Geschäfte mit falschen Identitäten
Wie Betrüger ahnungslose Kunden auf Ebay Kleinanzeigen um ihr Geld bringen
RAVENSBURG - Die Anzeige versprach ein gutes Geschäft. Ein nicht einmal vier Monate alter GPS-Radcomputer zum Preis von 350 Euro – ein Gerät, das neu knapp 300 Euro mehr kostet – angeboten auf dem Onlineportal Ebay Kleinanzeigen. Dirk Schuster (Name von der Redaktion geändert) nimmt Kontakt mit dem Verkäufer auf. Man wird sich schnell handelseinig. Der Verkäufer bittet um Überweisung des Betrags auf ein Bankkonto bei der Onlinebank N26. „Es wirkte alles vertrauenswürdig“, berichtet Schuster im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“, fordert zur Sicherheit dennoch die Originalrechnung und eine Kopie des Personalausweises an. Im Nachhinein stellt sich Erstere als Fälschung und Letztere als nicht zum Kontoinhaber passend heraus.
Er überweist das Geld, schickt einen Beleg über die Zahlung und wartet auf die Lieferung. Die aber kommt nicht. Versuche, den Verkäufer erneut zu kontaktieren, laufen ins Leere. Spätestens zu dem Zeitpunkt dämmert es ihm: Er ist einem Betrüger auf den Leim gegangen. „Mir war klar: Die 350 Euro sind erst mal weg. Weil ich überwiesen habe, habe ich keine Möglichkeit, das Geld zurückzuholen.“
Die Masche greift auf dem beliebten Anzeigenportal um sich. Es geht fast immer um hochwertige Waren mit knappem Angebot und hoher Nachfrage zu günstigen, aber nicht zu günstigen Preisen. Die Täter machen sich dabei die Leichtgläubigkeit der späteren Opfer, insbesondere bei der Verwendung vermeintlich sicherer deutscher Bankverbindungen, zunutze. Schlägt ein Kunde zu, bitten die Verkäufer um die Überweisung des Kaufbetrags auf ein Girokonto. Die angegebene IBAN existiert tatsächlich, der
Name des Kontoinhabers ist jedoch frei erfunden oder gestohlen. Nach dem Geldeingang wird der Betrag umgehend am Bankautomaten abgehoben, ins Ausland transferiert oder in nicht nachverfolgbare Kryptowährungen wie Bitcoins getauscht. Versendet wird die Ware nicht.
„Mangels echter Personendaten besteht für die Täter ein eher geringes Entdeckungsrisiko“, sagt Alexandra Vischer vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg. Vischer zufolge ist bei der Polizei im Südwesten in den vergangenen zwölf Monaten eine vierstellige Zahl solcher Taten angezeigt worden. Durch die Täter würden dabei ausschließlich Konten verwendet, die bei sogenannten Onlinebanken mittels des Videoident-Verfahren eröffnet werden können.
Sehr häufig fällt in dem Zusammenhang der Name N26. Die Onlinebank mit Sitz in Berlin bewirbt die Eröffnung eines Girokontos auf ihrer Homepage mit einer „Anmeldung in acht Minuten“. Schon nach ein paar persönlichen Angaben erfolgt dort die Identifizierung per VideoidentVerfahren. Dafür wird der Kunde aufgefordert, über die Handykamera Vorder- und Rückseite des Personalausweises zu zeigen – fertig. Das scheint auch dann zu funktionieren, wenn gefälschte oder geklaute Personalien zur Identifikation verwendet werden. Betrüger weisen sich dann mit den Identitäten anderer aus und erstellen so falsche Bankkonten.
Dass N26 ein Problem mit zu laxen Identifikationsverfahren hatte, ist unstrittig. Im Jahr 2019 rüffelte die Finanzaufsicht Bafin das Fintech in ungewöhnlich scharfer Form und forderte das Unternehmen per Anordnung auf, „eine vorgegebene Anzahl von Bestandskunden neu zu identifizieren“. Daraufhin, sagt Lars Müller, Pressesprecher von N26 auf Anfrage, habe man „die Abtei- lung für die Bekämpfung von Finanzkriminalität
verdoppelt und neue Prozesse in den Bereichen Transaktionsüberwachung, Betrugserkennung und Risikobewertung eingeführt“. Ganz aus der Welt scheint das Problem aber nicht zu sein.
