2000 „Reichsbürger“mehr in diesem Jahr
Bundesinnenministerin Faeser will Waffenrecht weiter verschärfen – Widerspruch aus der FDP
(dpa) - Befeuert durch die Corona-Proteste ist die Zahl der sogenannten Reichsbürger seit Jahresbeginn erneut stark angestiegen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte der „Bild am Sonntag“, der Verfassungsschutz schätze das Personenpotenzial in diesem Spektrum inzwischen auf etwa 23.000 Menschen – ein Anstieg um rund 9,5 Prozent (rund 2000 Menschen) im Vergleich zum Vorjahr. In den Jahren 2018 und 2019 rechnete der Inlandsgeheimdienst dieser sehr heterogenen Szene jeweils etwa 19.000 Menschen zu.
Die bundesweiten Zahlen zu verschiedenen extremistischen Strömungen stimmen die Verfassungsschützer von Bund und Ländern jeweils im Dezember ab. 2021 hatte der Verfassungsschutz mehr als fünf Prozent der „Reichsbürger und Selbstverwalter“auch dem rechtsextremistischen Spektrum zugerechnet. Etwa zehn Prozent der „Reichsbürger“gelten als gewaltbereit.
Die Bundesanwaltschaft hatte am Mittwoch 25 Menschen festnehmen lassen, darunter auch frühere Offiziere. 22 der Festgenommenen wirft sie vor, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System in Deutschland stürzen wollte. Drei Festgenommene gelten als Unterstützer. Die 23 in Deutschland festgenommenen Beschuldigten sind in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft sprach zudem von 27 weiteren Beschuldigten.
Seitdem ein „Reichsbürger“2016 einen Polizeibeamten getötet hat, bemühen sich die Behörden verstärkt, Angehörige der Szene zu entwaffnen. Bis Ende 2021 wurde 1050 sogenannten Reichsbürgern die waffenrechtliche Erlaubnis entzogen. Rund 500 Menschen, die dem Milieu zugeordnet werden, besaßen da noch eine solche Erlaubnis.
„Trotz der Reformen der letzten Jahre kommen Verfassungsfeinde zu leicht an legale Waffen“, findet der Obmann der Grünen im Innenausschuss, Marcel Emmerich. Eine schnelle Überarbeitung des Waffenrechts mit einer Vereinfachung der komplexen Verfahren sei dringend erforderlich. Der Bundestagsabgeordnete sagt: „Hierfür braucht es das Prinzip der Regelversagung. Das heißt, alle Personen, die dem Verfassungsschutz als Extremisten bekannt sind, dürfen per se keine waffenrechtliche Erlaubnis erhalten.“Faeser sagte der „Bild am Sonntag“, sie wolle das Waffenrecht „in Kürze weiter verschärfen“.
FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle sagt: „Einer Verschärfung des Waffenrechts, um Reichsbürger zu entwaffnen, bedarf es nicht.“Der Staat dürfe sich beim Kampf gegen Verfassungsfeinde nicht verzetteln und sich gegen rechtstreue Sportschützen und Jäger wenden, die zur „Mitte der Gesellschaft“zählten. Vielmehr fehle es in den Waffenbehörden an Personal. Die Verantwortlichen müssten zudem geschult werden, um „Reichsbürger“auch als solche zu erkennen.
Ihr Amtsvorgänger Horst Seehofer (CSU) hatte versucht, eine Meldepflicht einzuführen, die verhindert, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen Waffen besitzen, dafür aber vor zwei Jahren aus dem Parlament nicht genügend Rückendeckung bekommen. Auslöser für die Debatte war damals der rassistisch motivierte Anschlag in Hanau. Der rechtsextremistische Attentäter litt unter Wahnvorstellungen. Dennoch besaß der Sportschütze eine waffenrechtliche Erlaubnis.