Bareiß wehrt sich
Streit um Frage nach Beatmungsgeräten für Aserbaidschan
BERLIN (clak) - Der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß weist den Vorwurf zurück, er habe Druck auf ein Unternehmen ausgeübt, um eine schnellere Lieferung von Beatmungsgeräten an Aserbaidschan zu bewirken. Er habe zwar mit dem Hersteller telefoniert, dabei sei es aber um „humanitäre Hilfe“gegangen“, sagte der Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Sigmaringen-Zollernalb am Freitag der „Schwäbischen Zeitung“. „Niemals habe ich mich persönlich bereichert oder einen Vorteil daraus gezogen.“Auch das Unternehmen bestätigte, dass kein Druck ausgeübt wurde.
Zuvor hatte das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtet, der CDU-Politiker habe „in einem Anruf bei dem Unternehmen darauf gedrungen, Beatmungsgeräte zuvorderst an die Kaukasus-Republik zu liefern“. Dazu sagte Bareiß, dieser Anruf sei auf Bitten eines „Amtskollegen aus Aserbaidschan“erfolgt und habe der Klärung des konkreten Liefertermins gedient.
RAVENSBURG - Die Fälle häufen sich. Die Bundestagsabgeordneten Georg Nüßlein (CSU) und Nikolas Löbel (CDU) sollen für Vermittlungstätigkeiten bei SchutzmaskenGeschäften Provisionen eingestrichen haben. Am Donnerstag war der Thüringer CDU-Abgeordnete Mark Hauptmann nach Korruptionsvorwürfen zurückgetreten. Dem MDR zufolge soll auch er sich an der Vermittlung von Masken bereichert haben. Welche Regeln bei Nebeneinkünften gelten für Bundestagsabgeordnete eigentlich? Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Dürfen Politiker neben ihrer Abgeordnetentätigkeit ● grundsätzlich arbeiten?
Ja, laut Abgeordnetengesetz dürfen sie das. Das Mandat muss aber weiter die Hauptbeschäftigung sein. Die Parlamentarier dürfen zudem bei den Nebentätigkeiten keine Zuwendung ohne Gegenleistung annehmen. „Unzulässig ist insbesondere die Annahme von Geld oder von geldwerten Zuwendungen, die nur deshalb gewährt werden, weil dafür die Vertretung und Durchsetzung der Interessen des Leistenden im Bundestag erwartet wird“, heißt es in dem Gesetz. Kurz gesagt: Abgeordnete dürfen ihr Mandat nicht für finanzielle Vorteile nutzen. Müssen Abgeordnete Nebentätigkeiten ● und Einnahmen angeben?
Ja. Sofern sie mehr als 1000 Euro pro Monat oder 10 000 im Jahr für eine Tätigkeit bekommen, müssen sie das anzeigen. Sie müssen das allerdings nicht auf Euro und Cent genau tun – sondern gestaffelt in zehn Stufen. Stufe 1 beispielsweise fasst Einkünfte über 1000 bis 3500 Euro zusammen, Stufe 5 Einkünfte bis 50 000 Euro und Stufe 10 Einkünfte über 250 000 Euro. An diesem Stufenmodell gibt es Kritik. „Wir fordern die eurogenaue Angabe solcher Nebeneinkünfte“, sagt Wolfgang Jäckle, Leiter der Abteilungsgruppe Politik bei „Transparency International Deutschland“. Wie viel dürfen sie dabei insgesamt ● verdienen?
Die Grenze nach oben hin ist offen. Wie viele Parlamentarier gehen ● Nebentätigkeiten nach?
Fast ein Drittel der 709 Abgeordneten – die meisten konzentrieren sich also einzig auf ihr Mandat. „Die weitverbreitete Meinung, jeder Bundestagsabgeordnete würde sich im Amt bereichern, ist erst mal falsch“, sagt Léa Briand, Sprecherin der Plattform abgeordnetenwatch.de.
Was für Nebeneinkünfte und -tätigkeiten ● sind das?
Unterschiedlich. Viele Abgeordnete sind Juristen, die weiterhin Mandanten betreuen. Einige sind auch in Vorständen oder in Beiräten tätig, andere wiederum bewirtschaften als Landwirte ihre Betriebe. Wenn ein Politiker zudem mehr als 25 Prozent der Anteile an einem Unternehmen hält, muss er das angeben. Abgeordnete müssen auch Honorare auflisten, die sie beispielsweise durch Vorträge oder durch den Verkauf von Büchern eingenommen haben. Wie viel bekommen Parlamentarier ● für Nebentätigkeiten?
Ex-Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) verdiente laut abgeordnetenwatch.de in der laufenden Legislaturperiode (Stand August 2020) als Berater mindestens 896 000 Euro.
Sein Parteifreund Sebastian Brehm bekam für Steuerberatung Mindesteinkünfte von 3,1 Millionen Euro – und ist Spitzenreiter. FDP-Chef Christian Lindner verdiente sich, unter anderem mit Vorträgen, 424 500 Euro dazu. Der Linken-Abgeordnete Gregor Gysi erhielt als Redner, Buchautor und Rechtsanwalt seit 2017 mindestens 470 000 Euro.
