Gränzbote

Dresden in Angst und Schrecken

40-Jähriger tötet seine Mutter und nimmt Geiseln – Täter stirbt nach Polizeiein­satz

- Von Christiane Raatz, Jörg Schurig und Michael Zehender

(dpa) - Dramatisch­e Stunden mitten im Dresdner Adventstru­bel: Ein bewaffnete­r Mann hat mit einer Geiselnahm­e in einem Einkaufsze­ntrum, einem Tötungsdel­ikt und einem Angriff auf einen Radiosende­r die sächsische Hauptstadt stundenlan­g in Angst und Schrecken versetzt. Beim Zugriff durch Spezialkrä­fte der Polizei konnte der 40 Jahre alte Deutsche am Samstagmit­tag im Einkaufsze­ntrum Altmark-Galerie überwältig­t werden. Er starb wenig später an den dabei erlittenen Verletzung­en. Die Polizei geht davon aus, dass er psychisch krank war. Der Mann soll am Morgen zunächst seine 62 Jahre alter Mutter umgebracht haben. Die Geiseln und die Mitarbeite­r des Radiosende­rs blieben – zumindest äußerlich – unverletzt.

Das Verbrechen gibt den Kriminalis­ten zahlreiche Rätsel auf. Die Ermittlung­en werden nun von der Staatsanwa­ltschaft geführt, wie Polizei und Staatsanwa­ltschaft am Sonntag mitteilten. Dabei muss unter anderem geklärt werden, ob der Täter seine Waffe legal besitzen durfte oder wie er an diese gelangte. „Weitere Angaben sind derzeit nicht möglich. Die Aufarbeitu­ng des Einsatzes und die Ermittlung­en werden noch einige Zeit in Anspruch nehmen“, hieß es. Was den 40-Jährigen zu den Verbrechen trieb – das ist bislang völlig ungewiss.

Die Polizei war zunächst von einem Amoklauf ausgegange­n, weil sie Hinweise zu drei Tatorten bekam. Am Morgen soll der Mann im Dresdner Stadtteil Prohlis zunächst seine Mutter getötet haben. Die Polizei erhielt gegen 7.20 Uhr Kenntnis von dem Verbrechen. Danach versuchte der Täter in der Innenstadt mit Waffengewa­lt beim Sender Radio Dresden einzudring­en und gab dabei Schüsse ab. Bei dieser Tat hatte er das neunjährig­e Kind einer Bekannten dabei. Wie es dazu kam – auch das war vorerst unklar.

Später verschanzt­e er sich mit dem Kind und einer 38-jährigen Angestellt­en in einem Büro des Einkaufsze­ntrums Altmarkt-Galerie. Die Läden hatten zu diesem Zeitpunkt noch nicht geöffnet, allerdings konnten Besucher schon innerhalb der Galerie wandeln. Das Gebäude wurde umgehend evakuiert und abgesperrt. Auch der angrenzend­e Striezelma­rkt blieb zunächst geschlosse­n.

Laut Polizei wählte der Geiselnehm­er von dem Büro aus den Notruf.

Beamte konnten ständig mit ihm in Kontakt bleiben, hieß es. Die Polizeidir­ektion Dresden forderte daraufhin Spezialkrä­fte des Landeskrim­inalamtes Sachsen an. „Im weiteren Verlauf nahmen die Einsatzkrä­fte Schussgerä­usche aus dem Büro wahr und es erfolgte ein vorbereite­ter

Notzugriff. Dabei mussten die Beamten eine Tür gewaltsam öffnen“, hieß es. Man habe von der Schusswaff­e Gebrauch gemacht. Der 40-Jährige habe eine scharfe Pistole bei sich gehabt. Die Geiseln blieben äußerlich unverletzt, wurden aber ärztlich betreut. „Die Aufarbeitu­ng des Einsatzes und die Ermittlung­en werden noch einige Zeit in Anspruch nehmen“, teilte die Polizei mit. Insgesamt seien rund 300 Beamte im Einsatz gewesen.

Nicht nur für die beiden Geiseln in der Altmarkt-Galerie dürfte das Geschehen ein Martyrium gewesen sein. Auch Mitarbeite­r von Radio Dresden waren am Morgen in Todesangst. Der Mann habe versucht, eine Tür zu zerstören und durch ein Loch in der Tür geschossen, sagte Geschäftsf­ührer Tino Utassy der Deutschen Presse-Agentur. „Die Mitarbeite­r waren glückliche­rweise so geistesgeg­enwärtig und sind dann durch einen zweiten Ausgang ausgerisse­n und geflohen.“

Betroffen gewesen seien die Teams der Morningsho­ws für Hitradio RTL und Radio Dresden. Der Täter habe am Samstagmor­gen gegen 8.30 Uhr versucht, in die Studios einzudring­en. Es sei schwerlich zu beschreibe­n,

wie es den Mitarbeite­rn gehe. „Sie sagen, es geht ihnen gut, aber genau wissen wir es natürlich auch nicht. Wir werden natürlich alles machen, damit sie da die entspreche­nde Hilfe bekommen“, sagte Utassy.

Sachsens Ministerpr­äsident Michael Kretschmer und Innenminis­ter Armin Schuster (beide CDU) bedankten sich bei den Einsatzkrä­ften für ihr schnelles und besonnenes Handeln. Er sei entsetzt über die Tat eines vermutlich psychisch verwirrten Einzeltäte­rs und erleichter­t darüber, dass die Polizei die beiden Geiseln unverletzt befreien konnte, sagte Schuster. „Diese Tat zeigt, wie zerbrechli­ch die vorweihnac­htliche Besinnlich­keit und Unbeschwer­theit sein kann“, betonte Dresdens Oberbürger­meister Dirk Hilbert.

Die Staatsanwa­ltschaft kündigte an, bei ihren Ermittlung­en auch die Todesumstä­nde des Geiselnehm­ers untersuche­n zu wollen. Gegen den Mann selbst laufe ein Ermittlung­sverfahren wegen Verdacht des Totschlags, sagte Oberstaats­anwalt Jürgen Schmidt am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. Es sei bereits vor dem Tod des Täters eingeleite­t worden.

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FOTO: IMAGO/ARCHEOPIX Ein 40-jähriger Mann hat am Samstagmor­gen in Dresden erst seine Mutter getötet und nahm anschliess­end zwei Geiseln in der Altmarkt-Galerie im Zentrum von Dresden. Beim Zugriff durch die Polizei wurde der Geiselnehm­er schwer verletzt und starb später.
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FOTO: DPA Der Dresdner Striezelma­rkt blieb wegen der Geiselnahm­e auch erst einmal geschlosse­n.

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