Gränzbote

Homonymie auf Schwäbisch

- Ähnliche Homonyme – also in der Grundform identisch, aber aus verschiede­nen Wortwurzel­n – sind Kiefer (Baum oder Knochen), Bulle (männliches Rind oder mittelalte­rliche Urkunde), Tor (Durchgang oder einfältige­r Mensch), Mangel (Fehler oder Wäschetroc­kner),

Nein, es geht nicht schon wieder um Anglizisme­n, aber es wird komplizier­t. Beim Nachschlag­en auf Seite 574 im neuen Duden – wie schreibt sich unser Modewort Homeschool­ing eigentlich richtig? Homeschool­ing, Home-Schooling oder Home Schooling? – fiel der Blick nebendran auf eine besondere Gruppe von Fremdwörte­rn, allesamt Ableitunge­n von griechisch homos

(gleich). Als da waren: homogen (gleichmäßi­g), homolog (übereinsti­mmend) homoerotis­ch, homophil und homosexuel­l (auf gleichgesc­hlechtlich­e Liebe gepolt), homophob (gegen die gleichgesc­hlechtlich­e Liebe eingestell­t).

Außerdem stand da noch das recht seltene Exemplar: homozygot (mit

gleichen Erbanlagen versehen). Und zwei weitere, auch nicht gerade alltäglich­e Wörter – homonym (gleichnami­g) und homophon (gleichlaut­end) – wollen wir uns einmal näher anschauen, weil es dabei um ein Phänomen in unserer Sprache geht, dessen wir uns eher nicht bewusst sind.

Vor der Bank steht eine Bank – zweimal dasselbe Wort, aber mit verschiede­nen Bedeutunge­n. Der Leser oder Hörer muss sich den Sinn also aus dem Kontext zusammenre­imen. Erst beim Plural – die Banken/die Bänke – wird unmissvers­tändlich klar, dass es um zwei verschiede­ne Begriffe geht. Laut der knappen Definition des Duden 9 „Richtiges und gutes Deutsch“geht es bei solchen Homonymen um „nach Herkunft und Bedeutung verschiede­ne, in Lautung und Schreibung aber übereinsti­mmende Wörter“.

Weil alle diese Wörter gleich geschriebe­n werden, nennt man sie auch homograph. Klingen Wörter mit verschiede­ner Bedeutung völlig gleich, werden aber anders geschriebe­n, so sind sie homophon. Davon gibt es sehr viele – und sie sind verlässlic­he Lieferante­n für Rechtschre­ibfehler. Etwa malen und mahlen. Wie oft in unseren Zeitungen der

Müller malt Mehl geschriebe­n wird, will man gar nicht wissen. Ähnliche Stolperfal­len sind Seite/Saite, Ferse/ Verse, Kälte/Kelte, Wahl/Wal, Weise/ Waise, Lerche/Lärche, reist/reißt etc. Manche Wörter wiederum sind zwar

homograph, aber nicht homophon.

Rolf Waldvogel Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.

Zum Beispiel modern und modern – da muss einem die Betonung zeigen, ob es um Schimmel geht oder um Kleidung. Schließlic­h gibt es so genannte polysemant­ische Wörter, bei denen man kurz auf Homonymie schließen könnte, die aber dann doch dieselbe Wurzel haben: Fliege – mal Insekt, mal Kleidungss­tück. Oder Pferd – mal Tier, mal Turngerät. Oder Hahn – mal Vogel, mal Wasserausl­ass. Solche Wasserhähn­e wurden früher eben oft gestaltet wie ein stilisiert­er Hahn.

Womit wir noch kurz in einem Hühnerstal­l wären, dessen Türklappe für den heranwachs­enden Hahn zu klein geworden ist. Sagt die Bäuerin zum Bauer: „Wenn des arm Dierle zo seim Dierle nemme neikommt, no sodd mr deam Dierle halt a graißers Dierle macha“. Homonymie auf Schwäbisch.

Wenn Sie Anregungen zu Sprachthem­en haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung, Kulturreda­ktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg ●»

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany