Arztdiskussion: Gemeinderäte äußern sich
Nach Shitstorm wenden sich Gremiumsmitglieder an unsere Redaktion – Petition gegründet
EMMINGEN-LIPTINGEN (lise) - Gut eine Woche ist es nun her, dass Hausarzt Jürgen Kaufmann die Frage aufgeworfen hat, ob er den Praxisstandort in Liptingen künftig noch aufrechterhalten könne und wolle. Grund dafür ist ein Streit um eine finanzielle Unterstützung in Höhe von 100 000 Euro (wir berichteten). Zwischenzeitlich ist eine Petition gegründet worden, die fordert, dass Gemeinde und Arzt eine Einigung erzielen sollen. Und auch einige Gemeinderäte melden sich nun zu Wort.
In einem Schreiben wenden sich die Gemeinderäte Werner Diener und seine Listenkollegen Andreas Zeiser-Radtke sowie Thomas Goes an unsere Zeitung. Wie Diener auf Nachfrage berichtet, sei über einigen Gemeinderäten ein wahrer Shitstorm hereingebrochen – Beschimpfungen inklusive. „Was wir erleben müssen, ist nicht schön“, sagt er. Ein ähnliches Problem habe es bei der Standortfrage für die Praxis gegeben, so Diener. Aus ihrer Sicht müssten ein paar Dinge zurechtgerückt werden.
Unter anderem werde ihnen vorgeworfen, nicht mit Jürgen Kaufmann geredet zu haben. „Wir haben schon öfters das Gespräch gesucht, aber es geht nur in eine Richtung. Einige Kommunikationsversuche wurden abgelehnt und Einladungen zu Sitzungen mehrmals ignoriert“, sagt Diener. Das Vorgehen von Kaufmann, der sich vergangene Woche an unsere Zeitung gewandt hatte, könnten sie nicht nachvollziehen. „Der Gemeinderat hätte es sehr begrüßt, wenn eine persönliche Kommunikation mit der örtlichen Verwaltung und gegebenenfalls mit Gemeinderat zustande gekommen wäre“, heißt es in dem Schreiben der drei Gemeinderäte.
Weiter schreiben sie dort: „Die Gemeinde Emmingen-Liptingen heißt jeden Arzt willkommen, insbesondere auch Herrn Dr. Kaufmann. Dafür hat die Gemeinde nach den
Wünschen von Herrn Kaufmann eine schöne und neue Praxis für 850 000 Euro erstellt und stellt diese dem Arzt für eine Sondermiete zur Verfügung. Gemessen am örtlichen Mietpreis unterstützt die Gemeinde den Arzt bewusst und gerne jährlich mit einem fünfstelligen Eurowert. Ein großzügiges Angebot der Gemeinde aus dem Jahre 2014 für notwendige Renovierungsarbeiten der alten Praxis und als Neugründungsunterstützung über 100 000 Euro wurde bisher nicht in Anspruch genommen. Es wurden damit keine hygienischen Modernisierungen und auch keine medizinische Gerätschaften für die alte Praxis angeschafft und beantragt. Mit der neuen Praxis sind alle, insbesondere auch die hygienischen baulichen Anforderungen, erfüllt und damit auch die Grundlage für die Altbausanierung hinfällig“, heißt es in dem Schreiben weiter.
Bei der Übernahme der Kosten für die Rezeption in der neuen Praxis habe man zudem weiteres Entgegenkommen gezeigt, so Diener. Ähnlich hatte sich vergangene Woche auch
Bürgermeister Joachim Löffler geäußert.
Kaufmann hatte, so berichtete er es im Gespräch, Investitionen in Höhe von etwa 120 000 Euro unternommen, unter anderem Diagnostikgeräte gekauft, – in der Annahme, dass er den Betrag von 100 000 Euro ersetzt bekomme. Seine Auffassung der Abmachung schilderte er so: „Die gleiche Unterstützung sollte ich bekommen, wenn ich neue Geräte oder Inventar anschaffe.“Die drei Gemeinderäte finden: „Eine Forderung über eine zusätzliche pauschale Unterstützung ohne rechtliche Grundlage wäre mit Steuergeldern doch sehr bedenklich.“
Abschließend schreiben sie: „Wir hoffen im Interesse der sehr zahlreichen Patienten und nach Fertigstellung der neuen Praxisräume in Liptingen auf die richtige Entscheidung unseres Arztes in Liptingen und Eigeltingen und natürlich auch auf eine erfolgreiche Suche nach einem Praxispartner.“Kaufmann hatte angekündigt, dass er sich während einer zweiwöchigen Auszeit Gedanken über die Zukunft machen zu wollen.
„Ich hoffe, dass ich dann mit etwas Abstand eine Entscheidung treffen kann. Ich würde gerne bleiben, wenn ich das Vertrauen wieder spüre“, sagte der Arzt, der in Liptingen und Eigeltingen eine Praxis hat, vergangene Woche.
Dass Kaufmann auch künftig in der Gemeinde Emmingen-Liptingen praktiziert, hoffen auch Claudia Kreitinger, Marianne Thoma, Andrea Weiler und Arlette Windrich. Sie starteten eine Online-Petition unter dem Titel: „Wir wollen unseren Hausarzt Dr. Kaufmann in Emmingen-Liptingen behalten!“
In dem Beschreibungstext heißt es unter anderem: „Wir fordern Herrn Bürgermeister Löffler und den Gemeinderat auf, unverzüglich eine für Dr. Kaufmann akzeptable Einigung herzustellen! (...) Wir erwarten von Herrn Bürgermeister Löffler und dem Gemeinderat künftig eine freundliche und lösungsorientierte Kommunikation, auch und gerade bei unterschiedlichen Auffassungen zu strittigen Vertragspunkten.“
Weiter schreiben sie dort: „Wir erwarten von unserem Gemeinderat alles dafür zu tun, dass die Versorgung durch Dr. Kaufmann in unserer Gemeinde zu jeder Zeit sichergestellt ist, sodass all unseren Bürger*innen der Zugang zur hausärztlichen Grundversorgung ermöglicht ist. Der Weggang eines seit Jahren in der Gemeinde engagierten praktizierenden Arztes wäre eine Katastrophe.“588 Unterstützer hatten die Petition bis am Freitagnachmittag unterzeichnet, mehr als 200 Personen hatten bei Open-Petition einen Kommentar abgegeben.
Auf Nachfrage unserer Zeitung erklärt Claudia Kreitinger, dass sich die Petitionsgründerinnen zunächst noch zurückhalten und noch nicht weiter äußern wollen. „Wir haben Bürgermeister Joachim Löffler eine Mail geschrieben. Wir wollten ihn nicht außen vor lassen und erst einmal mit ihm persönlich sprechen“, sagt sie.