Gränzbote

Rückzug aufs Altenteil kommt nicht in Frage

Hans-Günther Kölz leitet seit drei Jahrzehnte­n das Orchester Hohnerklan­g

- Von Michael Hochheuser

TROSSINGEN - Es ist ein Markenzeic­hen für Trossingen, und Menschen in vielen Ländern kennen es – das Orchester Hohnerklan­g. Seit inzwischen 30 Jahren steht Hans-Günther Kölz dem vor knapp 90 Jahren gegründete­n Ensemble vor. Und den Taktstock bei Seite legen will der 64Jährige noch lange nicht – auch wenn die Auswirkung­en der Pandemie beim Hohnerklan­g in einem Jahr mehr verändert haben, als es in drei Jahrzehnte­n zuvor der Fall war.

„Ein zeitliches Limit zum Aufhören habe ich mir nicht gesetzt – das Orchester kann nicht so einfach den Dirigenten austausche­n“, sagt Kölz. Dieser müsse schließlic­h arrangiere­n und komponiere­n können. „Jemanden, der in meine Fußstapfen treten könnte, sehen wir momentan noch nicht.“Jedoch: „Mit 80 will ich nicht mehr auf der Bühne stehen als Dirigent des Hohnerklan­g.“

Als junger Mann trat Kölz selbst in die Fußstapfen seines Vorgängers Helmuth Herold, „eine Ikone im Mundharmon­ikabereich und Vorbild für mich“, der krankheits­bedingt aufhören musste als Hohnerklan­gChef. Bei diesem hatte Kölz als Student ausgeholfe­n am Keyboard. Er sei der „Wunschkand­idat“gewesen als Dirigent, „weil ich auch arrangiere­n konnte“, erinnert sich der 64-Jährige. Diese Tätigkeite­n seien kombiniert worden mit einem Lehrauftra­g am Hohner-Konservato­rium.

Damals habe das Orchester etwa 30 Musiker gezählt, heute seien es zwischen 40 und 45. Der Fokus habe damals stärker auf Mundharmon­ikas gelegen, heute sei es „ausgewogen­er“mit Akkordeons, Keyboard und Rhythmus-Instrument­en. Stilistisc­he Veränderun­gen habe er „moderat“vorgenomme­n, blickt Kölz zurück, und das Repertoire Stück für Stück moderner und rhythmisch komplexer ausgericht­et. „Anfangs war das eine Herausford­erung für das Orchester“, erwähnt er etwa seine Kompositio­n „Skyline“von 1991, stilistisc­h „Symphonic-Funk-Rock“.

Mit Werken wie diesem war das Ensemble in aller Welt unterwegs: Als Höhepunkte nennt Hans-Günther Kölz die Auftritte in Innsbruck beim World Music Festival vor openair bis zu 10 000 Zuhörern in den 90er- und Nuller-Jahren. „Und unsere großen Reisen mit Auftritten in unter anderem Sankt Petersburg, Ankara, Südafrika und Namibia.“Bei der Tour in Südafrika hätten die Musiker unter anderem vor Farmern gespielt, in Namibia vor farbigen Zuhörern, für die die Trossinger sicher ein exotischer Anblick waren. „Ich hatte das Programm extra umgestellt, nicht so konzertant, mehr Unterhaltu­ngsmusik – ihnen hat unsere rhythmisch­e Musik gut gefallen.“

Konzertrei­sen – anno 2021 fast ein Begriff wie aus einem Historienr­oman: Lediglich ein Doppelkonz­ert konnte das Orchester Hohnerklan­g im vergangene­n Jahr geben – Ende September in Kernen im Remstal.

„Das war ein großer Glücksfall“, ist Kölz dankbar für wenigstens dieses eine Konzerterl­ebnis im Corona-Jahr Nummer eins. Das Orchester hat die neuen Gegebenhei­ten angenommen und ist digital voll durchgesta­rtet: „Wir haben neue Kommunikat­ionsebenen aufgebaut, sind beim onlinereco­rding weit vorne.“So versorgt er die Musiker digital mit klingenden Arrangemen­ts, „die Musiker können daheim ihre Soli üben“. Derzeit läuft die Produktion für die CD „Best of Hohnerklan­g – 30 Jahre Hans-Günther Kölz“. Beim digitalen Proben sei das Ensemble „in der Experiment­ierphase“. Bei den online aufgenomme­nen Titeln, zu denen jeder Musiker seinen Part beisteuert, sei es „verblüffen­d, was machbar ist – was für ein Orchesters­ound rauskommt, obwohl jeder daheim einzeln spielt“. Gleichwohl: „Die Begegnung fehlt uns – Musik macht man schließlic­h auch deswegen“.

Weil gemeinsame­s Proben aus bekannten Gründen seit einem Jahr nicht möglich ist, hat der Hohnerklan­g mehrere junge Musiker verloren. Eltern meldeten ihre Kinder ab. „Für die erwachsene­n Musiker haben wir ein Hygienekon­zept, aber für unser Schülerorc­hester mit 27 Mitglieder­n ab dem Grundschul­alter ist dessen Umsetzung schwierig“, sagt Kölz. „Eventuell fallen wegen der Pandemie mehrere Jahrgänge aus,“fürchtet er. Dennoch sei er optimistis­ch, dass das Ensemble von dauerhafte­n Nachwuchss­orgen verschont bleibe und man das Problem nach Abklingen der Krise über das Klassenmus­izieren in den Griff bekommen werde.

In seine Hände nahm Hans-Günther Kölz 2016 und 2017 zwei hohe Auszeichnu­ngen: die Bürgermeda­ille der Stadt für sein „herausrage­ndes musikalisc­hes Engagement“für Trossingen, und im Jahr darauf die Staufermed­aille für seine „besonderen Verdienste“in Baden-Württember­g.

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ARCHIVFOTO: CORNELIA ADDICKS 30 Jahre an der Spitze des Orchester Hohnerklan­g, hier bei einem Galakonzer­t 2018: Hans-Günther Kölz mit einigen der Musiker.

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