Gewerbesteuern brechen nicht ein, sinken aber
Verarbeitendes Gewerbe der Gemeinden kommt überwiegend gut durch die Pandemie
SPAICHINGEN/PRIMTAL/HEUBERG - Erstaunlich gut scheinen große Teile der heimischen Wirtschaft die Krise derzeit zu bewältigen. Das zumindest legt eine Umfrage bei den Bürgermeistern der 16 Gemeinden im Bereich des Heuberger Boten nahe. Antworten kamen von zwölf Bürgermeistern. Das Bild ist aber sehr unterschiedlich: Während alle Bürgermeister übereinstimmend sagen, dass Handel und Gastronomie am meisten leiden, gibt es Industriebetriebe, die im Drei-Schicht- und Wochenendbetrieb arbeiten, sogar in der Automobilbranche.
Objektive Daten zur Wirtschaftslage zu bekommen, ist schwierig. Häufig geht es in Diskussionen um Stimmungen. Direkt Betroffene haben sich auf unseren Aufruf in Facebook nicht gemeldet. Die Insolvenzstatistik verzeichnet ebenfalls keinerlei Auffälligkeiten. Dies kann jedoch mit der noch einmal auf Ende April verschobenen Aussetzung der Anzeigepflicht für coronabedingte Insolvenzen zusammenhängen. Dafür gibt es aber klare Bedingungen.
Objektiv messbar sind die Gewerbesteuereinnahmen der Gemeinden. Auch hier ist das Bild nicht einheitlich. In 2020 hat etwa Denkingen sogar mehr an Gewerbesteuer eingenommen (2,16 Millionen Euro, darin allerdings Nachzahlungen), als ursprünglich geplant (1,8 Millionen) und ist auch 2021 mit der selben Planungssumme wie 2020 ins Jahr gegangen. Die Gemeinde rechne aber 2022 mit einem starken Rückgang, so Bürgermeister Rudolf Wuhrer. Von rund 20 Prozent weniger Gewerbesteuern in diesem Jahr gehen Deilingen und Spaichingen aus.
Mahlstetten hat einen starken Einbruch der Gewerbesteuer um 50 Prozent zu verkraften, allerdings bereits auf niedrigerem Niveau. Keiner der Bürgermeister berichtet von befürchteten Insolvenzen seiner Betriebe, beziehungsweise sagen, dass ihnen nichts bekannt sei.
Hier das Bild der einzelnen Gemeinden:
Aldingen: Bürgermeister Ralf Fahrländer berichtet von einem sehr uneinheitlichen Bild im Bereich der Industrie. Bei manchen Betrieben wird rund um die Uhr gearbeitet. Bei den Einzelhändlern „herrschen teilweise schon große Sorgen, insgesamt würde ich die Lage derzeit noch als stabil bezeichnen“, so Fahrländer. Alle weiteren Prognosen seien vom weiteren Verlauf der Pandemie abhängig.
Balgheim: Auch in Balgheim laufe
ANZEIGEN es bei einigen Unternehmen weiter sehr gut, es seien auch Investitionen geplant, auch Kurzarbeit halte sich in der Gemeinde sehr in Grenzen, sagt Bürgermeister Nathanael Schwarz. Trotz einiger reduzierter Gewerbesteuervorauszahlungen seien diese relativ konstant, so Schwarz. Bezüglich der Stimmung unter den Unternehmen habe er wahrgenommen, dass die verzögerte Auszahlung der Hilfen ein Ärgernis sei. „Planbarkeit sieht anders aus, aber gerade das wäre zur Zeit wichtig.“Insgesamt sei sein Eindruck recht positiv, so Schwarz, aber das könne auch täuschen.
Böttingen: Bürgermeister Benedikt Buggle fühlt sich „nicht befugt, die Lage der Unternehmen zu interpretieren oder sogar zu veröffentlichen“. Die Gewerbesteuer bewege sich auf dem kalkulierten niedrigen Niveau, eine Verbesserung der Lage sei derzeit nicht erkennbar. Allgemein
sei die Stimmung derzeit getrübt. „Die Bevölkerung sehnt sich sehr nach Lockerungen“, die durch steigende Infektionszahlen vermehrt im städtischen Bereich verhindert würden. Buggle übt auch Kritik am Krisenmanagement des Sozialministeriums.
Denkingen: Dasselbe unterschiedliche Bild, aber in Summe: „Die meisten Betriebe sind bisher ganz gut durch die Krise gekommen“, so Bürgermeister Rudolf Wuhrer. Wie oben berichtet, rechnet er erst in 2022 mit einem Einbruch der Gewerbesteuer. Bemerkenswert ist, dass derzeit vor allem die Automobilzulieferer in Denkingen boomen. Während die Stimmung im verarbeitenden Gewerbe gut sei, sei sie in der Gastronomie und im Handel schlecht, so Wuhrer. Momentan aber seien keine Schließungen erkennbar.
Deilingen: Die Firmen meisterten die Krise unterschiedlich, das gelte auch für die Kurzarbeit, die es in der Gemeinde noch gebe, so Bürgermeister Albin Ragg. Wie oben berichtet, betrage das Gewerbesteueraufkommen in diesem Jahr im Vergleich zu den vergangenen Jahren nur 80 Prozent. Dies wirke sich massiv auf die Leistungsfähigkeit der Gemeinde aus. „Nicht mehr alle Wünsche sind finanzierbar“, so Ragg. Der Einzelhandel und die Gastronomie litten sehr. Dass die Hilfen in der Krise aus dem Staatssäckel die Schulden und Steuern der Bürger von morgen seien, mache ihm Sorgen und werde zu wenig diskutiert, so Ragg. Der Lockdown habe massive Auswirkungen auf die Zukunftschancen der jungen Generation.
Dürbheim: Das Gewerbesteueraufkommen liege in normalen Jahren zwischen 500 000 und 650 000 Euro, in Spitzenjahren bis knapp über 800 000 Euro. 2019 habe es bei 629 800 gelegen und sei 2020 auf 475 500 gefallen. Derzeit liege es bei erwarteten 417 000 Euro, so Bürgermeister Andreas Häse. Der Haushaltsansatz betrage 450 000 Euro und ist somit um rund 325 000 Euro unter den erwarteten Einnahmen. Dass ein Dürbheimer Unternehmen unmittelbar von Insolvenz bedroht sei, sei ihm nicht bekannt. Die Lage der Unternehmen sei sehr unterschiedlich, es gebe durchaus Betriebe, die an der Kapazitätsgrenze arbeiteten. Umwelttechnik boome zur Zeit. In Dürbheim gebe es nur drei Betriebe, die dem Einzelhandel zugerechnet würden, und denen gehe es gut.
Egesheim und Reichenbach: Aktuell
sei ihm keine Firma mit Kurzarbeit bekannt, so Bürgermeister Hans Marquart. Die Gewerbesteuer sei vorsichtig eingeplant worden und dürfte auch erreicht werden., meint er. Auch die Auftragslage dürfe als befriedigend eingestuft werden, so Marquart. Die Erwartungen seien aber gemäß der Situation „etwas gedämpft“.
Hausen ob Verena: „Am stärksten hat es die beiden gastronomischen Betriebe getroffen, die sich aber beide hoffentlich wieder erholen werden, sobald sie wieder öffnen können“, so Bürgermeister Jochen Arno. Bei den Gewerbesteuern gebe es aktuell keine größeren Einbrüche. Arbeit sei bei Handwerk und Gewerbe vorhanden. Was die Stimmung drücke, sei, dass der Austausch und die Zusammenkünfte fehlten. „Vor allem die Vereine tun sich mit der Situation schwer.“
Mahlstetten: Auch hier treffen die pandemiebedingten Einschränkungen vor allem die beiden gastronomischen Betriebe, schildert Bürgermeister Helmut Götz. Die Gewerbesteuer sei um 50 Prozent – auf dem ohnehin niedrigen Niveau eingebrochen.
Spaichingen: Derzeit weiche die Gewerbesteuer nicht vom – mit rund 20 Prozent vorsichtiger - kalkulierten Rahmen ab, sagt Bürgermeister Markus Hugger. Allerdings gebe es haushaltstechnisch große Unwägbarkeiten. Einzelhandel und Gastronomie vermissten – so wie er auch – die Plausibilität der Regelungen: Warum Menschen nach Mallorca fliegen, aber die einheimischen Betriebe keine Gäste aufnehmen dürften, sei nicht nachzuvollziehen.
Wehingen: Wenn man die Umsätze betrachte, „sollte es einen Rückgang bei der Gewerbesteuer geben, welcher meiner Einschätzung nach aber nicht so hoch ausfallen sollte“, so Bürgermeister Gerhard Reichegger. Valide Zahlen dürfte es aber erst 2022 geben, denn manche Betriebe hätten die Vorauszahlungen gestoppt und man kalkuliere dann erst nach der Abrechnung. Die Einzelhändler seien hart getroffen und die Hilfen kämen nicht überall an, weil nicht immer die Voraussetzungen erfüllt seien. Er hoffe, dass die Infektionszahlen nicht weiter anstiegen, so Reichegger.
Die Bürgermeister von Bubsheim, Gosheim, Frittlingen und Königsheim haben noch nicht geantwortet. Wenn die Antworten eintreffen, werden wir berichten.