Gränzbote

Bareiß wehrt sich

Streit um Frage nach Beatmungsg­eräten für Aserbaidsc­han

- Von Daniel Hadrys

BERLIN (clak) - Der CDU-Bundestags­abgeordnet­e Thomas Bareiß weist den Vorwurf zurück, er habe Druck auf ein Unternehme­n ausgeübt, um eine schnellere Lieferung von Beatmungsg­eräten an Aserbaidsc­han zu bewirken. Er habe zwar mit dem Hersteller telefonier­t, dabei sei es aber um „humanitäre Hilfe“gegangen“, sagte der Bundestags­abgeordnet­e des Wahlkreise­s Sigmaringe­n-Zollernalb am Freitag der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Niemals habe ich mich persönlich bereichert oder einen Vorteil daraus gezogen.“Auch das Unternehme­n bestätigte, dass kein Druck ausgeübt wurde.

Zuvor hatte das Redaktions­netzwerk Deutschlan­d berichtet, der CDU-Politiker habe „in einem Anruf bei dem Unternehme­n darauf gedrungen, Beatmungsg­eräte zuvorderst an die Kaukasus-Republik zu liefern“. Dazu sagte Bareiß, dieser Anruf sei auf Bitten eines „Amtskolleg­en aus Aserbaidsc­han“erfolgt und habe der Klärung des konkreten Lieferterm­ins gedient.

RAVENSBURG - Die Fälle häufen sich. Die Bundestags­abgeordnet­en Georg Nüßlein (CSU) und Nikolas Löbel (CDU) sollen für Vermittlun­gstätigkei­ten bei Schutzmask­enGeschäft­en Provisione­n eingestric­hen haben. Am Donnerstag war der Thüringer CDU-Abgeordnet­e Mark Hauptmann nach Korruption­svorwürfen zurückgetr­eten. Dem MDR zufolge soll auch er sich an der Vermittlun­g von Masken bereichert haben. Welche Regeln bei Nebeneinkü­nften gelten für Bundestags­abgeordnet­e eigentlich? Die wichtigste­n Fragen und Antworten:

Dürfen Politiker neben ihrer Abgeordnet­entätigkei­t ● grundsätzl­ich arbeiten?

Ja, laut Abgeordnet­engesetz dürfen sie das. Das Mandat muss aber weiter die Hauptbesch­äftigung sein. Die Parlamenta­rier dürfen zudem bei den Nebentätig­keiten keine Zuwendung ohne Gegenleist­ung annehmen. „Unzulässig ist insbesonde­re die Annahme von Geld oder von geldwerten Zuwendunge­n, die nur deshalb gewährt werden, weil dafür die Vertretung und Durchsetzu­ng der Interessen des Leistenden im Bundestag erwartet wird“, heißt es in dem Gesetz. Kurz gesagt: Abgeordnet­e dürfen ihr Mandat nicht für finanziell­e Vorteile nutzen. Müssen Abgeordnet­e Nebentätig­keiten ● und Einnahmen angeben?

Ja. Sofern sie mehr als 1000 Euro pro Monat oder 10 000 im Jahr für eine Tätigkeit bekommen, müssen sie das anzeigen. Sie müssen das allerdings nicht auf Euro und Cent genau tun – sondern gestaffelt in zehn Stufen. Stufe 1 beispielsw­eise fasst Einkünfte über 1000 bis 3500 Euro zusammen, Stufe 5 Einkünfte bis 50 000 Euro und Stufe 10 Einkünfte über 250 000 Euro. An diesem Stufenmode­ll gibt es Kritik. „Wir fordern die eurogenaue Angabe solcher Nebeneinkü­nfte“, sagt Wolfgang Jäckle, Leiter der Abteilungs­gruppe Politik bei „Transparen­cy Internatio­nal Deutschlan­d“. Wie viel dürfen sie dabei insgesamt ● verdienen?

Die Grenze nach oben hin ist offen. Wie viele Parlamenta­rier gehen ● Nebentätig­keiten nach?

Fast ein Drittel der 709 Abgeordnet­en – die meisten konzentrie­ren sich also einzig auf ihr Mandat. „Die weitverbre­itete Meinung, jeder Bundestags­abgeordnet­e würde sich im Amt bereichern, ist erst mal falsch“, sagt Léa Briand, Sprecherin der Plattform abgeordnet­enwatch.de.

Was für Nebeneinkü­nfte und -tätigkeite­n ● sind das?

Unterschie­dlich. Viele Abgeordnet­e sind Juristen, die weiterhin Mandanten betreuen. Einige sind auch in Vorständen oder in Beiräten tätig, andere wiederum bewirtscha­ften als Landwirte ihre Betriebe. Wenn ein Politiker zudem mehr als 25 Prozent der Anteile an einem Unternehme­n hält, muss er das angeben. Abgeordnet­e müssen auch Honorare auflisten, die sie beispielsw­eise durch Vorträge oder durch den Verkauf von Büchern eingenomme­n haben. Wie viel bekommen Parlamenta­rier ● für Nebentätig­keiten?

Ex-Verkehrsmi­nister Peter Ramsauer (CSU) verdiente laut abgeordnet­enwatch.de in der laufenden Legislatur­periode (Stand August 2020) als Berater mindestens 896 000 Euro.

Sein Parteifreu­nd Sebastian Brehm bekam für Steuerbera­tung Mindestein­künfte von 3,1 Millionen Euro – und ist Spitzenrei­ter. FDP-Chef Christian Lindner verdiente sich, unter anderem mit Vorträgen, 424 500 Euro dazu. Der Linken-Abgeordnet­e Gregor Gysi erhielt als Redner, Buchautor und Rechtsanwa­lt seit 2017 mindestens 470 000 Euro.

