Gränzbote

Bein kaputt statt Kopf frei

Skiunfall von Manuel Neuer alarmiert die Bayern-Bosse – In der Nationalel­f könnte eine Ablösung bevorstehe­n

- Von Klaus Bergmann und Arne Richter

MÜNCHEN (dpa) - Die bemüht wirkende Daumen-hoch-Geste von Manuel Neuer aus dem Krankenbet­t wollte nicht zur tatsächlic­hen Botschaft des Instagram-Fotos mit dem Gipsbein und dem recht angestreng­ten Gesichtsau­sdruck passen. Der Skiunfall des Fußball-Nationalto­rhüters und das daraus resultiere­nde Saison-Aus nach einem beim Tourengehe­n zugezogene­n Bruch des rechten Unterschen­kels löste rund um den dritten Advent in der Vorstandse­tage des FC Bayern München eher Schockwell­en aus.

Die stille Weihnachts­zeit ist an der Säbener Straße dahin. Oliver Kahn und Hasan Salihamidz­ic sind alarmiert und im Winter plötzlich auf der Torhüterpo­sition zu intensiven Überlegung­en gezwungen. Diese ranken sich um den erneut geforderte­n Routinier Sven Ulreich, den an den französisc­hen Erstligist­en AS Monaco verliehene­n Alexander Nübel oder einen Mister X, der geholt werden könnte. So kraftvoll und voller Triple-Träume die Bayern in die lange WM-Pause gezogen waren, so schwer beschädigt humpeln die Münchner aus ihr heraus.

Stürmersta­r Sadio Mané verletzte sich vor dem Turniersta­rt am rechten Wadenbeink­öpfchen und fällt wohl bis in den März hinein aus. Abwehrspie­ler Lucas Hernández erlitt in Katar einen Kreuzbandr­iss und wird wie Neuer in dieser Spielzeit nicht mehr auflaufen. Und die deutschen WM-Spieler um Joshua Kimmich müssen sich nach dem VorrundenA­us erst mal mental aufrappeln. Das alles klingt nicht gut. Die Saisonziel­e sind in Gefahr geraten.

Bergsportf­reund Neuer hatte eigentlich eine gute Idee. Er wollte seinen Kopf „beim Skitoureng­ehen freibekomm­en“, wie er in einem SocialMedi­a-Post schrieb. Der Ausflug endete im Operations­saal. „Hey Leute, was soll ich sagen, das Jahresende hätte auf jeden Fall besser laufen können“, kommentier­te Neuer sein Missgeschi­ck aus dem Klinikbett. Immerhin: Die OP sei „sehr gut“verlaufen. „Es schmerzt allerdings zu wissen, dass die aktuelle Saison für mich beendet ist.“Aber nicht die Karriere. Mit einer vermurkste­n WM und der nächsten schweren Verletzung will Neuer nicht von der Profi-Bühne abtreten.

Die Zukunft betonten auch die Bayern-Bosse im kurzen Vereinskom­muniqué. Wobei sie ihre Stimmungsl­age an den Anfang stellten.

„Die Nachricht hat uns alle schockiert“, äußerte Vorstandsc­hef Kahn. Sportvorst­and Salihamidz­ic nannte Neuers Skiunfall „fürchterli­ch“. Beide glauben aber an eine Rückkehr Neuers ins Bayern-Tor im Alter von dann 37 Jahren zur Saison 2023/24. „Er wird auch diese schwere Verletzung meistern und so stark wie zuvor auf den Platz zurückkehr­en“, prophezeit­e ExKeeper Kahn. „Manuel wird jede Unterstütz­ung erhalten. Er ist eine starke

Persönlich­keit und wird zurückkomm­en“, versichert­e Salihamidz­ic.

Auch Hansi Flick meldete sich zu Wort. „Das ist eine ganz bittere Nachricht zum Jahresende“, meinte der Bundestrai­ner. Das Wichtigste sei nun eine „schnelle Genesung“. Der unausgespr­ochene Subtext lautete: Für Flick bleibt Neuer erst einmal Teil der Nationalel­f. Nach dem nutzlosen Sieg gegen Costa Rica in Neuers 117. Länderspie­l hatte

Deutschlan­ds Rekordtorh­üter einen Rücktritt ausgeschlo­ssen. Er wolle weiter für Deutschlan­d spielen, „wenn ich eingeladen werde und die Leistung stimmt“, sagte die ewige Nummer 1.

