Bund hält Urlaub für „nicht verantwortbar“
Warnung zum Start der Osterferien – Länder bei Notbremse und Lockdown uneins
PALMA/BERLIN/STUTTGART (dpa) - Der Streit um einen verschärften Lockdown wird angesichts der steigenden Infektionszahlen schärfer, die Bundesländer sind bei der Notbremse uneins. Intensivmediziner warnen derweil vor begrenzten Kapazitäten an Intensivbetten für Corona-Infizierte. Und die Bundesregierung warnt eindringlich davor, in den Osterurlaub zu reisen. Dies sei angesichts der momentanen Entwicklung, „schlicht nicht verantwortbar“, sagte Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) am Sonntag. Er ließ zudem weiter offen, ob es zu einem Reiseverbot kommen wird.
Doch während im Südwesten die Osterferien erst Mitte der Woche starten, hat die Reisetätigkeit in anderen Bundesländern Fahrt aufgenommen. Allein am Wochenende sind Tausende Urlauber nach Mallorca geflogen. Am Samstag kamen 60 Flugzeuge aus Deutschland in Palma an, weitere gut 70 am Sonntag. Die Autobahnen in Deutschland blieben dagegen ziemlich leer, wie der ADAC mitteilte. Anders als auf Mallorca sind hierzulande Hotels, Ferienwohnungen
und Campingplätze für Touristen geschlossen.
Die Bundesregierung rät seit Monaten von Urlaubsreisen im In- und ins Ausland ab. Trotzdem strich sie am 14. März Mallorca von der Liste der Risikogebiete, nachdem die Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner dort unter den Grenzwert von 50 gesunken war. Dies hatte für viel Unverständnis gesorgt. Thomas Bareiß, Tourismusbeauftragter der Bundes, sprach sich nun erneut für Lockerungen aus: „Warum kann man nach Mallorca fliegen und Urlaub machen und auf Sylt hat alles zu, obwohl da vielleicht ein ähnlich niedriges Risiko besteht?“, sagte der Sigmaringer CDU-Politiker der „Zeit“. Dies könne niemand nachvollziehen.
Zugleich mehren sich die Rufe nach einem härteren Lockdown. Bayerns Regierungschef Markus Söder forderte „die konsequente Umsetzung der Notbremse“. Er sprach sich aber im Gegensatz zu seinem baden-württembergischen Amtskollegen Winfried Kretschmann (Grüne) gegen erneute Bund-Länder-Beratungen aus.
BERLIN - Die Umfragewerte für die Union sind dramatisch gesunken. CDU/CSU pendeln derzeit zwischen 25 und 28
Prozent. Je nach Meinungsforschungsinstitut sind dies bis zu elf Prozentpunkte weniger als noch vor sieben Wochen. Im Interview mit Guido Bohsem zeigt Thorsten Faas (Foto: Bernd Wannenmacher), Politologe der Freien Universität Berlin, die Zusammenhänge auf.
Die Umfragen beschreiben einen Absturz der CDU. Woran liegt das?
Hier kommt vieles zusammen, gerade für die Union: Manche werden sich von der Union abkehren, weil sie primär eh immer mehr Kanzlerin Angela Merkel als die Union unterstützt haben, andere werden das Vertrauen in die Integrität der Partei und ihrer Politiker verlieren, andere mit ihrem Management der Pandemie unzufrieden sein. Es gibt einfach keine guten Nachrichten zur Union gerade, das schlägt in voller Härte zu in Umfragen und erzeugt Momentum.
Ein Spitzenpolitiker der Union sprach neulich vom perfekten Sturm: MPK-Chaos, Maskenraffkes, inhaltliche Orientierungslosigkeit und offene Kanzlerfrage ...
Es bröselt auf allen Ebenen: Programmatische Akzente gibt es wenige bis keine seitens der Union, das Personaltableau setzt dem wenig entgegen, beim Vertrauen in die Regierungsund Managementfähigkeiten gilt derzeit Ähnliches. „Sie kennen mich (und uns)“trägt einfach gerade nicht. Und bei alledem darf man nicht vergessen – die Werte, die wir gerade sehen, sind das Niveau der Union vor der Pandemie. Es ist also auch eine Rückkehr in die Vorpandemie-Zeit, auch wenn man sich gerade kaum an die erinnern mag.
Kann man aus den Umfragen schon etwas für den September ablesen oder wird sich durch die schnellen Veränderungen der Corona-Lage noch einiges tun?
Man kann ablesen, dass nichts selbstverständlich ist. Die Verschiebungen, die wir jüngst erleben, verbieten jedwede definitive Aussage. Und die sind ja kein Einzelfall – man denke an die Grünen rund um die Europawahl 2019, die SPD rund um Martin Schulz. Vieles ist in diesen Tagen möglich, auch kurzfristig.
Lange Zeit hat kaum jemand auf Olaf Scholz gehört, der seiner SPD eine gute Regierungschance prognostiziert hat.
Eine Garantie gibt es natürlich keinesfalls. Es ist ja derzeit noch nicht einmal klar, wer da gegen wen antritt und welches Wettbewerbsnarrativ sich daraus ergibt. Grün gegen Schwarz? Rot gegen Schwarz? Alle gegen alle?
Erwarten Sie ein Comeback für die AfD?
Die AfD hat es schwer derzeit und auch ihre Bäume wachsen nicht bedingungslos in den Himmel. Aber zugleich ist es der AfD gelungen, sowohl rund um die Klimapolitik als auch rund um Corona sich zu verbreitern und neue Allianzen einzugehen. Die Partei wird sicherlich nicht kurzfristig verschwinden.
Die Grünen harmonieren im Bund und bestechen durch inhaltliche und personelle Auswahl. Müssen die bald eine Entscheidung treffen?
Das werden sie bald tun – und hier ist ja auch im Gegensatz zur Union positive Spannung drin. Das ist fast schon ein Luxusproblem. Verwunderlich ist eher, wie akzeptiert bei den Grünen ist, dass die beiden Vorsitzenden im berühmt-berüchtigten, ja fast verpönten Hinterzimmer das alleine ausmachen. Die Partei hat einen weiten Weg hinter sich.