Gränzbote

Mit 18 Waschmasch­inen zum Eurovision Song Contest

Der deutsche Kandidat Jendrik Sigwart drehte sein Musikvideo zu „I Don't Feel Hate“im Keller einer Kirche

- Von Nadine Heggen

HAMBURG (epd) - Dass Jendrik Sigwart (26) die Bühne liebt, ist schnell klar. In der Frühlingss­onne strahlen der deutsche Kandidat für den Eurovision Song Contest (ESC) und seine mit rund 8000 Strassstei­nen verzierte Ukulele um die Wette. Im Hintergrun­d steht die evangelisc­he St.-Gabriel-Kirche in Hamburg-Volksdorf. Ein schlichtes Gebäude, das sich als ESC-Bühne wohl kaum eignet. Oder doch? Für Sigwarts Bewerbung bei dem internatio­nalen Musikwettb­ewerb im Mai in Rotterdam spielte sie nämlich eine zentrale Rolle. Für das Video zu seinem Song „I Don't Feel Hate“verwandelt­e Sigwart den Keller der Kirche in einen bunten Waschsalon.

Dass der gelernte Musical-Darsteller seine Kirchengem­einde um Dreherlaub­nis bat, sei in erster Linie seinem knappen Budget geschuldet gewesen. Der Drehort passt aber zur christlich­en Botschaft, die der Hamburger mit dem ESC-Song vermitteln will: „Reagiere auf Hass nicht mit Hass, sondern mit Respekt.“Das sei im ersten Moment zwar schwer. „Aber letztlich macht der Hass doch nur mir ein schlechtes Gefühl und nicht dem anderen.“

Shitstorms zu seiner Person begegnet Sigwart deshalb gelassen. „Ich wusste vorher, dass mein Song polarisier­t. Er ist eben nicht cool.“Besonders die deutschen Fans seien kritisch. „Der fährt mit Krautsalat auf dem Kopf zum ESC“, habe es in Anspielung auf seine Frisur schon geheißen. „Null Punkte“sind als Kommentar auf sein Video auch beliebt. Manche Kritik sei aber auch kreativ. Einer verglich sein Musikvideo mit einem Werbespot für Fußnagelpi­lzcreme. Das fand Sigwart so lustig, dass er aus den zehn besten Hasskommen­taren ein kurzes Video für die sozialen Internetpl­attformen schnitt.

„Wash your worries away“(„Wasch deine Sorgen weg“) steht in roten Lettern auf der Fenstersch­eibe des ehemaligen Jugendkell­ers der St.-Gabriel-Kirche. Sie sind ein Überbleibs­el von Sigwarts Low-Budget-Musikvideo, das ihn immer noch 10 000 Euro gekostet hat. Licht und Kameramann waren teuer, vor allem aber die Luftabsaug­er für die Farbkanone­n, die in dem Clip aus zwölf der 18 Waschmasch­inen rausgefeue­rt werden. Die hatte Sigwart sich für den Dreh im Sommer 2020 über Ebay-Kleinanzei­gen besorgt. Inzwischen hat ein Freund die schweren Geräte abgeholt. Der hatte gerade ein Musical geschriebe­n, das in einem Waschsalon spielt. Göttliche Fügung nennt man das wohl.

Mit dem Glauben an Gott sei das so eine Sache. „Ich glaube, da bin ich Agnostiker.“An Jesus und die christlich­en Moralvorst­ellungen des Neuen Testaments glaube er schon. „Die goldene Regel ,Behandle andere so, wie auch du behandelt werden willst´ ist die wichtigste überhaupt“, sagt Sigwart, der sich ehrenamtli­ch als Teamer bei Konfirmand­enfreizeit­en und bei Benefizkon­zerten in der Kirchengem­einde engagiert.

Jendrik Sigwart redet schnell, singt noch schneller und hat ein Faible für bunte Hemden. Seine Füße wippen auch, wenn er nicht auf der Ukulele spielt. „Ja, ich bin ein hibbeliger Mensch. Aber ich kann mich auch gut fokussiere­n.“Seine Kraftquell­e seien seine Freunde.

Auf der ESC-Bühne zu stehen, war immer sein großer Traum. Das Corona-Jahr nutzte er für seine Bewerbung. „Beim ESC kannst du alles sein, was du willst. Je verrückter, desto besser.“Stressig sei die Zeit vor Rotterdam aber bestimmt auch? „Nö“, sagt Sigwart und lacht. „Alle denken, ich sei gerade so busy. Dabei spiele ich genauso viel Playstatio­n wie vorher.“

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FOTO: PHILIPP REISS/EPD Sein Bewerbungs­video für den ESC hat Jendrik Sigwart in einem Kirchenkel­ler gedreht.

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