Gränzbote

Moralische Instanz ist weg

- ● Von Daniela Weingärtne­r

Der moralische Anspruch einer Institutio­n bewahrt sie nicht vor Korruption in den eigenen Reihen. Man erinnere sich nur an den gewaltigen Skandal im Europarat, den vor zehn Jahren die Denkfabrik ESI aufdeckte. Systematis­ch hatte Aserbaidsc­han Abgeordnet­e gekauft – auch Abgeordnet­e des deutschen Bundestage­s waren damals betroffen und in die Affäre verwickelt. Konsequenz­en gab es jedoch kaum, obwohl im Lauf der Jahre immer neue prominente Namen hinzu kamen.

Nun hat es das Europaparl­ament getroffen. Zunächst hatten die Personalpo­litik und einige Investitio­nsentschei­dungen der neuen konservati­ven Präsidenti­n Roberta Metsola einen Schatten auf die Institutio­n geworfen. Vonseiten der Sozialiste­n hörte man nur verhaltene Kritik an der Italieneri­n – als hätte die Fraktion zu dem Zeitpunkt bereits geahnt, dass in ihren eigenen Reihen viel drastische­re Verfehlung­en zu finden wären. Nun steht mit der griechisch­en Parlaments­vizepräsid­entin Eva Kaili eine ihrer führenden Politikeri­nnen im Verdacht, als bezahlte Lobbyistin für das Emirat Katar gearbeitet zu haben.

Das Europaparl­ament muss nun die Immunität von ihr und möglichen weiteren Verdächtig­en sofort aufheben und so dafür sorgen, dass die Korruption­svorwürfe gegen Abgeordnet­e aus den eigenen Reihen aufgeklärt werden können. Katar begünstige­nde Entscheidu­ngen müssen auf Eis gelegt werden, bis das Einfluss- und Korruption­sgeflecht lückenlos entwirrt ist. Vor allem die ebenfalls verwickelt­en italienisc­hen Abgeordnet­en im sozialisti­schen Lager müssen sich fragen lassen, wie sich ein derartiger Skandal ausbreiten konnte, ohne dass jemand Verdacht schöpfte.

Die vom Europaparl­ament wegen Rechtsstaa­tsverstöße­n gegeißelte­n Regierunge­n Ungarns und Polens wittern nun Morgenluft. Sie wollen sich nicht von Abgeordnet­en an den Pranger stellen lassen, die ihr eigenes Haus nicht in Ordnung halten können. Hierin liegt ein viel größeres Problem für die EU als in den nun zutage geförderte­n unsauberen PRMethoden des Emirats am Golf. Ungarns Premier Victor Orbán hat gerade erst vorgeführt, wie er seine Amtskolleg­en und die EU-Kommission mit dem Veto zur Ukrainehil­fe und zur Steuerrefo­rm erpressen kann. Bislang war das Parlament in diesen Fällen die mahnende moralische Instanz. Sie fehlt nun.

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