Virtuell und doch persönlich
Immer mehr Gemeinden schaffen Möglichkeit für digitale Gemeinderatssitzungen
SÜDLICHER LANDKREIS - Von Angesicht zu Angesicht – aber doch mit genügend Abstand: Seit Beginn der Pandemie werden Besprechungen und Konferenzen vielerorts ins Internet verlagert und finden in digitaler Form statt. Das ist nicht nur in der freien Wirtschaft oder im privaten Umfeld der Fall. Auch mehr und mehr Gemeinden ziehen es in Erwägung, Gemeinderatssitzungen per Videokonferenz abzuhalten. Eine Kommune im Landkreis ist diesbezüglich ein echter Vorreiter.
Es ist der 6. April vergangenen Jahres. Es herrscht Kontaktverbot. Um aber unter anderem wichtige Arbeiten für laufende Projekte vergeben zu können, tagt der Gemeinderat Emmingen-Liptingen an diesem Abend virtuell. Knapp ein Jahr später sind viele weitere virtuelle Sitzungen gefolgt. Und zwischenzeitlich wollen auch andere Kommunen diesem Beispiel folgen und ändern nach und nach ihre Hauptsatzungen. Beispiele dafür sind Neuhausen ob Eck, Mühlheim, Rietheim-Weilheim oder Seitingen-Oberflacht. Möglich macht das ein Beschluss des Landtags vom 7.
Mai 2020. Das Ziel: Kommunen sollen ihre Arbeitsfähigkeit während der Pandemie aufrecht erhalten können.
Fragt man Bürgermeister Joachim Löffler, so fällt sein Fazit zu den Videositzungen positiv aus. „Die Diskussionskultur ist hervorragend“, stellt er fest. „Natürlich war es für manche Ratsmitglieder zu Anfang etwas ungewohnt, das hat sich aber sehr schnell gelegt“, erinnert er sich. „Man weiß, dass man nur mit geöffnetem Mikro reden kann und lässt die Redner auch ausreden. Zudem war es zeitökonomisch, weil der eine oder andere unnötige Redebeitrag entfällt.“Verbesserungsbedarf sehe er in geringem Maße bei der Handhabung, sagt er auf Nachfrage – sprich, was das Ein- und Ausschalten des Mikrofons bei Wortmeldungen angeht oder auch Abstimmungen.
Voraussetzung für einen reibungslosen Ablauf sei aber, dass überall leistungsfähiges Internet zur Verfügung
stehe, schildert Löffler. Einen weiteren wichtigen Aspekt für das Gelingen sieht er beim Gremium selbst. „Ich möchte betonen, dass die Räte bei uns von Anfang an sehr hinter den Videokonferenzen gestanden haben. Positiv wurde das dann auch dadurch beeinflusst, dass wir ein Ratsinformationssystem im Einsatz haben und die Räte mit Ipads ausgestattet haben“, erklärt Emmingen-Liptingens Bürgermeister.
Die Form der virtuellen Sitzung könne er auf jeden Fall empfehlen. „Wir dürfen zwar laut Corona-Verordnung die Sitzungen in Präsenz abhalten, aber stehen natürlich auch unter besonderer Beobachtung“, sagt er. Für einfache Sachverhalte, die voraussichtlich ohnehin einstimmig beschlossen würden, sei auch keine Präsenzsitzung nötig, so Löffler weiter.
Eine kleine Schwierigkeit gebe es aber: „Ein Problem ist die Herstellung der Öffentlichkeit.“Denn einen Zugang zu den Videositzungen selbst bekommt nicht jeder. Die Sitzung via Livestream
im Internet zu übertragen ist vielerorts nicht gewünscht. In Emmingen-Liptingen beispielsweise wollte man vermeiden, dass Teile der Sitzungen unbemerkt aufgezeichnet und im Nachhinein sinnentleert zusammengeschnitten werden. „Wir übertragen die Sitzung an die Leinwand im Sitzungssaal. Dort können wir aber nur maximal acht oder zehn Besucher zulassen. Und wenn bei einem Thema mehr Zuhörer kommen wollen, gilt es dann zu überlegen, doch eine Präsenzsitzung abzuhalten“, schildert Löffler. Ein Beispiel dafür ist die jüngste Sitzung, bei der unter anderem ein Vorhaben der Firma Heiss auf der Tagesordnung stand, das bei den Bürgern auf großes Interesse stieß. Die Folge: Die Sitzung fand in der Witthohhalle statt.
An seine Bürgermeisterkollegen, die künftig auch das ein oder andere mal virtuell tagen wollen, hat Löffler einen Tipp: In der ersten Sitzung erst einmal keine schwierigen Themen beraten. „Einfach, um Übung zu bekommen.“
„Die Diskussionskultur ist hervorragend“,
sagt Emmingen-Liptingens Bürgermeister.