Rückzug aufs Altenteil kommt nicht in Frage
Hans-Günther Kölz leitet seit drei Jahrzehnten das Orchester Hohnerklang
TROSSINGEN - Es ist ein Markenzeichen für Trossingen, und Menschen in vielen Ländern kennen es – das Orchester Hohnerklang. Seit inzwischen 30 Jahren steht Hans-Günther Kölz dem vor knapp 90 Jahren gegründeten Ensemble vor. Und den Taktstock bei Seite legen will der 64Jährige noch lange nicht – auch wenn die Auswirkungen der Pandemie beim Hohnerklang in einem Jahr mehr verändert haben, als es in drei Jahrzehnten zuvor der Fall war.
„Ein zeitliches Limit zum Aufhören habe ich mir nicht gesetzt – das Orchester kann nicht so einfach den Dirigenten austauschen“, sagt Kölz. Dieser müsse schließlich arrangieren und komponieren können. „Jemanden, der in meine Fußstapfen treten könnte, sehen wir momentan noch nicht.“Jedoch: „Mit 80 will ich nicht mehr auf der Bühne stehen als Dirigent des Hohnerklang.“
Als junger Mann trat Kölz selbst in die Fußstapfen seines Vorgängers Helmuth Herold, „eine Ikone im Mundharmonikabereich und Vorbild für mich“, der krankheitsbedingt aufhören musste als HohnerklangChef. Bei diesem hatte Kölz als Student ausgeholfen am Keyboard. Er sei der „Wunschkandidat“gewesen als Dirigent, „weil ich auch arrangieren konnte“, erinnert sich der 64-Jährige. Diese Tätigkeiten seien kombiniert worden mit einem Lehrauftrag am Hohner-Konservatorium.
Damals habe das Orchester etwa 30 Musiker gezählt, heute seien es zwischen 40 und 45. Der Fokus habe damals stärker auf Mundharmonikas gelegen, heute sei es „ausgewogener“mit Akkordeons, Keyboard und Rhythmus-Instrumenten. Stilistische Veränderungen habe er „moderat“vorgenommen, blickt Kölz zurück, und das Repertoire Stück für Stück moderner und rhythmisch komplexer ausgerichtet. „Anfangs war das eine Herausforderung für das Orchester“, erwähnt er etwa seine Komposition „Skyline“von 1991, stilistisch „Symphonic-Funk-Rock“.
Mit Werken wie diesem war das Ensemble in aller Welt unterwegs: Als Höhepunkte nennt Hans-Günther Kölz die Auftritte in Innsbruck beim World Music Festival vor openair bis zu 10 000 Zuhörern in den 90er- und Nuller-Jahren. „Und unsere großen Reisen mit Auftritten in unter anderem Sankt Petersburg, Ankara, Südafrika und Namibia.“Bei der Tour in Südafrika hätten die Musiker unter anderem vor Farmern gespielt, in Namibia vor farbigen Zuhörern, für die die Trossinger sicher ein exotischer Anblick waren. „Ich hatte das Programm extra umgestellt, nicht so konzertant, mehr Unterhaltungsmusik – ihnen hat unsere rhythmische Musik gut gefallen.“
Konzertreisen – anno 2021 fast ein Begriff wie aus einem Historienroman: Lediglich ein Doppelkonzert konnte das Orchester Hohnerklang im vergangenen Jahr geben – Ende September in Kernen im Remstal.
„Das war ein großer Glücksfall“, ist Kölz dankbar für wenigstens dieses eine Konzerterlebnis im Corona-Jahr Nummer eins. Das Orchester hat die neuen Gegebenheiten angenommen und ist digital voll durchgestartet: „Wir haben neue Kommunikationsebenen aufgebaut, sind beim onlinerecording weit vorne.“So versorgt er die Musiker digital mit klingenden Arrangements, „die Musiker können daheim ihre Soli üben“. Derzeit läuft die Produktion für die CD „Best of Hohnerklang – 30 Jahre Hans-Günther Kölz“. Beim digitalen Proben sei das Ensemble „in der Experimentierphase“. Bei den online aufgenommenen Titeln, zu denen jeder Musiker seinen Part beisteuert, sei es „verblüffend, was machbar ist – was für ein Orchestersound rauskommt, obwohl jeder daheim einzeln spielt“. Gleichwohl: „Die Begegnung fehlt uns – Musik macht man schließlich auch deswegen“.
Weil gemeinsames Proben aus bekannten Gründen seit einem Jahr nicht möglich ist, hat der Hohnerklang mehrere junge Musiker verloren. Eltern meldeten ihre Kinder ab. „Für die erwachsenen Musiker haben wir ein Hygienekonzept, aber für unser Schülerorchester mit 27 Mitgliedern ab dem Grundschulalter ist dessen Umsetzung schwierig“, sagt Kölz. „Eventuell fallen wegen der Pandemie mehrere Jahrgänge aus,“fürchtet er. Dennoch sei er optimistisch, dass das Ensemble von dauerhaften Nachwuchssorgen verschont bleibe und man das Problem nach Abklingen der Krise über das Klassenmusizieren in den Griff bekommen werde.
In seine Hände nahm Hans-Günther Kölz 2016 und 2017 zwei hohe Auszeichnungen: die Bürgermedaille der Stadt für sein „herausragendes musikalisches Engagement“für Trossingen, und im Jahr darauf die Staufermedaille für seine „besonderen Verdienste“in Baden-Württemberg.