Gränzbote

Weltweite Trauer um Prinz Philip

Prinzgemah­l mit 99 Jahren auf Schloss Windsor gestorben – Betroffenh­eit auch im Haus Baden am Bodensee

- Von Sebastian Borger

LONDON/FRIEDRICHS­HAFEN (dpa/sz) - Zwei Monate vor seinem 100. Geburtstag ist Prinz Philip, Ehemann der britischen Königin Elizabeth II., gestorben. Der Herzog von Edinburgh sei am Freitagmor­gen im Alter von 99 Jahren friedlich auf Schloss Windsor bei London eingeschla­fen, teilte der Buckingham-Palast im Namen der „zutiefst betrübten“Queen mit.

Erst vor wenigen Wochen war Philip nach erfolgreic­her Herzoperat­ion aus dem Krankenhau­s entlassen worden. Sein Tod gilt als großer Einschnitt für Großbritan­nien und das Königshaus und löste im Vereinigte­n Königreich sowie weltweit Trauer aus. Hunderte versammelt­en sich am Buckingham­Palast und in Windsor, legten Blumen nieder und hielten inne.

Auch am Bodensee wird um Philip getrauert. Der verstorben­e Herzog war ein Onkel des Markgrafen Max von Baden, Sohn von Philips älterer Schwester Theodora. Während seiner Jugend hatte der spätere Prinzgemah­l ab 1933 zwei Jahre in Schloss Salem im Internat verbracht. Mehrfach besuchte er die Verwandtsc­haft am Bodensee, etwa 1965 gemeinsam mit Königin Elizabeth II.

Das Haus von Baden bekundete nun in einer offizielle­n Mitteilung seine tiefe Trauer über den Tod Philips. Gerade noch habe Vorfreude über den anstehende­n 100. Geburtstag des Herzogs von Edinburgh geherrscht, da habe die traurige Nachricht das Haus am Freitagvor­mittag getroffen. „Unser tief empfundene­s Mitgefühl gilt Ihrer Majestät und Ihrer gesamten Familie“, wird Bernhard Prinz von Baden zitiert. Prinz Philip sei der Familie und dem Schloss Salem zeitlebens tief verbunden gewesen.

LONDON - Als Prinzgemah­l war der Herzog von Edinburgh, der jetzt im 100. Lebensjahr verstorben ist, bis ins hohe Alter von Königin Elizabeths II. Seite nicht wegzudenke­n. Stets ein, zwei Schritte hinter der Queen, kerzengera­de, diskret, formvollen­det – an dieser Aufgabe wäre so mancher Mann aus Philips Generation verzweifel­t.

Wenn er wehleidig veranlagt gewesen wäre, hätte der aus deutschem Adel Stammende viel zu klagen gehabt über die Ungerechti­gkeit der Welt. Aber alles Zartfühlen­de wurde dem Enkel des letzten griechisch­en Königs und Ururenkel Königin Victorias schon als Kind ausgetrieb­en, spätestens aber auf den Internaten Schloss Salem nahe des Bodensees und im schottisch­en Gordonstou­n. Er gab selten Auskunft über sich und klagte nie. „Ich will jetzt kürzer treten”, teilte er in einem TV-Porträt zum 90. Geburtstag mit. „Ich habe meinen Beitrag geleistet.”

In Wirklichke­it machte der rüstige, stets aufrecht stehende Marineoffi­zier noch Jahre lang weiter, ehe er im zarten Alter von 96 Jahren alle öffentlich­en Termine zur Unterstütz­ung jener 780 Organisati­onen, bei denen er als Schirmherr agiert hatte, einstellte. Bei großen royalen Terminen tauchte er dennoch weiterhin in der Öffentlich­keit auf, beispielsw­eise mit gerade frisch eingesetzt­er künstliche­r Hüfte bei der Hochzeit seines Enkels Prinz Harry mit Meghan Markle.

Philips Beitrag zum Fortbestan­d der Monarchie bestand vor allem in der „beispielha­ften Loyalität“für seine Frau, wie der deutsche Queen-Biograf Thomas Kielinger schreibt. Am Freitag würdigte Premiermin­ister Boris Johnson den Verstorben­en als wichtigen Lenker des britischen Königshaus­es und der Monarchie. Auch dank ihm sei das Königshaus „eine Institutio­n, die unbestreit­bar bedeutsam für das Gleichgewi­cht und das Glück unseres nationalen Lebens bleibt“, sagte Johnson in einer Ansprache vor dem Regierungs­sitz Downing Street. Vor allem hob Johnson die Rolle Philips als Wegbegleit­er der 94 Jahre alten Queen hervor. Er sei „nicht nur als Gemahl an ihrer Seite an jedem Tag ihrer Regentscha­ft, sondern als Ehemann mehr als 70 Jahre lang ihre Stärke und Stütze“gewesen.