Eine Variante, mit falschen Identitäten Konten für Betrügereien zu eröffnen, ist das sogenannte Job-Scamming. Und das geht so: Die Kriminellen schalten Stellenanzeigen, in denen sie Produkttester mit gültigem Reisepass oder Personalausweis und einem Smartphone suchen. Ihre Aufgabe ist es, das Videoident-Verfahren von Direktbanken wie N26, Fidor oder Bunq zu prüfen. Die Eröffnung des Kontos leiten die Täter bereits vorher auf den Namen der Bewerber ein, allerdings mit falschen Kontaktdaten. Wenn sich der Bewerber nun über das Videoident-Verfahren bei der Bank identifiziert, eröffnet die Bank ein Konto mit den von den Tätern zuvor übermittelten Angaben. Somit ist der Zugang zu diesem Konto für die Täter offen, und sie können es für Betrügereien nutzen. Der Betroffene erfährt in der Regel erst später von dem Betrug – dann, wenn sich geprellte Käufer beschweren und die Bank das Konto sperrt.
Bei der Abzocke mit falschen Identitäten nutzen die Betrüger zudem eine Schwachstelle im Zahlungsverkehr der Banken aus. Die Institute müssen bei Überweisungen keinen Abgleich machen, ob der Name des Empfängers tatsächlich zur angegebenen IBAN passt. Etliche Banken tun dies bei Beträgen ab 1000 Euro zwar freiwillig. Doch das wissen die Betrüger offensichtlich und bleiben bei ihren Fake-Verkäufen in der Regel unter diesem Betrag.
Diese Problematik wurde auch Dirk Schuster zum Verhängnis. Er vertraute auf die Seriosität des Verkäufers, hatte der ihm doch zuvor ein Foto des Personalausweises geschickt. Dass dieses Dokument jemand anderem gehörte, der von der Transaktion gar nichts wusste, konnte Schuster nicht ahnen. Experten fordern daher mehr Sorgfalt bei den Geldinstituten, um diese Art von Betrug einzudämmen.
Ebay Kleinanzeigen scheint dem Treiben einigermaßen machtlos gegenüberzustehen. Pierre du Bois, Pressesprecher der Onlineverkaufsplattform, betont zwar, dass das Unternehmen „ein System zur Erkennung gängiger Betrugsmuster“einsetzt, um betrügerische Angebote fernzuhalten. Doch bei gefälschten Identitäten kommen solche Systeme an ihre Grenzen. Darüber hinaus haben die Täter immer auch einen Zeitvorteil: Bis Ebay Kleinanzeigen auf Fake-Anzeigen aufmerksam gemacht wird oder selbst darauf aufmerksam wird, haben die Betrüger ihre Geschäfte sehr oft bereits abgeschlossen.
Du Bois erinnert die Nutzer von Ebay Kleinanzeigen deshalb noch einmal eindrücklich an Tipps zum sicheren Handel: Im Idealfall holt man die Ware ab und zahlt bar. Vorsicht bei verschickten Ausweisdokumenten, die Glaubwürdigkeit vortäuschen. Niemals die eigenen Personalien schicken – damit verliert man die Handhabe über die versendeten Aufnahmen. Vorkassezahlungen mittels Paypal und der Funktion „Geld an Freunde und Familie senden“oder ganz klassisch per Überweisung vermeiden. In den Fällen, in denen eine persönliche Übergabe nicht infrage kommt, auf sichere Bezahlmethoden ausweichen wie Paypal „Waren und Dienstleistungen“oder Ebay „Sicher bezahlen“, bei denen ein Treuhänder zwischengeschaltet ist.
Und ganz grundsätzlich gilt: Angebote, die zu gut erscheinen, um wahr zu sein, sind dies meist auch und sollten über die Funktion „Anzeige melden“gemeldet werden.