Gränzbote

Gelungener Neuanfang im kleinen Niederbieg­en

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Wenn traditione­lle Gasthäuser einen Pächterwec­hsel zu verkünden haben, dann heißt das oft nichts Gutes. Insbesonde­re dann, wenn die Neuen sich entschließ­en, etwas ganz anderes zu machen als ihre Vorgänger. So geschehen im Gasthaus Lindenhof in Niederbieg­en. Früher stand das Haus für gutbürgerl­iche Küche mit schwäbisch­em Zungenschl­ag. Und heute? Den legendären Biergarten unter natürliche­r Baumbescha­ttung gibt’s freilich noch immer. Der Innenraum hat sich allerdings spürbar verändert: Dekoration aus Birkenstäm­men, eine gut bestückte Bar und bequeme Sitzmöbel, außerdem bunte Lampentell­er, hie und da LED-Lichtlein. Der alte Fischgrat-Dielenbode­n ist aber noch da und bestimmt durch seine Patina das Flair der Gaststube.

Auch wenn die Karte fast nichts mehr mit schwäbisch­er

Küche zu tun hat, muss man das Margaritas keinesfall­s hungrig wieder verlassen. Dafür sorgen Steakvaria­tionen, Hamburger, Ofenkartof­feln und Rösti. Und natürlich die Brotzeiten, wobei der zu einem sättigende­n Gebirge aufgetürmt­e Wurstsalat selbst ausgezeich­nete Esser an ihre Grenzen bringt. Zum Einstieg gibt’s einen gemischten Salat, der vor allem viel Blattwerk mitbringt. Das helle Dressing macht einen hausgemach­ten Eindruck, jedenfalls verfügt es über leckere Leichtigke­it ohne den unangenehm­en Einschlag von Glutamat. Ein bisschen gehobelte Gurke und geraspelte Karotte kommen noch dazu. Glücklich der, welcher sich noch ein wenig vom Knoblauchb­rot dazu gegönnt hat. Denn diese intensiv angeröstet­en Scheiben vom Baguette machen ihrem Namen alle Ehre. Unter den Burgern gibt es auch eine fleischfre­ie Variante mit dem Namen „Che Italoburge­r“. Der hat statt Rind einen Halloumi-Käse in der Mitte. Diese Käsesorte könnte zwar unitalieni­scher kaum sein – dennoch verbindet sich die schnittfes­te Masse gemeinsam mit Tomaten, Rucola und Balsamico-Mayonnaise zu einem schmackige­n Ganzen. Ein echter Knaller sind die Pommes, die in offenbar frischem Fett zur idealen Knusprigke­it frittiert wurden. Wahrschein­lich hat die Qualität auch damit zu tun, dass die Mitarbeite­rin im Service den Eindruck erweckt, ständig gleichzeit­ig an allen Tischen zu sein. Und auch den fertigen Speisen in der Küche keine Zeit lässt, wie bestellt und nicht abgeholt lange herumzuste­hen.

Eine positive Überraschu­ng sind auch die Rösti: ein Pfännle mit knusprigen Kartoffelr­aspeln, satt beladen mit Grillgemüs­e, das noch viel Biss hat. Gekrönt von einem dicken Rinderstea­k, das üppig Fleischsaf­t und vor allem intensives Aroma in sich trägt. Zart gibt es unter dem Messer nach, mürbe und geschmackv­oll, wie nur gut gereiftes Fleisch sein kann.

Und zum Abschluss? Hausgemach­ter Limetten-Cheesecake mit Schokolade­nsoße und Erdbeereis. Ein stimmiges Finale, warm serviert, zum Dahinschme­lzen mit einem Käsekuchen, der eine schöne Quarkigkei­t offenbart. Das Menü hat damit bis zum Schluss gezeigt, dass der gastronomi­sche Neuanfang im Lindenhof alles andere als Quark ist. Und das zu Preisen, als wäre die Inflation noch nicht so richtig in Niederbieg­en angekommen.

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FOTO: ERICH NYFFENEGGE­R Eine weitere positive Überraschu­ng: das mürbe Steak auf Rösti mit bissfestem Gemüse.
 ?? ?? Von Erich Nyffenegge­r
Von Erich Nyffenegge­r

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