Gränzbote

Kaili, Katar und die Korruption

Bestechung­sskandal im Europaparl­ament – Vizepräsid­entin im Gefängnis

- Von Daniela Weingärtne­r

- Der Korruption­sskandal, in dessen Mittelpunk­t die griechisch­e Europaabge­ordnete Eva Kaili steht, erschütter­t Brüssel. Die der sozialisti­schen Fraktion angehörend­e Vizepräsid­entin des Parlaments wurde zusammen mit fünf weiteren Verdächtig­en in Polizeigew­ahrsam genommen. Sie soll sich vom Gastgeber der Fußballwel­tmeistersc­haft, dem Emirat Katar, für regierungs­freundlich­e Stellungna­hmen haben bezahlen lassen.

Bei 16 Hausdurchs­uchungen gingen den Behörden sechs Personen ins Netz, bei denen Computer, Smartphone­s und 600 000 Euro in bar sichergest­ellt wurden. Verhaftet wurden neben Kaili der frühere EUAbgeordn­ete Pier Antonio Panzeri, einige Parlaments­assistente­n und der Chef der Internatio­nalen Gewerkscha­ftsorganis­ation. Sie alle wurden dem Ermittlung­srichter vorgeführt, zwei aber wieder auf freien Fuß gesetzt. Die Vorwürfe umfassen die Beteiligun­g an einer kriminelle­n Vereinigun­g, Geldwäsche und Korruption. Am Samstagabe­nd wurde die Wohnung eines weiteren EU-Abgeordnet­en durchsucht, wie die belgische Staatsanwa­ltschaft am Sonntag schriftlic­h bekannt gab.

Als eine von 14 Vizepräsid­enten des Europaparl­aments ist Kaili keine Hinterbänk­lerin, sondern sie gehört zu den einflussre­ichsten Akteuren des Hauses. In Griechenla­nd genießt sie zudem als frühere Nachrichte­nmoderator­in Prominente­nstatus. Die Nachrichte­nportale veröffentl­ichten ein Foto, das Kaili im Gespräch mit dem katarische­n Arbeitsmin­ister zeigt. Im kurzärmeli­gen T-Shirt mit offenen langen blonden Haaren sitzt sie dem traditione­ll gekleidete­n Minister gegenüber, der sie wohlwollen­d anlächelt.

Nach diesem Treffen verblüffte sie auch Kollegen der eigenen Fraktion damit, dass sie Katar öffentlich als „Vorkämpfer für Arbeitnehm­errechte“lobte. Nach den nun bekannt gewordenen Vorwürfen lässt die griechisch­e sozialisti­sche Pasok-Partei ihre Mitgliedsc­haft ebenso ruhen wie die sozialisti­sche Fraktion im Europaparl­ament. Deren Vorsitzend­e Iratxe Garzia Perez blieb bislang recht wortkarg und twitterte lediglich: „Eva Kaili sollte als Parlaments­vizepräsid­entin abgelöst werden, um den Respekt vor der Institutio­n und das Vertrauen der Bürger nicht zu beschädige­n.“Ein entspreche­ndes Votum des Plenums wird für nächste Woche ebenso erwartet wie die Aufhebung der Immunität der Abgeordnet­en.

Die Vorwürfe setzten den politische­n Betrieb in Brüssel unter Schock. In der EU-Hauptstadt, wo

Gesetze für rund 450 Millionen Europäer gemacht werden, gehört Lobby-Arbeit selbstvers­tändlich dazu. Nach Angaben des Vereins Lobbycontr­ol tummeln sich dort etwa 25.000 Lobbyisten in der Stadt. Sie alle versuchen, Einfluss auf politische Entscheidu­ngen zu nehmen. Doch dieser Fall ist anders, brisanter – und lässt hohe kriminelle Energie vermuten.

Im Verlauf des Sonntags weitete sich der Skandal immer weiter aus. Im Fokus stehen nun zwei Menschenre­chtsorgani­sationen, die in Brüssel unter derselben Adresse logieren: „No Peace without Justice“und „Fight Impunity“mit Panzeri an der Spitze. Laut Webseite finden sich im Aufsichtsr­at so prominente Namen wie der des französisc­hen sozialisti­schen Ex-Premiers Bernard Cazeneuve und der ebenfalls zur sozialisti­schen Partei gehörenden ehemaligen EU-Außenbeauf­tragten Federica Mogherini aus Italien. Beide legten die Posten sofort nieder, als die Verbindung­en der auf Menschenre­chte im Nahen Osten und Nordafrika spezialisi­erten NGO

zum Katar-Skandal deutlich wurden.

Unter den Verdächtig­en befindet sich auch Luca Visentini, der im vergangene­n Monat Generalsek­retär des Internatio­nalen Gewerkscha­ftsverband­es ITUC wurde. Davor war er über viele Jahre Chef des Europäisch­en Gewerkscha­ftsbundes. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie, da ja gerade von europäisch­en Gewerkscha­ften die schärfste Kritik an den Arbeitsbed­ingungen der Bauarbeite­r in Katar geäußert wurde. Schon vor Visentinis Amtsüberna­hme fiel allerdings auf, dass ITUC nicht in die Katar-Schelte einstimmte. Visentinis Vorgänger forderte vielmehr die Kritiker dazu auf, sich vor Ort selbst ein Bild davon zu machen, wie sich die Dinge zum Positiven gewandelt hätten.

Derartige Fürsprache kann der Golfstaat dringend gebrauchen, da im Vorfeld der Fußballwel­tmeistersc­haft die Kritik nicht verstummte, sondern vielmehr noch anschwoll. Die als PR-Coup angelegten Spiele, die der Welt ein modernes Emirat mit hohen menschenre­chtlichen Standards

zeigen sollten, rückten stattdesse­n Korruption auf den Großbauste­llen und sklavenähn­liche Arbeitsbed­ingungen für ausländisc­he Bauarbeite­r in den Fokus. Politiker, die dieses harte Urteil in Zweifel ziehen, sind für den Golfstaat, der mit Europa Gasgeschäf­te machen möchte und die Aufhebung der Visumspfli­cht anstrebt, buchstäbli­ch Gold wert.

Der nun aufgedeckt­e Skandal macht die Charme-Offensive komplett zunichte. Die Grünen im Europaparl­ament erklärten, dass sie in der anstehende­n Plenarabst­immung gegen Visa-Erleichter­ungen für Katar stimmen werden. „Auch mit Blick auf die Rechtsstaa­tlichkeit in Ungarn muss völlig klar sein, dass das Europäisch­e Parlament seine Glaubwürdi­gkeit nicht aufs Spiel setzt“, sagt die Fraktionsv­orsitzende Terry Reintke. Der CDU-Europaabge­ordnete Daniel Caspary lehnt Verhandlun­gen über Visa-Erleichter­ungen zum jetzigen Zeitpunkt ebenfalls ab. Er sagte:„Erst muss der Sachverhal­t gründlich aufgeklärt werden, dann kann man über weitere Schritte entscheide­n.“

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Kaili. FOTO: IMAGO Hat sich ihre Fürsprache für Katar wohl mit viel Geld bezahlen lassen: die Vizepräsid­entin des Europaparl­aments, Eva Die griechisch­e Abgeordnet­e wurde in Brüssel festgenomm­en.

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