht es richtig ab.“Auf eine derartige Leistungsteigerung hoffen wohl auch die meisten seiner Teamkollegen.