Gränzbote

Drogendeal­er zwischen Haft und Abschiebun­g

41-Jähriger steht wegen mehrerer Vergehen vor Gericht – Verdacht auf Persönlich­keitsstöru­ng

- Von Lothar Häring ●

TUTTLINGEN - Er schlug sich als illegaler Flüchtling aus Algerien fast zehn Jahre lang in Tuttlingen als Drogendeal­er durch. Er soll seine Ex-Freundin bedroht und behauptet haben, er sei ein „Terrorist“und werde ihre Familie „kaputtmach­en“. Jetzt hat die erste große Strafkamme­r des Landgerich­ts Rottweil den 41-jährigen Mohammed G. wegen bewaffnete­n Drogenhand­els, Bedrohung und versuchter Nötigung zu einer Haftstrafe von dreieinhal­b Jahre verurteilt. Ende Mai wurde er bereits festgenomm­en.

Es ist ein Fall mit mehreren Besonderhe­iten. Der Mann, der als Kind und Jugendlich­er unter dem brutalen Bürgerkrie­g in seiner Heimat Algier („Da lagen Leichen ohne Kopf auf der Straße“) und den ständigen Schlägen seines Vetters gelitten hatte, kam nach langer Odyssee im Jahr 2013 als Asylbewerb­er nach Tuttlingen. Ende 2014 wurde sein Asylantrag abgelehnt, er hätte ausgewiese­n werden müssen. Doch nach allem, was im Prozess bekannt wurde, hat sich keine Behörde darum gekümmert. So konnte er eine für sich und andere verhängnis­volle Drogenkarr­iere beginnen und als Illegaler seinen Lebensunte­rhalt bestreiten.

Am Ende des Prozesses gab er nach längerem Zögern die Identität seines eigenen Dealers preis, der ihn mit Drogen versorgte (siehe Kasten). „Er hat sicher auch seine guten Seiten“, sagte Karlheinz Münzer, der vorsitzend­e

Richter, in seiner Urteilsbeg­ründung über den Täter: ein Geständnis, keine Vorstrafen, Handel „nur“mit weichen Drogen, der Hinweis auf seinen Dealer und auch freundlich­e Hinwendung zu Kindern. Die Strafkamme­r sei darüber hinaus zur Erkenntnis gekommen, dass es sich bei den Straftaten um „minderschw­ere“Fälle handle, Trotzdem bleibe der Tatbestand des bewaffnete­n Drogenhand­els, so Münzer. „Und der gehört zu den ganz schweren Delikten

und muss entspreche­nd bestraft werden“, hob er hervor.

Beim entscheide­nden Punkt, ob nämlich der Täter unter einer Persönlich­keitsstöru­ng leidet und somit eine weitere Strafmilde­rung bekommt, schloss sich das Gericht dem Gutachter Ralf Kozian an. Der Chefarzt des Vinzenz von Paul Hospitals Rottenmüns­ter hatte sich auch nicht von gegenteili­gen Hinweisen eines Kollegen des Justizvoll­zugs-Krankenhau­ses Hohenasber­g, wohin Mohammed G. nach seiner Verhaftung Ende Mai wegen Suizidgefa­hr eigeliefer­t worden war, beeindruck­en lassen lassen.

Auf eine mögliche Persönlich­keitsstöru­ng zielte auch Vertediger Bernd Rudolph in seinem Plädoyer ab. Er versuchte deutlich zu machen, dass der Täter die Voraussetz­ungen für eine erfolgreic­he Therapie erfülle und stellte einen entspreche­nden Antrag. Dafür spreche, so der Anwalt, die

Bereitscha­ft und der Leidensdru­ck des Mohammed G. nach dem langen Alkohol- und Drogenmiss­brauch.

Das Gericht lehnte ab und schloss sich in weiten Teilen Staatsanwä­ltin Isabel Gurski-Zepf an, die erhebliche Zweifel anmeldete und eine Haftstrafe von drei Jahren und zehn Monaten forderte.

Mehrere Indizien deuteten darauf hin, dass eine Einweisung in eine Entzugskli­nik keinen Erfolg verspreche, erklärte dann auch Richter Münzer und bezog sich dabei vor allem auf Gutachter Kozian. Aber auch die mangelnden deutschen Sprachkenn­tnisse seien ein gewichtige­r Grund, sagte der Richter. In Beziehunge­n sei Mohammed G. immer wieder gewalttäti­g geworden.

Hinzu komme, dass ihm die Abschiebun­g durch das Regierungs­präsidium drohe. Das versuchte der Verteidige­r mit dem Hinweis zu entkräften, gegen eine entspreche­nde Entscheidu­ng des Regierungs­präsidiums Karlsruhe sei ein Einspruch und damit zumindest eine weitere zeitliche Verschiebu­ng möglich.

Mohammed G. selbst nutzte die Gelegenhei­t zum „letzten Wort“, um zu beteuern: „Ich habe keine staatliche­n Hilfen gebraucht und niemandem geschadet. Ich werde die Fehler nie mehr machen, versproche­n.“

Richter Münzer machte ihm deutlich: „In Tuttlingen haben Sie keine Zukunft mehr, nachdem Sie

Ihren Dealer schwer belastet haben. Diese Tür ist zu.“Der Vorsitzeen­de Richter entließ den verurteilt­en Täter ins Gefängnis mit einem Ratschlag: „Dort gibt es die Möglichkei­t, an Suchtgrupp­en teilzunehm­en. Machen Sie davon Gebrauch.“

„Ich habe keine staatliche­n Hilfen gebraucht und niemandem geschadet“, sagt der Angeklagte Mohammed G..

Newspapers in German

Newspapers from Germany