Nebenwirkungen der Ratstätigkeit: Hohe Anwaltskosten
Gemeinderäte diskutieren: „Wie können wir unsere Kontrollfunktion künftig besser wahrnehmen?“
SPAICHINGEN - Selbstkritik und die Aufarbeitung der Rolle des Gemeinderats als oberstes Kontrollorgan ist neben der Faktenlage zu fehlerhafter Verwaltung von Finanzen am Dienstag (nicht Montag) im Mittelpunkt der Ratssitzung gestanden. Immer wieder während der Erörterung der einzelnen Prüfpunkte der Gemeindeprüfungsanstalt, vor allem aber unter Bekanntgaben und Anfragen.
„Was sind die Lehren, wie können wir künftig unsere Kontrollfunktion besser wahrnehmen?“FW-Gemeinderat Werner Reisbeck hatte eine öffentliche Behandlung des aktuellen Berichts der Gemeindeprüfungsanstalt beantragt und begründet.
Harald Niemann von Pro Spaichingen hatte eine Kiste vor sich stehen – Sinnbild dessen, was ein diese Kontrolle ausübender Gemeinderat in der Amtszeit des früheren Bürgermeisters mitgemacht hat.
In dieser Kiste liegen all die Akten, von Rechtsauseinandersetzungen und Berichte dazu. Anzeigen bei der Rechtsaufsicht wurden zu „Maßnahmen, bei denen ich einen Rechtsbeistand nehmen musste.“Er nannte mehrere Beispiele, unter anderem die Behauptung der Stadtratskollegin Isabella Kustermann, er, Niemann, habe ihr Gewalt angedroht. Ergebnis der Rechtsauseinandersetzung: Bürgermeister Schuhmacher dürfe den betreffenden Satz nicht mehr zitieren.
Die ersten drei Jahre habe er das Sitzungsgeld immer an Vereine gespendet, nichts selbst behalten. „Das ging danach nicht mehr. Inzwischen sind fünfstellige Summen an Rechtsanwaltskosten aufgelaufen.“Aktuell sei noch das Verfahren anhängig, nachdem Bürgermeister Hans Georg Schuhmacher ein GemeinderatsWahlbanner abhängen ließ und es erst nach einer Bezahlung einer Gebühr wieder aushändigen wollte. „Mir geht es dabei nicht um die 100 Euro Gebühr, mir geht es ums Recht“. Zeit, Geld und Gesundheit seien in diese Kontrolle geflossen. „Es war einfach nicht möglich immer hinter allem her zu sein“, so Niemann. „Fakt ist, dass es in der Zeit von Hans Georg Schuhmacher einen Verschleiß an wirklich guten Stadträten gegeben hat, wie nie zuvor.“Jeder Gemeinderat, der kritisiert und hinterfragt habe, habe sich neben den Rechtsauseinandersetzungen persönlich diskreditieren und blamieren lassen müssen, sogar an einer Litfaßsäule auf dem Marktplatz.
Dann habe dieser Bürgermeister nach seiner Abwahl die Stadt im Stich gelassen, keine Übergabe gemacht und dann veröffentlichten sechs Stadträte eine Stellungnahme in der Zeitung, in dem sie dem scheidenden Bürgermeister dankten und ihn lobten. „Tiefer geht’s nicht mehr. Sie sollten sich alle schämen.“
Noch während der Sachdebatte hatte Heinrich Staudenmayer darauf verwiesen, dass seine Fraktion selbst Juli 2020 die Prüfung aller Verträge durch die GPA beantragte. Die Freien Wähler haben sich mehrheitlich, außer in dessen ersten Amtsjahren, immer als Unterstützer des Bürgermeisters und seiner Politik gezeigt. Harald Niemann erwiderte, dass dies – Bürgermeister Schuhmacher war ja bereits nicht mehr im Amt – eher wie eine Selbstanzeige wirke, denn wie Aufklärungsinteresse.
