Mittelschnauzer Dex hat den richtigen Riecher
Er ist ein Spürhund erster Klasse – Menschen findet er über Kilometer hinweg
TUTTLINGEN - Dex trägt Kopf und Schwanz derzeit mächtig weit oben, wie sein Frauchen Barbara Hintermeister mit einem Lachen erzählt. Überall wird er gehätschelt, gestreichelt und gelobt. Auch wenn er nicht unbedingt versteht, warum das so ist, genießt er die Aufmerksamkeit gewaltig. Tatsächlich hat er allen Grund, stolz zu sein. Der schwarze Mittelschnauzer ist ein Spürhund erster Klasse. Er ist in der Lage, die Geruchsspur eines Menschen über Kilometer hinweg zu verfolgen. Dafür reicht ihm ein T-Shirt, eine Zahnbürste, ein Strumpf oder die EC-Karte der Person, die er aufspüren muss.
Gerade hat er die schwere Prüfung zum Mantrailer in Ingolstadt bestanden, zusammen mit Barbara Hintermeister, Leiterin des Rettungs- und Besucherhundezugs des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) Region Tuttlingen. Quer durch die Stadt hat der Hund einen Geruch verfolgt, immer an der langen Leine seines Frauchens. Abgelenkt durch Kreuzungen, durch den Verkehr, durch andere Gerüche, Wegüberquerungen und Richtungswechsel. Doch er hat es geschafft und die gesuchte Person nach rund zwei Kilometern aufgespürt. Samt einer kleinen Packung Wienerle als Belohnung. Dex und seine Hundeführerin sind damit das einzige geprüfte und einsatzfähige Mantrailer-Team des ASB in ganz Baden-Württemberg. Und das zweite im Landkreis Tuttlingen, denn auch das DRK hat ein solches Gespann, erklärt Hintermeister. Als Barbara Hintermeister ihren Mittelschnauzer
vor zweieinhalb Jahren bekommen hat, ist ihr gleich aufgefallen, dass Dex Talent für die Personensuche hat. Er zeigte in kürzester Zeit gute Erfolge, als sie seine Fähigkeiten getestet hat. In der Regel ist der Rettungsund Besuchshundezug des ASB in die Flächensuche nach Vermissten eingebunden. Neun Einsätze gab es allein in diesem Jahr. Hintermeister erinnert sich aber auch an
Jahre, in denen es bis zu 30 waren. Nur: Mit seinen knapp 50 Zentimetern Größe ist Dex für das Gelände – meist unwegsames Gebiet wie Felder, Wiesen und Wald – eher nicht geeignet.
Seine große Stunde kommt dann, wenn es einen relativ sicheren Abgangsort gab. Sprich: Wenn man weiß, von wo sich der Vermisste auf den Weg gemacht hat. Tatsächlich ist das manchmal bei Unfällen der Fall,
wenn der Fahrer unter Schock steht und einfach losläuft. Mantrailing (der englische Begriff setzt sich zusammen aus Man für Mensch und Trail (ing) für eine Spur (verfolgen)) wird auch bei Fahndungen eingesetzt. Und Dex und seine Kollegen können nicht nur auf Spuren von Fußgängern eingesetzt werden, selbst die relative Abgeschlossenheit eines fahrenden Autos verhindert nicht, dass die Gesuchten
verfolgbare Spuren hinterlassen. Mantrailer sind auch in Gebäuden und auf bebauten Flächen erfolgreich. Einzige Voraussetzung: Sie brauchen eine individuelle Geruchsspur. Also einen Gegenstand, den nur dieser Mensch benutzt.
Für die Prüfung haben Barbara Hintermeister und Dex seit Juli 2020 mindestens zwei Mal die Woche trainiert. Die Fridingerin verhehlt nicht, dass das nur mit Hilfe des ASB-Hundeteams möglich war. „Ich brauche Unterstützung beim Fährten ausarbeiten, beim Spuren legen und eine Begleitung zur Verkehrssicherheit“, erklärt sie. Die ganze Staffel sei gefordert gewesen. Beim ASB Tuttlingen sind das immerhin zehn Hundeführer und sechs Helfer.
Die meisten Einsätze für das Team kommen nachts. Sie werden von der Polizei und der Leitstelle alarmiert und angefordert. Wer sich bei Barbara Hintermeister nicht abgemeldet hat, weil er im Urlaub ist oder anders verhindert, der gilt als einsatzbereit – „die ganze Gruppe, 365 Tage im Jahr, 24 Stunden“, sagt sie. Dazu kommt immer die bange Frage, ob man den Vermissten tatsächlich findet. Und ob er lebt.
Doch alle wissen, wie wichtig ihre Arbeit ist. Und dann gibt es ja noch die vierbeinigen Teampartner, die allen eine Freude sind. Die 69-Jährige Barbara Hintermeister kann sich ein Leben ohne Hund nicht vorstellen. Seit 1971 ist sie Hundehalterin, in all diesen Jahren gab es genau drei Wochen, in denen sie „ohne“war. Seit 2001 macht sie die Rettungshundearbeit. Neben Dex hat sie noch ein zweites Familienmitglied, das aktiv mitarbeitet. Hündin Anouk, Gattung Riesenschnauzer, die vor einigen Wochen ihre Wiederholungsprüfung für die Flächensuche bestanden hat. Rivalität um Rang und Größe gibt es bei Dex und Anouk übrigens nicht. Im Gegenteil: „Die zwei haben sich gesucht und gefunden“, sagt Hintermeister. Meisterhafte Spürnasen, eben!