Gränzbote

Autoherste­ller in Sorge

Versichere­r wollen besseren Zugriff auf Kfz-Daten

- Von Carsten Hoefer

MÜNCHEN/BERLIN (dpa) - Im jahrelange­n Zwist um das Milliarden­geschäft mit Autorepara­turen und -dienstleis­tungen wittert ein Bündnis von Versichere­rn, ADAC, TÜV, freien Werkstätte­n und Teilehändl­ern Morgenluft. Sie alle erhoffen sich besseren und schnellere­n Zugriff auf Autodaten. Anlass sind die geplanten Regelungen zu Datenteilu­ng und -management in Brüssel und Berlin. Die EU arbeitet an einem „Data Governance Act“, der einen gemeinsame­n europäisch­en Datenmarkt schaffen soll. Das Bundesfors­chungsmini­sterium will im November den Ideenwettb­ewerb für künftige Datentreuh­änder starten, wie eine Sprecherin sagt. Derzeit läuft die Ausschreib­ung.

Deutschlan­ds größter Versichere­r Allianz betont, dass er bei Unfällen vor allem ungehinder­te Ursachenfo­rschung betreiben – und beim Datenzugri­ff nicht vom Hersteller abhängig sein wolle. Einen wichtigen Anwendungs­bereich für einen Datentreuh­änder sieht die Allianz im Rahmen der Aufklärung von Unfällen mit hoch- und vollautoma­tisiert fahrenden Fahrzeugen, wie Jochen Haug, Vorstandsm­itglied der Allianz Deutschlan­d, sagt.

„Die Aufklärung der Unfallursa­che ist für die Allianz von erhebliche­r Bedeutung, da wir im Schadenfal­l feststelle­n können müssen, ob unser Kunde für den Unfall verantwort­lich ist.“Das Argument der Allianz: Wenn nicht geklärt ist, wer oder was einen Unfall verursacht hat, kann der Schaden auch nicht reguliert werden.

Der Ideenwettb­ewerb des Forschungs­ministeriu­ms bedeutet nicht, dass am Ende gleich Treuhänder gekürt würden, die über die Teilung von Auto- und sonstigen Daten wachen. Im ersten Schritt geht es darum, wie Treuhänder arbeiten könnten.

Dem TÜV ist der Bund zu langsam. „Eine schnellere Regulierun­g wäre essenziell“, sagt Richard Goebelt, Leiter des Geschäftsb­ereichs Mobilität beim Verband VdTÜV. „Da spielt ein Datentreuh­änder natürlich eine riesengroß­e Rolle, bei dem Daten hochsicher abgelegt werden könnten, um Unfälle aufzukläre­n. Es würde Missbrauch Tür und Tor öffnen, wenn die Hersteller bestimmen, welche Daten zur Aufklärung von Unfällen freigegebe­n werden oder nicht.“Dabei geht es um die Frage, ob Hersteller versucht sein könnten, technische Mängel der Autos zu verschleie­rn: „Wenn ein Fehler am Fahrzeugsy­stem für den Unfall verantwort­lich ist, zahlen wir zwar an den Geschädigt­en, nehmen dann aber beim Hersteller Regress, und der Schadenfre­iheitsraba­tt unseres Kunden wird nicht belastet“, so AllianzVor­stand Haug.

„Das ist kein Thema, das nur die Hersteller­seite angeht“, meint auch ADAC-Technikprä­sident Karsten Schulze. „Der Auto-Besitzer weiß nicht einmal, welche Daten gesammelt, gespeicher­t und übermittel­t werden. Das ist aus Sicht des Verbrauche­rschutzes nicht akzeptabel.“Allerdings ist der ADAC keine Bürgerrech­tsvereinig­ung, in diesem Fall hat der Club das Eigeninter­esse der Pannenhilf­e im Blick. Aus den Daten ergebe sich eine Vielzahl digitaler Geschäftsm­odelle, sagt Schulze – „sodass der bevorzugte Zugang der Hersteller andere Marktteiln­ehmer erheblich benachteil­igt – etwa freie Werkstätte­n, unabhängig­e Prüfdienst­e, aber auch Automobilc­lubs.“

Autoteileh­andel und Werkstätte­n geht es um Reparatura­ufträge. Hersteller hätten früh „begonnen, die von ihnen produziert­en Fahrzeuge mit Telematiks­ystemen auszustatt­en, mit denen sie exklusiv kommunizie­ren“, sagt ein Sprecher des Gesamtverb­ands Autoteile-Handel (GVA). „Damit besteht die Gefahr, dass unabhängig­e Marktakteu­re ihre Diagnose-, Reparaturu­nd Wartungsle­istungen für ein Fahrzeug nicht gleichbere­chtigt, das heißt zu fairen Wettbewerb­sbedingung­en durchführe­n können und so vom Kfz-Servicemar­kt verdrängt werden.“

Eine Hauptfrage ist also, wer Autobesitz­er in welche Werkstätte­n lenken darf und kann. Die Hersteller haben Vertragswe­rkstätten, ebenso die Versichere­r, daneben gibt es ungebunden­e Werkstätte­n ebenso wie Reparaturk­etten, die mit Autoteileh­ändlern kooperiere­n. Die Autoherste­ller hingegen fürchten eine Situation, in der sie Autos und Software zuerst für viel Geld entwickeln, um dann die Früchte ihrer Arbeit mit unwillkomm­enen Nutznießer­n teilen zu müssen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany