Schweinezucht hilft Egesheimer Mühle
Im zweiten Teil der Mühlenserie erzählt Reinhold Schätzle von seinen Vorfahren
EGESHEIM - Die Egesheimer Mühle ist seit Jahrhunderten im Ort verankert, 1927 kam sie in den Besitz der Familie Schätzle. Im zweiten Teil der Mühlenserie berichtet Müllermeister Reinhold Schätzle von seinen Eltern und Großeltern.
Hubert Schätzle, der Vater von Müllermeister Reinhold Schätzle, hatte mit der Heirat von Mina Scheerle großes Glück in zweierlei Hinsicht. Mina war ihm Zeit seines Lebens eine große Stütze und sie brachte mit der Egesheimer Mühle eine Aussteuer mit, die ihrem Mann eine Lebensaufgabe bot, ihn aber gleichzeitig vor große Herausforderungen stellte. Hubert war kurz zuvor aus französischer Gefangenschaft heimgekehrt und voller Tatendrang. Auf das Wissen seines Schwiegervaters konnte Hubert nicht mehr lange zurückgreifen, weil dieser allzu früh aus dem Leben scheiden musste. „Die Mühle über die Runden bringen“machte sich Hubert Schätzle daraufhin zum Motto.
Sohn Reinhold, der 1958 auf die Welt kam, attestiert seinen Eltern in seinen persönlichen Aufzeichnungen, dass sie diese Herausforderungen mit Bravour gemeistert hätten. Hubert Schätzle hatte seinen Traumberuf in der Stadtmühle Tuttlingen erlernt und Erfahrungen in den Wanderjahren als Geselle machen können.
Als 16-Jähriger wurde er zu den Pionieren eingezogen und musste, wie Reinhold Schätzle erzählt, die schönsten Jugendjahre für einen sinnlosen Krieg opfern. Obwohl er nach Kriegsende in französische Gefangenschaft geriet, konnte er sich dank guter und freundlicher Betreuung durch die Franzosen wertvolle landwirtschaftliche Kenntnisse aneignen,
TRAUERANZEIGEN die ihm nach seiner Heimkehr zugutekamen. Hubert Schätzle lernte in der Gefangenschaft den Umgang mit Pferden und wurde dort zu einem „ausgezeichneten RossFuhrmann“ausgebildet. Ausgestattet mit diesem Rüstzeug der Lehrund Kriegsjahre, aber auch mit dem soliden familiären Unterbau seiner Deilinger Großfamilie konnte das Mühlenabenteuer beginnen. Nur eines, so vermerkt es Reinhold Schätzle, hatte der Vater immer bedauert: Sie waren keine Rossbauern, sondern bewirtschafteten ihre Felder immer nur mit Ochsenfuhrwerken. Profitiert haben sie diesbezüglich vor allen Dingen von der Erfahrung vom Deilinger Farrenwärter, Franz Schätzle.
Über die Großherzigkeit seiner
Großeltern, Klara und Reinhold Scheerle, lässt sich Reinhold Schätzle auch heute noch bewundernd aus und konstatiert: „Beide halfen vielen Familien, die Hungerjahre besser zu überstehen, weil Klara durch eine Erbschaft das Bauerngut „Kilpen Andres“, deshalb zugesprochen bekam, weil ihre Geschwister teils durch Krankheit, teils durch den ersten Weltkrieg ums Leben kamen.“
Neben dem Betrieb der Mühle konzentrierte sich Hubert Schätzle auf den Bau eines Eigenheimes, an einem Ort, der nach Ansicht vieler Egesheimer, wegen der Überflutungsgefahr durch die Bära völlig ungeeignet war. Er ließ sich aber dadurch nicht beirren und setzte seinen Kopf durch, was sich im Nachhinein als richtig erwies.
Die notwendigen Investitionen in die Mühle erforderten erhebliche Mittel, so dass Hubert Schätzle Bedenken kamen, ob er sich finanziell nicht übernommen habe. Um den Kopf aus der finanziellen Schlinge zu ziehen, baute Hubert Schätzle eine Schweinezucht auf, mit deren Einnahmen
er die Schulden zu kompensieren versuchte. Schon nach sieben Monaten konnte Schätzle die ersten Mastschweine an die Metzger verkaufen. Die Erweiterungsgedanken Schätzles wurden jedoch durch seine Frau ausgebremst. Weitere Einnahmequellen generierte Hubert Schätzle durch Winterdienste im Ort, das Einfahren der Heuernte für den Farrenstall und HolzrückerDienste.
Reinhold Schätzle beschreibt weiter, wie er seine Schulzeit von der Grundschule bis zur Mittleren Reife an der Realschule absolvierte und in diesem Zusammenhang auch auf Lehrer Wolfgang Reschke traf, der später sein Schwager werden sollte. Reschke war es auch, der ihm den Rücken stärkte und ihn zu mehr Leistungsbereitschaft ermunterte.
Immer wieder gerne blickt Reinhold Schätzle auf seine Großeltern zurück. Voller Bewunderung beschreibt er Reinhold Scheerles unternehmerischen Mut, die Mahl und Sägemühle den Erfordernissen der Zeit anzupassen, sie zu elektrifizieren. Reinhold Schätzle: „Er muss wohl in einer Glanzzeit für Müller gelebt und die Gelegenheit erkannt haben.“Im Jahre 1890 gelang es das Triebwerk von sechs oberschlächtigen, schmalen Wasserrädern umzubauen, so dass nur noch zwei gebraucht wurden: Eines für die Säge und eines für die Mühle (siehe Plan). Das stattliche Bauernhaus zeugt heute noch von dieser prosperierenden Zeit der Mühle.