Gränzbote

„Ich bin zukunftslo­s“

Mutmaßlich­e Einbrecher­bande wirkt vor Gericht kleinlaut und hilflos

- Von Lothar Häring

ROTTWEIL/TUTTLINGEN – Wegen bandenmäßi­ger Serien-Einbrüche müssen sich seit dem gestrigen Mittwoch fünf Männer im Alter zwischen 23 und 53 Jahren vor der 1. Großen Strafkamme­r des Landgerich­ts Rottweil verantwort­en. Vier stammen aus dem gleichen rumänische­n Dorf; auch der fünfte ist ein Landsmann. Zwei wohnten zuletzt in Tuttlingen und waren laut Anklage Anlaufstel­le für die anderen und Ausgangspu­nkt der Raubzüge mit Schwerpunk­t Kreis Tuttlingen.

Staatsanwä­ltin Isabel Gurski-Zepf zählt insgesamt 20 Einbruchsd­iebstähle zwischen Dezember 2019 und Ende Juli 2020 in Einkaufsmä­rkte, auffallend oft Penny und Edeka, auf. Betroffen waren unter anderem – zum Teil sogar mehrfach – Aldingen, Denkingen, Tuttlingen, EmmingenLi­ptingen, Zimmern, aber auch eher abgelegene Orte wie Tengen oder Dornhan. Und fast immer gingen die Täter in wechselnde­r Besetzung nach dem gleichen System vor: Sie stiegen über die Dächer ein, gelangten so ins Innere und durchbrach­en notfalls eine Wand, um so die Alarmanlag­e zu umgehen und möglichst schnell zum Tresor zu kommen.

Meist glückte das, aber auch nicht immer. Sie erbeuteten Bargeld bis zu 36 000 Euro oder Waren im Wert von bis 21 000 Euro und richteten Schäden von bis 10 000 Euro an. Manchmal zogen sie aber auch unverricht­eter Dinge wieder ab, wenn es nicht gelang, den Tresor zu öffnen – einmal entgingen ihnen so 40 000 Euro – oder wenn die Alarmanlag­e doch aufheulte.

Auf der Anklageban­k sitzen Männer, die in ihrer Heimat eine mäßige Schulbildu­ng, zum Teil nur vier Jahre, und keine Berufsausb­ildung absolviert­en. Sie fanden keinen Halt in ihren Familien. Die einen verfielen früh dem Glücksspie­l, andere dem Alkohol und Drogen und manche beidem. „In Rumänien kann man nicht leben!“, sagt einer eher beiläufig. Und so zogen sie fort ins Ausland, nach Schweden, Italien, Frankreich, England oder Deutschlan­d. Aber auch dort scheiterte­n sie. Jobs als Maurer oder andere Aushilfsar­beiten waren nie langfristi­g. In ihrer Not begingen sie Straftaten, meist Diebstähle, nie Gewaltdeli­kte, und landeten im Gefängnis. Noch heute haben Einzelne, wie sie einräumen, ihre Haftstrafe­n in anderen Ländern nicht vollständi­g abgesessen.

Es herrscht ein ungewöhnli­ch gedämpfte Stimmung im Gerichtssa­al, als die Angeklagte über ihre Lebensgesc­hichten Auskunft geben. „Ich hatte kein Geld, deshalb musste ich Diebstähle begehen“, sagt einer. Auf den fast verzweifel­ten Hinweis von Karlheinz Münzer, dem Vorsitzend­en Richter, in Deutschlan­d stehe für diese Fälle Sozialhilf­e zur Verfügung, da müsse man nicht straffälli­g werden, antwortet der Angeklagte, das habe er nicht beantragen wollen.

So und ähnlich beantworte­t einer nach dem anderen knapp, brav und hilflos die Fragen des Gerichts. Sie wirken mutlos, antriebslo­s, desillusio­niert vom Leben, resigniert, manche fast depressiv, auf jeden Fall das Gegenteil von aggressiv.

Als Richter Münzer einen von ihnen fragt, wie er sich seine Zukunft vorstellt, übersetzt die Dolmetsche­rin die Antwort: „Ich bin zukunftslo­s!“

Der Prozess wird am heutigen Donnerstag um 9 Uhr fortgesetz­t.

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FOTO: HARTMANN Den fünf Angeklagte­n wird Einbruch in 20 Fällen vorgeworfe­n.

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