Ob es dazu kommen wird? Aktuell ist Fakt: Den Aufbruch zur Europameis­terschaft 2024 wird Flick Ende März ohne Neuer beginnen müssen. Es könnte jetzt die Zeit von MarcAndré ter Stegen (30/FC Barcelona) kommen, der seit Jahren als NeuerKronp­rinz auf die Chance als Nummer 1 auch bei einem großen Turnier wartet. Auch der Frankfurte­r Kevin

Trapp (32), dritter deutscher Torwart neben Neuer und ter Stegen in Katar, darf hoffen.

Flick trifft Neuers Langzeit-Ausfall zunächst weniger hart als die Bayern und Trainer-Kollege Julian Nagelsmann. Der suchte am Samstag in Begleitung seiner Freundin als Biathlon-Zuschauer in Holzfilzen Ablenkung. Das veröffentl­ichte Bulletin „Unterschen­kel-Fraktur“kann vieles bedeuten. Ist Neuers Schienbein betroffen? Das Wadenbein? Beide Knochen?

Kahn, Salihamidz­ic und Nagelsmann werden abwägen müssen, wie sie die Zeit ohne Neuer überbrücke­n wollen. Am 1. Januar öffnet das Winter-Transferfe­nster. Schon Mitte Februar steht das große Achtelfina­lHinspiel in der Champions League gegen Paris Saint-Germain mit Lionel Messi, Kylian Mbappé und Neymar an. In Ulreich (34) haben sie eine verlässlic­he Nummer 2. Acht Spiele, acht Siege lautet dessen Saisonbila­nz. Weil Ulreich den an der Schulter verletzten Neuer im Herbst top vertrat, gab es als Wertschätz­ung einen neuen Vertrag bis 2024. Hinter Ulreich gibt es im Kader noch den 19-jährigen Johannes Schenk.

Natürlich kam umgehend auch Alexander Nübel ins Spiel. Der 25Jährige wechselte im Sommer 2020 ablösefrei vom FC Schalke 04 nach München. Nübel ist an die Bayern bis 2025 vertraglic­h gebunden, aber bis Saisonende an Monaco ausgeliehe­n. Die Bayern könnten nun versuchen, Nübel vorzeitig zurückzuho­len. Ergibt das Sinn?

Nübel könnte in den mindestens sechs Monaten ohne Neuer zeigen, ob er tatsächlic­h das Nummer-1-Format mitbringt. Er müsste aber womöglich auch anschließe­nd wieder hinter Neuer ins zweite Glied zurücktret­en. Das hatte der ehemalige U21-Nationalto­rhüter mehrmals als No-go bezeichnet. „Bevor Alexander oder ich etwas dazu sagen, müssen sich die Bayern erst mal mit Monaco auseinande­rsetzen“, sagte Nübel-Berater Stefan Backs am Wochenende bei „Sky“.

Wie denkt Nagelsmann? Der Bayern-Coach hatte Ulreich „überragend­e“Leistungen als Neuer-Vertreter bescheinig­t. Nübel spielte unter ihm in München noch nicht. Ulreich ist eingespiel­t mit der Bayern-Abwehr, Nübel nicht. Auch eine Neuverpfli­chtung, etwa von Kroatiens WM-Held Dominik Livakovic, wäre eine Option.

Kahn, Salihamidz­ic und Nagelsmann werden klug entscheide­n müssen, wie sie die Torhüter-Position ohne Neuer neu aufstellen.

„Die Nachricht hat uns alle schockiert.“Bayern-Boss Oliver Kahn

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Fällt für FOTO: MANUEL NEUER/INSTAGRAM/DPA Krankenhau­s statt WM-Halbfinale: Manuel Neuer hat sich bei einem Skiunfall den Unterschen­kel gebrochen und den Rest der Saison aus.

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