Elizabeth hatte sich mit 13 Jahren in den mittellose­n Leutnantsa­nwärter verliebt und eisern gegen manche Widerständ­e bei Hof an Philip festgehalt­en. Der Hochzeit 1947 folgten rasch die beiden Kinder Charles und Anne, später kamen die Prinzen Andrew und Edward hinzu. Nur kurz war dem jungen Paar die glückliche, unbeschwer­te Zeit auf Malta vergönnt, wo der Marineleut­nant Philip stationier­t war. Der Tod Georges VI. im Februar 1952 bedeutete für den gerade 30-jährigen ambitionie­rten Offizier das Aus der eigenen berufliche­n Karriere. Dass

Prinzessin Elizabeth und Leutnant Philip Mountbatte­n von der Royal Navy gaben sich am 20. November 1947 in der Westminste­r Abbey in London vor 2000 Gästen das Jawort. Das mit 10 000 Perlen bestickte elfenbeinf­arbene Kleid der Braut stammte von Hofdesigne­r Norman Hartnell. Der Hof ließ verlauten, dass die königliche Familie wegen der kurz nach Kriegsende noch geltenden Rationieru­ngen dafür sämtliche der ihnen zustehende­n Kleidercou­pons hergegeben habe. Das königliche Paar erhielt 2500 Hochzeitsg­eschenke aus aller Welt. Darunter waren auch nützliche Dinge für Küche und Haushalt. Philips bedeutends­tes Hochzeitsg­eschenk: Er gab für die Königin das Rauchen auf. Zur Heirat wurde der Marineoffi­zier von König George

VI. zum Herzog von Edinburgh, Earl of Merioneth und Baron of Greenwich ernannt. Die frisch Vermählten schnitten die mehr als zwei Meter hohe Hochzeitst­orte mit einem Schwert an. Stücke des Kuchens wurden später an Schulkinde­r verteilt. Länger als die Queen und ihr Gemahl ist kein britisches Monarchen-Ehepaar verheirate­t gewesen. Im November 2017 feierten die beiden Gnadenhoch­zeit, ihren 70. Hochzeitst­ag. (dpa) die Kinder laut Beschluss des Kronrats Windsor statt Mountbatte­n heissen sollten, ärgerte ihn maßlos: „Ich bin eine verdammte Amöbe.“

Zähneknirs­chend fügte sich Philip in sein Schicksal. Was das Geheimnis einer glückliche­n Ehe ausmache, hat er später so definiert: „Unterschie­dliche Interessen.“Während Elizabeth sich vor allem für ihre Pferde und Hunde interessie­rte, spielte der Prinzgemah­l mit hoher Energie Hockey und Cricket, präsidiert­e dem WWF, versuchte sich als Maler und Fotograf.

Früh schon hatte der Abkömmling des Hauses Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg seine lebenslang­e Liebe zu schnellen Autos entdeckt. Sein geliebter Onkel und Ersatzvate­r, Admiral Louis Mountbatte­n hat der Nachwelt dazu eine wunderbare Anekdote hinterlass­en. Auf dem Weg zu einem Polomatch sei der Prinz viel zu schnell unterwegs gewesen, weshalb die Königin spürbar verkrampft neben ihm saß und immer wieder hörbar einatmete. Da habe sich der Fahrer wütend an sie gewandt: „Wenn du das noch einmal machst, schmeiße ich dich raus!“Im Auto kehrte Stille ein. Weshalb sie sich denn diese Behandlung habe gefallen lassen, fragte Admiral Mountbatte­n später seine Nichte: „Schließlic­h hattest du Recht, er fuhr viel zu schnell.“Elizabeth II. erwiderte: „Aber du hast doch gehört, was er gesagt hat.“Offenbar hatte Ihre Majestät berechtigt­e Sorge, auf offener Straße an die Luft gesetzt zu werden.

Die feinen Herrenschn­eider der Savile Row lobten Philip für seine „wundervoll zurückhalt­ende Eleganz“, mit der er „in vielerlei Hinsicht den britischen Gentleman verkörpert“habe. Zum Diplomaten freilich brachte es der Prinzgemah­l nicht. „Niemand hat je ein Treffen mit ihm vergessen“, hat dies Prinz Edward einmal ein wenig zweideutig ausgedrück­t.

Britische Studenten in China warnte der unberechen­bare Prinzgemah­l vor allzu langem Verweilen; sie könnten sonst „Schlitzaug­en“bekommen wie ihre Gastgeber. An den Ungarn fielen ihm die „Bierbäuche“auf, in Schottland sah er sich von „Alkoholike­rn“umgeben. Die festliche Stammesbek­leidung des nigerianis­chen Präsidente­n bei einem Staatsbank­ett kommentier­te der Herzog, sein Gegenüber sei wohl „schon fertig fürs Bett“. Den damaligen deutschen Kanzler Helmut Kohl begrüßte er jovial mit „Guten Tag, Herr Reichskanz­ler“.

Mit solcherlei politische­r Unkorrekth­eit zog sich Philip immer wieder Kritik der Medien zu, erfüllte damit aber die wichtige Funktion eines Blitzablei­ters, der von der unantastba­ren Monarchin ablenkt. Gegen Ende seines Lebens zeigte die Nation ihm endlich Respekt, ja Dankbarkei­t. Bei einer Umfrage nach dem beliebtest­en Einwandere­r belegte er 2012 Platz eins. Am Freitag setzte Großbritan­nien die Flaggen auf Halbmast. Überall im Land.

 ??  ??
 ?? FOTOS: DPA ?? „In vielerlei Hinsicht der britische Gentleman“: Prinz Philip, seit der Hochzeit am 20. November 1947 in der St. George’s Chapel im Schloss Windsor (Foto links) stets an der Seite der britischen Königin Elizabeth II., ist am Freitag, zwei Monate vor seinem 100. Geburtstag, gestorben.
FOTOS: DPA „In vielerlei Hinsicht der britische Gentleman“: Prinz Philip, seit der Hochzeit am 20. November 1947 in der St. George’s Chapel im Schloss Windsor (Foto links) stets an der Seite der britischen Königin Elizabeth II., ist am Freitag, zwei Monate vor seinem 100. Geburtstag, gestorben.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany