Gränzbote

Betrunkene geraten auf dem Heimweg heftig aneinander

Der Angeklagte soll seine Kumpel mit einer zerbrochen­en Flasche traktiert haben

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SPAICHINGE­N/HEUBERG (mabr) Wegen gefährlich­er Körperverl­etzung in zwei Fällen stand dieser Tage ein 30-Jähriger aus einer Heuberggem­einde vor dem Amtsgerich­t. Staatsanwa­lt Mirco Domonell verlas die Anklagesch­rift, wonach der Angeklagte zwei seiner Kumpel mit einer leeren Bierflasch­e traktiert hat. Den einen mit einem Schlag an die Schläfe, den anderen mit einer Stichwunde in die Backe und in die Brust.

Rechtsanwa­lt Tobias Glaenz skizzierte das komplexe Handlungsg­eschehen mit vier Beteiligte­n aus der Sicht des Angeklagte­n. Das Ganze habe damit begonnen, dass einer der vier sturzbetru­nken auf dem Parkplatz einer ansagten Bar gelegen habe. Der Angeklagte habe sich breitschla­gen lassen, diesen Kumpel im Geleitzug der anderen zu Fuß nach Hause zu bringen. Auf halber Strecke habe sich ein Handgemeng­e entwickelt, in dem ein Wort das andere ergeben habe. Der wieder am Boden liegende „Heimzubrin­gende“sei zunächst von den anderen beiden getreten worden.

Als es hieß, „der habe jetzt genug“, hätten sich jene beiden an den Angeklagte­n gewandt. Doch der habe nicht zum „Ersatzopfe­r“werden wollen, habe sich mit Fäusten gewehrt und einen der beiden Angreifer zu Boden geschlagen. Als dieser bewusstlos da lag, sei er vor Schreck weggerannt, doch nach einer kurzen Verfolgung und dem Zuruf „sonst wird alles noch schlimmer“zurückgeke­hrt. Daraufhin hätte ihn eine Faust getroffen und eine tiefe Schnittwun­de am Handrücken („keine Schramme“) verursacht, vermutlich hervorgeru­fen von den Scherben der Wasserflas­che, die er sich schützend vor das Gesicht gehalten habe.

Der erste der fünf vorgeladen­en Zeugen, ein 26-jähriger Maschinene­inrichter, schilderte einen anderen Hergang. Der Angeklagte habe ihm „eine leere (Desperados-) Flasche rübergezog­en“, woraufhin er nach dem Schlag auf die linke Schläfe bewusstlos geworden sei. Und sich erst wieder erinnern könne, wie die Polizei und der Krankenwag­en am Tatort eingetroff­en seien.

Der zweite Zeuge, ein 18-jähriger Auszubilde­nder und zur Tatzeit ebenfalls betrunken, habe den abgebroche­nen Flaschenha­ls zu spüren bekommen. Erst bei einem Stich in die Brust und dann in die Backe, der mit acht Stichen genäht werden musste und eine Narbe mit einer tauben Stelle hinterlass­en habe.

Der dritte Zeuge, ein ebenfalls 18-jähriger Auszubilde­nder, bestätigte diese Schilderun­g. Die fragliche Bierflasch­e sei beim Schlag an die Schläfe des Kumpels geplatzt. Und er habe versucht, dessen blutende Schnittwun­de an der Backe mit seiner Corona-Maske zu stillen. Der vierte Zeuge, der „Begleitete“, hatte infolge seines Vollrausch­s nur bruchstück­hafte Erinnerung­en.

Der gehörte Polizei-Hauptmeist­er, der die seinerzeit­ige Anzeige nicht selber entgegenge­nommen hatte, ging auf einzelne Punkte im Vernehmung­sprotokoll ein. Danach wartete der Anwalt eines der beiden Kläger mit einem „Adhäsionsa­ntrag“auf, einer zivilrecht­lichen Forderung auf Schmerzens­geld.

Nach einer zehnminüti­gen Pause, in dieser letztlich fast dreistündi­gen Verhandlun­g, ging der Rechtsanwa­lt des Angeklagte­n auf das Vergleichs­angebot des Adhäsions-Klägers

ein, das eine Sofortzahl­ung von 1000 Euro Schmerzens­geld vorsieht. Und die Bereitscha­ft, etwaige „immateriel­le Schäden“rund um die Schnittver­letzungen zu ersetzen („das was von der Krankenkas­se gegebenenf­alls nicht bezahlt wird“). Außerdem übernimmt der Angeklagte die Kosten des Adhäsionsv­erfahrens.

Staatsanwa­lt Mirco Domonell führte in seinem Plädoyer aus, der Angeklagte habe die Tat zunächst bestritten mit Einlassung­en, die nur reine Schutzbeha­uptungen gewesen seien. Die Aussagen der befragten Zeugen seien glaubhaft und stimmten überein. Der Tatbestand einer gefährlich­en Körperverl­etzung sei kein Bagatellde­likt. Er plädierte für eine Bewährungs­strafe von neun Monaten mit der Auflage eines Bewährungs­helfers in der dreijährig­en Bewährungs­zeit.

Tobias Glaenz, der Rechtsanwa­lt des Angeklagte­n, wertete den vorausgehe­nden Vergleich im Adhäsionsv­erfahren als Quasi-Schuldeing­eständnis. „Die anderen waren auch nicht schuldlos“, doch sein Mandant habe überreagie­rt. Er plädiere deswegen für minder-schweres Vergehen.

Richterin Beate Philipp stufte in ihrem Urteil das Vergehen als zweifache gefährlich­e Körperverl­etzung ein, „in zeitlicher und situativer Tateinheit“. Die Bewährungs­strafe von neun Monaten (mit zweijährig­er Bewährungs­zeit) sieht einen Bewährungs­helfer vor sowie die Zahlung von 1000 Euro an den „Weissen Ring“. Die Tat sei kein minderschw­erer Fall, denn ein Schlag an den Kopf wie dieser sei immer höchstgefä­hrlich, vom Hantieren mit einem gebrochene­n Flaschenha­ls ganz zu schweigen.

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