Mit kühlem Kopf gegen das Brennen in der Kehle
Sodbrennen lässt sich oft auch ohne Medikamente behandeln – Laut einer Studie führt eine Umstellung des Lebensstils ebenso zum Erfolg
Es brennt, verschnürt die Kehle, verführt zum Räuspern und Rülpsen: Etwa jeder fünfte Erwachsene hierzulande leidet immer wieder an Sodbrennen, auch Reflux genannt. Knapp eine Million Bundesbürger schluckt täglich oder fast täglich ein Medikament dagegen. Eine Studie aus den USA kommt nun jedoch zu dem Schluss, dass eine Veränderung des Lebensstils genauso wirksam sein könnte.
Ein Forscherteam der Harvard Medical School in Boston erfasste zehn Jahre lang den Lebensstil und die Ernährung sowie die Krankheiten von 43 000 Frauen im Alter von durchschnittlich 52 Jahren. Es zeigte sich, dass sich ihr Risiko für Refluxbeschwerden halbierte, wenn die folgenden fünf Punkte auf sie zutrafen: Normalgewicht, Nichtraucher, mindestens 30 Minuten Bewegung pro Tag, weniger als zwei Einheiten koffeinhaltiger Getränke oder Limonade sowie eine ausgewogene Ernährung
mit wenig Zucker und rotem Fleisch. „Dieser Befund unterstützt die Bedeutung von Lebensstilveränderungen bei der Reflux-Therapie“, resümiert Studienleiter Andrew Chan.
Der größte positive Einflussfaktor sei, wie der Gastroenterologe weiter ausführt, das Normalgewicht, also ein BMI zwischen 18,5 und 25,0: „Er allein reduziert das Risiko für Refluxbeschwerden um 31 Prozent.“Der Grund: Überschüssige Fettdepots können so auf den Magen drücken, dass es dort zum Rückstau kommt. Fettreiche Lebensmittel provozieren hingegen Reflux, indem sie die Passage der Nahrung durch den Verdauungstrakt verzögern, während große Mengen an Koffein und Zucker den Sphinkter, also den Schließmuskel in der unteren Speiseröhre entspannen, der eigentlich für eine Rückflusssperre sorgen sollte.
Ähnliches vermutet man auch unter dem Einfluss von Nikotin. „Doch in unserer Studie senkte Zigarettenverzicht das Reflux-Risiko gerade mal um sechs Prozent“, betont Chan. Man sollte also zusätzlich mindestens noch einen weiteren LifestyleFaktor ändern.
Nichtsdestoweniger belegen die Ergebnisse der Harvard-Studie, dass man Refluxbeschwerden in vielen – wenn auch nicht allen – Fällen ohne Medikamente in den Griff bekommen kann. Tatsächlich werden sie jedoch in den USA und auch hierzulande sehr oft pharmazeutisch, vor allem mit den sogenannten Protonenpumpenhemmern behandelt. Sie sollen den Protonen-Nachschub im Magen kappen, den das Verdauungsorgan zur Produktion seiner Säuren braucht.
Das klingt als Wirkmechanismus ebenso zwingend wie zuverlässig – und hat die Protonenpumpenblocker hinter den Statinen weltweit an die Nr. 2 aller verordneten Medikamente katapultiert. Vier Millionen Tagesdosen von ihnen werden jährlich allein in Deutschland geschluckt. Dabei haben sie mit der Säureproduktion nur einen Teilaspekt des Sodbrennens im Visier. Andere Faktoren –
Nach dem Essen kommt der Schmerz: Reichhaltige Mahlzeiten und Alkohol gelten als typische Auslöser von Sodbrennen.
wie eben die Schwächung des Sphinkters und der mechanische Druck, den Übergewicht auf den Magen ausübt – kommen hingegen zu kurz.
Ganz zu schweigen davon, dass Protonenpumpenblocker nicht ohne Risiko sind. So bergen sie die Gefahr, den Säurepegel auf ein Niveau abzusenken, das nicht mehr ausreicht, um schädliche Bakterien auszuschalten. Mit der Folge, dass, wie Christian Trautwein von der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten betont, „Erreger in den
Darm eintreten können, die normalerweise abgetötet worden wären“.
Zudem beeinträchtigen die Magensäurehemmer die Verdauung von Calcium und Vitamin B12, was sich auf die Knochendichte niederschlagen und dementsprechend das Risiko von Knochenbrüchen erhöhen kann. Und hier kommt dann oft noch ein verschärfender Faktor hinzu. Denn viele Frauen bekommen in den Wechseljahren Bisphosphonate verordnet, zur Behandlung ihrer Osteoporose. Doch diese Medikamente sorgen, wie eine chinesische Studie ermittelt hat, für einen deutlich schwächeren Knochenschutz, wenn parallel zu ihnen ein Protonenpumpenhemmer zum Einsatz kommt. Er sollte daher, wie Studienleiter von der Hebei Medical University in Shijiazhuang betont, in solchen Fällen „nur vorsichtig und keinesfalls routinemäßig zum Einsatz kommen“.
Derartige Einschränkungen gibt es bei Lifestyle-Änderungen nicht. Im Gegenteil. Ihre Nebenwirkungen sind sogar als positiv einzuschätzen: Wer Übergewicht abbaut, mit dem Rauchen aufhört und sich zu täglicher Bewegung aufrafft, darf nicht nur mit kräftigeren Knochen, sondern auch mit zusätzlichen Lebensjahren rechnen.
Die New Yorker HNO-Ärztin Jamie Koufman setzte früher auf die
Säureblocker, „einfach so, weil es eben so üblich war“. Doch mit deren therapeutischen Effekten war sie unzufrieden, weswegen sie vor einigen Jahren dazu überging, ihre RefluxPatienten auf eine Diät zu setzen, die weitgehend den Empfehlungen der Harvard-Studie entspricht. Wobei für Koufman nicht nur zählt, gegessen wird, sondern auch, das geschieht: „Vermutlich würde es einen enormen Beitrag zur öffentlichen Gesundheit leisten, wenn alle Küchen am späten Abend geschlossen wären.“
Denn wer spätabends noch isst, gibt dem Mageninhalt nicht genügend Zeit, um mit der Schwerkraft nach unten zu sacken, bevor es in die Waagrechte des Schlafens geht. Koufman empfiehlt daher, die letzte Mahlzeit auf jeden Fall vor 19 Uhr einzunehmen.
Als größten Mitverursacher des Sodbrennens sieht sie jedoch den Softdrink-Konsum: „Er hat dafür gesorgt, dass immer öfter auch junge Menschen unter Reflux leiden.“Denn Softdrinks enthalten in der Regel nicht nur viel Zucker, der den Sphinkter lähmt, sondern auch Kohlensäure, die für eine zusätzliche Säurelast im Magen sorgt. Der Verzicht auf süße Limonaden könnte also bereits ein wichtiger Schritt zu einem refluxfreien Leben sein.