Teamgold – eine ganz besondere Nummer
Skispringer Karl Geiger beweist bei seiner Heim-WM erneut seine große mentale Stärke
OBERSTDORF - In der ersten Euphorie überhöht man gerne. Dies mag auch Stefan Horngacher am Freitagabend getan haben. „Karl ist unglaublich, ich habe noch nie einen solchen Athleten trainieren dürfen – Hut ab!“, sagte der Skisprung-Bundestrainer, als Karl Geiger mit einem 132-MeterFlug Bronze von der Großschanze gewonnen hatte. Damit hatte der 28-jährige Oberstdorfer seinen Medaillensatz bei seiner Heim-WM komplett: Gold im Mixed, Silber von der kleinen Schanze und Bronze vom großen Bakken. Am Samstag krönte sich der Skiflug-Weltmeister endgültig zum Skisprung-König dieser Titelkämpfe. Mit Sprüngen auf 133,5 und 136 Meter hatte er maßgeblichen Anteil am deutschen Triumph im Teamspringen. Gemeinsam mit Markus Eisenbichler, Severin Freund und Pius Paschke siegte er vor Österreich und Polen. „Das war unser Ziel“, sagte der Bundestrainer, „ich bin wahnsinnig stolz auf meine Jungs.“
Wieder kam Horngacher über die Vorstellung seines Vorspringers in dem packenden Dreikampf mit den Österreichern und Polen aus dem Staunen nicht heraus. „Was Karl heute gemacht hat, war schon eine ganz besondere Nummer", sagte der Coach. In seiner Analyse ging er dann auf Geigers besondere Fähigkeiten ein. „Wir sind froh, dass wir in Karl einen mental so starken Springer haben, der immer wieder in der Lage ist Medaillen zu gewinnen“, bekannte er. Irgendwann habe sich Geiger angeeignet, immer auf den Punkt topfit zu sein: „Er hat einfach ein ganz klares Konzept, wie er einen Wettkampf bestreitet. Es scheint zu funktionieren. Nicht immer, aber meistens.“
Gezwungenermaßen habe er sich eine spezielle Vorbereitung zurechtgelegt, so Geiger. „Ich war als Jugendlicher eigentlich ein totaler Wettkampfversager“, erzählt er. Irgendwann habe sich das gedreht. Doch auf sein Weltcup-Debüt 2012 folgte die Rückstufung. „Im Continental-Cup kämpfte ich in den Probedurchgängen um Positionen zwischen 40 und 50“, erzählt er. Dann ging er in sich – seine Erkenntnis: „So kannst du hier nicht auftreten, das geht gar nicht.“Im Anschluss entwickelte er sein Programm, „wie ich an die Wettkämpfe rangehen muss“.
Trotzdem hat es bis zu den Olympischen Spielen 2018 gedauert, bis der begeisterte Gleitschirmflieger zum sportlichen Höhenflug angesetzt hat. Der vierfache Olympiasieger Simon Amman erinnert sich: „Ich weiß noch, wie Karl in Pyeongchang gesagt hat: ,So, ich durfte lange genug hinten anstehen.‘“Dreimal durfte er in Südkorea springen, mit dem Team gewann er Silber. „Das gab mir Kraft“, erinnert er sich. Seitdem startet der Allgäuer durch.
Dies hatte Kombinationsbundestrainer Hermann Weinbuch auch von Vinzenz Geiger erwartet. Immerhin hatte der 23-jährige Oberstdorfer, der mit Karl Geiger dank eines gemeinsamen Ururgroßvaters verwandt ist, diesen Winter schon viermal im Weltcup triumphiert. Doch ausgerechnet auf seiner Heimschanze zeigte er Nerven. „Vinz hat es auf der Schanze nicht hinbekommen“, sagte der Coach knallhart. Ganz im Gegenteil zum Norweger Jarl Magnus Riiber. Oder Johannes Lamparter. Der 19 Jahre alte Österreicher ist nach seinen zwei Goldmedaillen auf dem Weg zum neuen Dominator. Auch wegen seiner Nervenstärke. „Vinz bringt die Sprünge nicht so beständig und so sicher, dass er es auch unter einer höheren Nervenanspannung schafft“, kritisierte Weinbuch. Eine Frage des Alters oder der Reife? „Jeder ist anders“, so Weinbuch, „jeder hat seine Vorund Nachteile.“An den Schwächen müsse man arbeiten. Würde ein Familienprojekt helfen? „Ich würde mir nicht anmaßen, dem Vinz irgendwelche Tipps zu geben“, sagt Karl Geiger.
So mussten bei den Kombinierern die Arrivierten die Kastanien aus dem Feuer holen. Eric Frenzel und Fabian Rießle erkämpften sich mit einer wahren Energieleistung nach einem schwächeren Sprungresultat Rießles noch Bronze im Teamsprint. Nach Silber im Teamwettbewerb waren zuvor zwei vierte Plätze durch Eric Frenzel die besten Platzierungen. „Wir wollten drei Medaillen und haben zwei“, meinte Cheftrainer Weinbuch in seiner Bilanz, „es war holprig.“
Von Euphorie waren die Kombinierer weit entfernt.