Der CDU-Abgeordnete Philipp ● Amthor hatte Lobbyarbeit für das IT-Unternehmen Augustus Intelligence betrieben und dafür Aktienoptionen erhalten. Ist das zulässig?
Ja, derzeit noch. Zu Aktienoptionen müssen Parlamentarier laut Abgeordnetenwatch-Sprecherin Léa Briand keine Angaben machen. Erst wenn sie gewinnbringend eingelöst werden, müssen sie angegeben werden.
Wie viel verdienen Bundestagsabgeordnete ● überhaupt?
Berliner Parlamentarier erhalten seit 2019 eine monatliche Abgeordnetenentschädigung in Höhe von 10 083,47 Euro. Diesen Betrag müssen sie versteuern. Sie erhalten monatlich zusätzlich 4560,50 Euro als steuerfreie Aufwandspauschale. Davon decken sie Kosten, die zur Ausübung des Mandates anfallen: „vom Wahlkreisbüro über den zweiten Wohnsitz in Berlin bis hin zum Büromaterial im Wahlkreis sowie Kosten der Wahlkreisbetreuung“, heißt es auf der Homepage des Bundestags.
Auch Gesundheitsminister Jens ● Spahn (CDU) steht in der Kritik. Er hatte im Herbst zu einem Abendessen geladen – gegen Spenden. War das rechtens?
Jeder der rund ein Dutzend Teilnehmer
soll laut „Bild“-Zeitung gebeten worden sein, nicht mehr als 9999 Euro für Spahns CDU-Kreisverband Borken im Münsterland zu spenden – damit die Zuwendung nicht in den Büchern aufgeführt werden muss. Illegal wäre das nicht, aber „einfach nur peinlich und moralisch verwerflich“, wie Jäckle sagt. Denn Einzelspenden müssen erst ab 10 000 Euro mit Namen und Adresse im Rechenschaftsbericht der jeweiligen Partei aufgeführt werden. Spenden von über 50 000 Euro müssen dem Bundestagspräsidenten sofort angezeigt werden. Zuwendungen aus dem Nicht-EU-Ausland sind grundsätzlich verboten. Eine solche Spende aus der Schweiz hatte die AfD 2018 in Bedrängnis gebracht.
Die Große Koalition hat sich auf ● ein Lobbyregister geeinigt. Damit wird nun alles transparenter, oder?
Kritiker bezweifeln das. Ein solches Register sei zwar laut Jäckle schon ein Fortschritt, „aber es hat zu viele Mängel“. Ihm fehle vor allem der sogenannte legislative Fußabdruck, an dem der Einfluss von Lobbyisten auf die Gesetzgebung klar erkennbar wäre. In das öffentlich einsehbare Register müssen sich künftig all jene eintragen, die Lobbyarbeit betreiben. Jäckle erklärt: „Man darf Lobbyismus nicht per se verdammen.“Eine Demokratie funktioniere gar nicht anders. Jeder hat seine Interessen: Autofahrer, Radfahrer, Unternehmen, Verbraucherverbände. Lobbyisten versuchen, diese Interessen zu bündeln und einzubringen. Aber: „Es geht immer darum, dass es nicht einseitig wird. Abgeordnete sind immer dem Allgemeininteresse verpflichtet und dürfen nicht nur Partikularinteressen bedienen“, sagt Jäckle.
Einige Politiker wechseln nach ● ihrem Abgeordneten-Dasein in die Wirtschaft. Ist das problemlos möglich?
Im Bund gilt eine Karenzzeit von einem Jahr, falls Interessenkonflikte zwischen einem ehemaligen Regierungsmitglied und einem Unternehmen befürchtet werden. In besonders schweren Fällen kann diese Zeitspanne auch 18 Monate betragen. Das ist die sogenannte Coolingoff-Periode, also die Zeit zum Herunterkühlen. Jäckle fordert in diesen Fällen einen längeren Übergang, die „Idealvorstellung sind drei Jahre“. Beispiele für Politiker, die die Seiten gewechselt haben, gibt es viele. Die ehemalige baden-württembergische Grünen-Bundestagsabgeordnete Kerstin Andreae wurde 2019 Hauptgeschäftsführerin des Bundes der Energie- und Wasserwirtschaft, BDEW. Der frühere Südwest-Agrarminister Alexander Bonde (Grüne) arbeitete nach der Karenzzeit als Senior-Berater unter anderem für Start-ups. Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) ist für den russischen Energiekonzern Gazprom tätig – und steht deswegen regelmäßig in der Kritik.
Unterscheiden sich Bund und ● Länder bei diesen Karenzzeiten und Verhaltensregeln für Politiker?
Ja. In Baden-Württemberg existiert laut „Transparency“keine Karenzzeitregelung für Minister und Staatssekretäre. Dafür erfülle der Südwesten die meisten Ansprüche an ein Lobbyregister. Die bayerischen Verhaltensregeln wiesen „keine gravierenden Mängel“auf, so „Transparency“. Insgesamt kommt BadenWürttemberg im Länder-Vergleich auf den sechsten Platz, Bayern nur auf den zwölften.