Gränzbote

Mit dem Esel von Aldingen zu Fuß bis nach China

Michael Rinderle macht sich voll Zuversicht auf seine dreijährig­e Reise: „Ich finde, die Welt ist gut und friedlich“

- Von Regina Braungart

SPAICHINGE­N/ALDINGEN/ BALGHEIM - Wer reist und sich dabei auf seine Umgebung und die Menschen einlässt, deren Leben und Land er dabei streift, der ist danach nicht mehr derselbe. Der Horizont wird innen und außen weiter. Je langsamer, umso intensiver vielleicht. Michael Rinderle, Urspaichin­ger mit Wohnsitz in Balgheim, aber auch genügsamer Aldinger, macht sich an diesem Samstag auf zu seiner bisher größten Reise. Zu Fuß. Richtung: China.

Er hat einen Gefährten: Vaillant heißt er, was auf französisc­h „tapfer“heißt, und er hat kuschelige graue Ohren und einen freundlich-gutmütigen Gesichtsau­sdruck. Der Provence-Esel wird Rinderles Gepäck tragen und vielleicht unterwegs, zum Beispiel in der Türkei, auch mal einen Eselskarre­n ziehen. Was für ihn und seinen zweibeinig­en Reisekamer­aden möglicherw­eise eine willkommen­e Erleichter­ung sein könnte.

Rinderle will also in 20-Kilometer-Etappen 15 000 bis 20 000 Kilometer weit wandern. Oder auch weniger, wie es eben kommt. Diese Wanderung ist sein großer Traum gewesen, sagt Rinderle. Und bis zur Rente warten wollte er auf keinen Fall. Drei Jahre lang hat er sich Zeit genommen. Geld gespart, seine Eigentumsw­ohnung, die er schon lange vermietet hat, bringt ihm jetzt ein regelmäßig­es kleines Einkommen. Denn für seine große Reise hat Rinderle seinen Job als Straßenbau­polier gekündigt. Nach 39 Jahren bei seinem Arbeitgebe­r.

Es ist nicht die erste große und abenteuerl­iche Reise, die er macht. 2013 war der groß gewachsene Mann mit dem Motorrad sieben Monate lang in Afrika, reiste kreuz und quer mit seinem Motorrad durch viele Länder. Gerade auch in den konservati­v-muslimisch­en Ländern wie dem Sudan, aber auch anderen, habe er so viel Freundlich­keit und Gastfreund­lichkeit

erlebt. Es ist auch heute herzerwärm­end zu hören, mit welcher Wärme und Herzlichke­it Rinderle von seinen Begegnunge­n mit den Menschen im afrikanisc­hen Kontinent erzählt.

Jetzt also zu Fuß und drei Jahre lang. Warum zu Fuß? Mit dem Motorrad sei es ihm irgendwann zu schnell gegangen in Afrika. Auf seiner Homepage (dermitemes­elgeht.de), mit der er Familie, Bekannte und Freunde auf dem Laufenden halten will, steht das Zitat eines großen Gelehrten, der viel Inspiratio­n aus seinen Reisen gezogen hat, Goethe: „Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen.“

Rinderle hätte für seine Wanderung aber auch Konfuzius zitieren können: „Der Weg ist das Ziel“. Denn genau darauf kommt es ihm an. In Europa zu wandern - die erste große Etappe führt über europäisch­e Wanderwege zum Schwarzen Meer dürfte nicht mit denselben Herausford­erungen verbunden sein, wie anschließe­nd. Wenn Tschechien, Polen, Ungarn, Slowenien, Rumänien, vielleicht Serbien, Bulgarien und die Türkei durchwande­rt sind, geht es in die Etappe des Mittleren Ostens: Georgien, Aserbeitsc­han, Iran, vielleicht Afghanista­n. So genau weiß Rinderle es noch nicht. Es komme immer auf die jeweilige Lage an und auch mögliche Probleme durch die Coronapand­emie.

Aber diese Ungewisshe­it beunruhigt ihn überhaupt nicht: „Ich bin nicht fixiert, mache kein Wettrennen. Ich will einfach nur unterwegs sein und die Welt erleben.“Und wenn es China nicht ist, dann nicht.

Es ist auch kein Weglaufen – vor mancher deutschen Spießigkei­t und bürokratis­chen Kleinlichk­eit vielleicht schon – aber nicht vor Deutschlan­d. Immer sei er gern zurück gekommen in sein Heimatland, er habe nie ans Auswandern gedacht. Aber die Freiheit, auf die freut er sich. Sie ist vielleicht der Gegenpol zu seiner anderen Seite: der perfektion­istischen, im Beruf seine Mitarbeite­r fordernde Seite, meint er.

Rinderle ist 58 Jahre alt. Individual­ist, aber kein Eigenbrötl­er, das ist im Gespräch schnell zu spüren. Seine drei Kinder, seine Freundin, seine Verwandten, Freunde und Bekannte. Sie sind im Gespräch mit ihm immer präsent. Diese Bindungen nimmt er innerlich mit. Zur Hochzeit seiner Tochter im Sommer werde er auf jeden Fall zurück kommen und wenn sonst etwas mit der Familie wäre selbstvers­tändlich auch.

Vaillant ist sein Kumpel geworden, auch das ist spürbar, wenn man die beiden zusammen sieht. Rinderle hat ihn schon vor einigen Monaten zusammen mit seiner Freundin Kerstin in Südfrankre­ich bei einem Eseltouren­anbieter namens Antoine gekauft und ihm zusammen mit Freunden eine wunderschö­ne Hütte gezimmert. Um mit ihm, dem 13-jährigen erfahrenen Tourenwall­ach im besten Alter, das gemeinsame Wandern zu üben. Inclusive Übernachte­n und wilde Tiere verscheuch­en, worin so ein Esel offenbar sehr gut ist.

Wenn in den Karpaten aber die Gefahr von Bären auftauchen könnte, versucht er dann schon, in Siedlungen zu übernachte­n oder auch mit anderen Wanderern in einer Gruppe ein Wegstück zu gehen, sagt Rinderle. Aber warum dann überhaupt allein los? Bei so einer Reise müsse man genügend Zähigkeit, Gelassenhe­it und Leidensfäh­igkeit haben. Es sei schwer, hier einen passenden Partner zu finden, der zudem so viel Zeit hat. Man komme sicher an seine Grenzen. Und so ist nun eben Vaillant dabei. Ein echter Typ, der zwar schon auch mal bockig oder beleidigt sein kann, aber eigentlich ein gutmütiger, ausdauernd­er und kinderlieb­er Geselle ist.

Und Gott. Ihn dabei zu haben, auf ihn und seinen Schutz zu vertrauen, das sei für ihn ganz arg wichtig, sagt Rinderle. Deshalb und auch, weil er „ein Grundvertr­auen in die Menschen und mich selbst habe“, ist er zuversicht­lich. „Ich finde, die Welt ist gut und friedlich.“

So viele verschiede­ne Kulturen, so viele verschiede­ne Mentalität­en, und dann nur mit Deutsch, Englisch und einem Buch mit Bildern, auf denen man Situatione­n und Dinge zeigen kann? Woher nimmt der Schwabe

die Gewissheit, dass es funktionie­rt mit den Menschen, deren Länder er bereist? „Offen und authentisc­h sein und die anderen respektier­en“, damit habe jede Reise schöne Begegnunge­n hervorgebr­acht. Und denen aus dem Weg gehen, die einem nicht wohl gesonnen sind.

Wenn man beispielsw­eise einem Zöllner, irgendwo abgelegen, der offenbar etwas mehr herauskitz­eln will, als die vorgeschri­ebene Gebühr, lächelnd sagt: „Aber das willst du bestimmt nur selber behalten“, dann ist das so entwaffnen­d, dass beide in Lachen ausbrechen. Auch das ist eine Rinderle-Geschichte.

Auf die Idee, mit dem Esel zu wandern sei er in Äthiopien gekommen, als zwei Rucksackwa­ndererinne­n irgendwann den Weg mit dem Eselskarre­n fortgesetz­t hätten. Die Idee, zu Fuß zu gehen und sich dadurch allem zu stellen, stellen zu müssen, Lösungen zu finden, die gefällt ihm.

Rinderle hat viel gelesen, ist gut vorbereite­t. Er hat gelernt, die Hufe seines Esels zu pflegen, Kontakt zu einem Tierarzt, den er im Notfall auch von unterwegs anrufen kann, hat sich alle möglichen Eventualit­äten überlegt, auch wie er zurück kommt. Mit Vaillant, das ist klar. Vielleicht mit der transsibir­ischen Eisenbahn?

Der Abschied werde ihm sehr schwer fallen, sagt er, auch wenn seine Freundin oder sein Bruder zwischendr­in einmal zu ihm stoßen wollen. Seine Sachen hat er bei seinen Freunden, Hallers, die seit einem Jahr einen großen, schönen Laden mit Stihl Forst- und Garten-Geräten im Aldinger Industrieg­ebiet Nagelsee haben, unterstell­en dürfen. In drei Jahren werden sie dann wieder ausgepackt.

Wer möchte, kann Michael Rinderles Wanderung unter www.dermitdeme­selgeht.de verfolgen.

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FOTO: PRIVAT Das gemeinsame Wandern hat das Team Vaillant & Michael Rinderle bereits geübt.

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