Zdenko Merkt erinnerte daran, dass vor sechs Jahren der Bericht der GPA den Räten in digitaler Form vorenthalten worden sei und es deshalb sogar eine Dienstaufsichtsbeschwerde eines damaligen Stadtrats gegeben habe. „Er hatte vielleicht nicht die Möglichkeit, die Dinge zu kaschieren, aber er hatte die Möglichkeit, der Öffentlichkeit Dinge vorzuenthalten. Und dem Gemeinderat, der die Aufgabe hat, solche Dinge zu kontrollieren, Stöcke zwischen die Beine zu werfen und die Kontrolle zu verhindern.
Der Gemeinderat, konterte Leo Grimm, hätte mehrheitlich den Bürgermeister zwingen können, das auf die Tagesordnung zu setzen.
Walter Thesz brachte einen Vorfall im Gemeinderat aufs Tapet, bei dem er sich selbst angegriffen gesehen hatte: Den Ausspruch Alexander Efingers in der Sitzung, in der nachgewiesen wurde, dass etliche Ratsprotokolle verschwunden, unvollständig oder nicht unterschrieben waren - und damit die in den Sitzungen gefällten Beschlüsse möglicherweise wackelten. Efinger sagte, Teile des Gemeinderats hätten die kriminellen Machenschaften toleriert, wenn nicht sogar gedeckt. Ratskollegen das bewusste Decken von Kriminellem vorzuwerfen, gehe nicht, so Thesz. „Das kann ich nicht verarbeiten. Wir soll ich künftig gut zusammenarbeiten, wenn Sie mir vorwerfen, ich hätte Kriminelles toleriert?“Er solle dann wenigstens Namen nennen.
Der Vorfall von 2020 war bereits durch eine Beschwerde Isabella Kustermanns bei der Rechtsaufsicht gelandet, wir hatten ausführlich berichtet. Bürgermeister Markus Hugger sagte, er habe sich noch einmal das Schreiben der Rechtsaufsicht geben lassen. Diese hatte die Definition des Duden, wonach umgangssprachlich „kriminell“auch „grenzwertig“, „schlimm“, „unerlaubt“sei und Efingers spätere Äußerung, er habe das vielleicht unglücklich formuliert, als gegeben genommen. Und die Sache abgeschlossen. Hugger sagte auch: Angesichts der Tatsache, dass mitten im Stadtzenbrum ein Trauzimmer ohne Gemeinderatsbeschluss gebaut worden sei, angesichts von verschwundenen Protokollen und mehr befinde man sich sehr wohl an der Grenze. Er sagte auch, seit seinem Amtsantritt erlebe man einen Leo Grimm, der bis ins Detail bei allem das Haar in der Suppe suche. „Hätten Sie vorher in dieser Heftigkeit interveniert“, hätte es diese vielen Kritikpunkte der GPA nicht gegeben. Loben sei für ihn hier nicht mehr nachvollziehbar. Jeder Mandatsräger habe einen Eid aufs Wohl der Stadt geleistet, er müsse sich im Klaren sein ob er in dieser Rolle diesem Anspruch gerecht werde.
Ein sichtlich emotional angegriffener Alexander Efinger (Grüne) sagte, seine Fraktion habe immer genau die von der GPA monierten und andere Dinge kritisch hinterfragt und sei „auch von Ihnen“– er meinte Thesz – dafür im Rat angegriffen worden. Das sei letztlich der Grund gewesen, warum ein Bürgermeister Hans Georg Schuhmacher das habe machen können, was er gemacht habe. „Der Gemeinderat hat letztlich in Summe versagt, und wer die Dinge kritisch hinterfragt hat, wurde bekämpft.“Er behaupte, das was im GPA-Bericht herausgekommen sei, sei nur die Spitze des Eisbergs. Man müsse sich Gedanken machen, warum der Bürgermeister mit zwei bestimmten Räten zum Essen auf Kosten der Stadt gegangen sei.
Er, Efinger, habe alles dafür getan, die Kontrollfunktion des Gemeinderats auszuüben und „das zu verhindern. Ich habe es nicht geschafft.“
Am kommenden Montag, 18 Uhr, wird die am Dienstag beratene Stellungnahme zum GPA-Bericht formell verabschiedet. Zu Beginn der Sitzung ist eine Bürgerfragemöglichkeit angesetzt.