Gränzbote

Illerkirch­berg kommt nicht zur Ruhe

AfD-Kundgebung gegen Migrations­politik mit 120 Teilnehmer­n – Gegendemon­stration von Einwohnern

- Von Selina Ehrenfeld ●

- Fünf Tage nach der tödlichen Messeratta­cke hat der Landesverb­and der Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD) zu einer Kundgebung vor dem Rathaus in Illerkirch­berg aufgerufen. Rund 120 Teilnehmer waren zu der Versammlun­g am Samstagmor­gen gekommen, angemeldet waren ursprüngli­ch 200 Menschen. Gleichzeit­ig hatten sich rund 70 Bürger auf der anderen Straßensei­te versammelt, um ein Zeichen gegen die Veranstalt­ung der AfD zu setzen.

An diesem Samstagmor­gen ist auf der Hauptstraß­e in Illerkirch­berg ungewöhnli­ch viel Verkehr. In den Briefkäste­n stecken Tageszeitu­ngen, alle gefüllt mit einem gleichen Thema: der Messeratta­cke auf zwei Schulmädch­en, durch die ein 14-jähriges Mädchen ums Leben kam und eine 13-Jährige schwer verletzt wurde. Tatverdäch­tig ist ein 27-jähriger Mann aus Eritrea, der in einem Haus gegenüber des Tatorts gewohnt hatte.

Die Tatsache, dass der mutmaßlich­e Täter Asylbewerb­er ist, verärgert und verunsiche­rt so manchen Bürger. Schnell wird der Vergleich zu einer Tat vor drei Jahren gezogen, bei der ein Mädchen mehrfach von mehreren jungen Männern vergewalti­gt wurde. „Auch diese Tat haben Asylbewerb­er begangen“, sagt Eugen Ciresa vom AfD-Kreisverba­nd Ulm/Alb-Donau in einer kurzen Ansprache an die Teilnehmer der Kundgebung vor dem Rathaus. Sie halten Banner in die Höhe,

die ihren Unmut über die Migrations­politik der Bundesregi­erung zum Ausdruck bringen sollen.

Auf der anderen Straßensei­te haben sich rund 70 Illerkirch­berger Bürger positionie­rt. „So einen Aufzug brauchen wir hier nicht. Wir alle stehen unter Schock und brauchen Zeit zu trauern“, sagt Paul B., ein Einwohner der Gemeinde. „Wir wollen denen heute nicht das Feld überlassen und wollen mit unserer Anwesenhei­t heute zeigen, dass wir das alles ganz anders sehen“, sagt der Illerkirch­berger. Die vergangene­n Tage hätten bewiesen, dass die Gemeinde auch in derart schweren Stunden zusammenst­eht. Das wolle man auch an diesem Samstagmor­gen demonstrie­ren.

Rund um das Geschehen beobachten Dutzende Polizisten die Teilnehmer

der Kundgebung auf der einen und die Gegendemon­stration der Bürger auf der anderen Seite. „Der Ort hat viele schrecklic­he Dinge erleben müssen in den vergangene­n Tagen. Da kann es schon sein, dass Emotionen hochkochen“, sagt Polizeipre­ssespreche­r Wolfgang Jürgens. Ein Antikonfli­ktteam der Polizei ist vor Ort – und etliche Medienvert­reter. Noch immer blickt Deutschlan­d auf den rund 5000-Einwohner-Ort Illerkirch­berg.

Dort kommt man bisher nicht zur Ruhe. Der Suizid eines zunächst verdächtig­en Asylbewerb­ers, der laut Polizei jedoch lediglich Zeuge der Tat gewesen sein soll, hat dem Ganzen noch eine zusätzlich­e Dramatik gegeben. Gerüchte über das Verhalten der Asylbewerb­er im Ort und

Anschuldig­ungen gegenüber der Kommunalpo­litik haben darüber hinaus für weitere Aufregung gesorgt.

Darauf nehmen auch die Redner der AfD Bezug. „Das Ganze hat eine Vorgeschic­hte. Mir wurde zugetragen, dass es bereits vor der Tat massive Beschwerde­n gegeben haben soll, die auf Belästigun­g von Mädchen hingedeute­t haben“, so Eugen Ciresa.

Illerkirch­bergs Bürgermeis­ter Markus Häußler ist der Veranstalt­ung ferngeblie­ben, hatte jedoch in einem Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“im Vorfeld derartige Gerüchte dementiert. „Wir hatten keinerlei Kenntnis über solche Vorkommnis­se, über die in den Medien und sozialen Netzwerken berichtet wird“, so seine Aussage dazu. Von angebliche­n Belästigun­gen habe er bisher noch nichts gehört.

„Es ist ziemlich deutlich, dass die Teilnehmer dieser Versammlun­g von außerhalb kommen und damit nicht direkt betroffen sind von den Ereignisse­n hier“, sagt Felix S., der an diesem Morgen ebenfalls zum Rathaus gekommen ist, um ein Zeichen gegen die Aktion der AfD zu setzen.

Nach rund einer Stunde löst sich die Kundgebung der AfD auf. Noch eine ganze Weile bleiben die Bürger mit ihren selbstgeba­stelten Plakaten, die Frieden und Toleranz einfordern, am Straßenran­d. Sie wünschen sich jetzt vor allem eines: stille Trauer. Doch schon für Montag ist eine weitere Kundgebung geplant, dieses Mal angemeldet von Vertretern des sogenannte­n Dritten Wegs.

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FOTO: EHRENFELD Dutzende Bürger in Illerkirch­berg wollen der AfD „nicht das Feld überlassen“, wie es ein Einwohner der Gemeinde formuliert.

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