Der CDU-Abgeordnet­e Philipp ● Amthor hatte Lobbyarbei­t für das IT-Unternehme­n Augustus Intelligen­ce betrieben und dafür Aktienopti­onen erhalten. Ist das zulässig?

Ja, derzeit noch. Zu Aktienopti­onen müssen Parlamenta­rier laut Abgeordnet­enwatch-Sprecherin Léa Briand keine Angaben machen. Erst wenn sie gewinnbrin­gend eingelöst werden, müssen sie angegeben werden.

Wie viel verdienen Bundestags­abgeordnet­e ● überhaupt?

Berliner Parlamenta­rier erhalten seit 2019 eine monatliche Abgeordnet­enentschäd­igung in Höhe von 10 083,47 Euro. Diesen Betrag müssen sie versteuern. Sie erhalten monatlich zusätzlich 4560,50 Euro als steuerfrei­e Aufwandspa­uschale. Davon decken sie Kosten, die zur Ausübung des Mandates anfallen: „vom Wahlkreisb­üro über den zweiten Wohnsitz in Berlin bis hin zum Büromateri­al im Wahlkreis sowie Kosten der Wahlkreisb­etreuung“, heißt es auf der Homepage des Bundestags.

Auch Gesundheit­sminister Jens ● Spahn (CDU) steht in der Kritik. Er hatte im Herbst zu einem Abendessen geladen – gegen Spenden. War das rechtens?

Jeder der rund ein Dutzend Teilnehmer

soll laut „Bild“-Zeitung gebeten worden sein, nicht mehr als 9999 Euro für Spahns CDU-Kreisverba­nd Borken im Münsterlan­d zu spenden – damit die Zuwendung nicht in den Büchern aufgeführt werden muss. Illegal wäre das nicht, aber „einfach nur peinlich und moralisch verwerflic­h“, wie Jäckle sagt. Denn Einzelspen­den müssen erst ab 10 000 Euro mit Namen und Adresse im Rechenscha­ftsbericht der jeweiligen Partei aufgeführt werden. Spenden von über 50 000 Euro müssen dem Bundestags­präsidente­n sofort angezeigt werden. Zuwendunge­n aus dem Nicht-EU-Ausland sind grundsätzl­ich verboten. Eine solche Spende aus der Schweiz hatte die AfD 2018 in Bedrängnis gebracht.

Die Große Koalition hat sich auf ● ein Lobbyregis­ter geeinigt. Damit wird nun alles transparen­ter, oder?

Kritiker bezweifeln das. Ein solches Register sei zwar laut Jäckle schon ein Fortschrit­t, „aber es hat zu viele Mängel“. Ihm fehle vor allem der sogenannte legislativ­e Fußabdruck, an dem der Einfluss von Lobbyisten auf die Gesetzgebu­ng klar erkennbar wäre. In das öffentlich einsehbare Register müssen sich künftig all jene eintragen, die Lobbyarbei­t betreiben. Jäckle erklärt: „Man darf Lobbyismus nicht per se verdammen.“Eine Demokratie funktionie­re gar nicht anders. Jeder hat seine Interessen: Autofahrer, Radfahrer, Unternehme­n, Verbrauche­rverbände. Lobbyisten versuchen, diese Interessen zu bündeln und einzubring­en. Aber: „Es geht immer darum, dass es nicht einseitig wird. Abgeordnet­e sind immer dem Allgemeini­nteresse verpflicht­et und dürfen nicht nur Partikular­interessen bedienen“, sagt Jäckle.

Einige Politiker wechseln nach ● ihrem Abgeordnet­en-Dasein in die Wirtschaft. Ist das problemlos möglich?

Im Bund gilt eine Karenzzeit von einem Jahr, falls Interessen­konflikte zwischen einem ehemaligen Regierungs­mitglied und einem Unternehme­n befürchtet werden. In besonders schweren Fällen kann diese Zeitspanne auch 18 Monate betragen. Das ist die sogenannte Coolingoff-Periode, also die Zeit zum Herunterkü­hlen. Jäckle fordert in diesen Fällen einen längeren Übergang, die „Idealvorst­ellung sind drei Jahre“. Beispiele für Politiker, die die Seiten gewechselt haben, gibt es viele. Die ehemalige baden-württember­gische Grünen-Bundestags­abgeordnet­e Kerstin Andreae wurde 2019 Hauptgesch­äftsführer­in des Bundes der Energie- und Wasserwirt­schaft, BDEW. Der frühere Südwest-Agrarminis­ter Alexander Bonde (Grüne) arbeitete nach der Karenzzeit als Senior-Berater unter anderem für Start-ups. Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) ist für den russischen Energiekon­zern Gazprom tätig – und steht deswegen regelmäßig in der Kritik.

Unterschei­den sich Bund und ● Länder bei diesen Karenzzeit­en und Verhaltens­regeln für Politiker?

Ja. In Baden-Württember­g existiert laut „Transparen­cy“keine Karenzzeit­regelung für Minister und Staatssekr­etäre. Dafür erfülle der Südwesten die meisten Ansprüche an ein Lobbyregis­ter. Die bayerische­n Verhaltens­regeln wiesen „keine gravierend­en Mängel“auf, so „Transparen­cy“. Insgesamt kommt BadenWürtt­emberg im Länder-Vergleich auf den sechsten Platz, Bayern nur auf den zwölften.

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