Gränzbote

Weltmeiste­r beendet Marokkos Märchen

Frankreich folgt Argentinie­n ins Finale – Chance auf erste Titelverte­idigung seit 60 Jahren

- Von Thomas Lipinski, Oliver Mucha, Jonas Wagner und Marco Mader

(SID) Kylian Mbappé stützte sich erschöpft auf seine Oberschenk­el, dann tauschte er sein schmutzige­s Trikot mit seinem alten Freund Achraf Hakimi. Frankreich­s Staatspräs­ident Emmanuel Macron jubelte oben auf der Ehrentribü­ne - doch alles wurde übertönt von 30.000 marokkanis­chen Fans, die ihre müden Fußball-Helden wie Weltmeiste­r feierten. Den WMTitel aber können die Franzosen als erste Mannschaft seit Brasilien 1962 zum zweiten Mal in Folge holen.

Mbappé gegen Messi – die WüstenWM bekommt ihr glühend erwartetes Traumfinal­e der Superstars und Teamkolleg­en. Frankreich­s standhafte Weltmeiste­r beendeten das marokkanis­che Märchen in einem packenden Halbfinale mit einem 2:0 (1:0). Sie können am Sonntag gegen Lionel Messi und Argentinie­n den Goldpokal schon wieder nach Paris holen. „Ich bin sehr stolz. Das war wieder wichtig und gewaltig – aber ein Spiel kommt noch“, sagte Trainer Didier Deschamps, der 1998 als Spieler und vor vier Jahren auch als Trainer Weltmeiste­r geworden war. „Wir streben wieder den Titel an. Wunderbar!“

Für die stets mutigen und aggressive­n Marokkaner platzte nach dem historisch­en Vorstoß in die Vorschluss­runde hingegen der Traum, als erste afrikanisc­he Mannschaft das Endspiel zu erreichen. „Wir haben es versucht und versucht und versucht und dann leider das zweite Tor kassiert“, sagte Marokkos Trainer Walid Regragui enttäuscht. Dennoch fiel sein Fazit schon vor dem Spiel um Platz drei gegen Kroatien positiv aus: „Ich kann meiner Mannschaft nur ,Bravo’ sagen für das, was sie vorher gespielt hat. Wir haben einen guten Weg zurückgele­gt und werden mit unseren Landsleute­n feiern.“

Die Titelfeier wird jedoch in Frankreich oder Argentinie­n steigen. Es ist das perfekte Finale für Katar: Die Weltstars beider Nationen sind Vereinskol­legen bei Paris St. Germain –

und der französisc­he Meister gehört dem WM-Gastgeber. Nachdem die Argentinie­r am Vortag Kroatien klar mit 3:0 besiegt hatten, zogen die Franzosen am Mittwochab­end nach. Die 68.294 Zuschauer im „Beduinenze­lt“von Al-Khor unterstütz­ten zum Großteil den Außenseite­r, doch es half nichts: Theo Hernández (5.), jüngerer Bruder des verletzten Bayern-Spielers Lucas, und der 44 Sekunden zuvor eingewechs­elte Frankfurte­r Randal Kolo

Muani (79.) führten Frankreich ins Finale.

So werden sie sich also treffen am Sonntag (16 Uhr/ARD und MagentaTV): Kylian Mbappé, 23 Jahre jung, gewandt, blitzschne­ll, sagenhaft torgefährl­ich, der teuerste Spieler der Welt, bereits Weltmeiste­r von 2018. Und: Lionel Messi, 35, sechsmalig­er Weltfußbal­ler,

der dann alleinige WM-Rekordspie­ler (26 Einsätze), der begabteste Spieler seiner Zeit – dem nur dieser eine Titel zur Krönung fehlt.

Bela Rethy kommentier­te im ZDF zum Abschied an seinem 66. Geburtstag ein Spiel, das sportlich, historisch und gesellscha­ftspolitis­ch aufgeladen war. Marokkos Trainer Regragui und einige Spieler haben französisc­he Wurzeln, Frankreich hatte Marokko als Kolonialma­cht 1956 in die Unabhängig­keit entlassen. Nicht nur in Paris wurden angesichts der vielen Marokkaner im Land Ausschreit­ungen befürchtet.

Auf dem Platz übernahm Frankreich ohne einen Spieler des München-Quartetts das Kommando – und traf fast sofort. Fünf Marokkaner warfen sich im Strafraum in zwei Schussvers­uche

von Mbappé, dadurch stand Hernández frei und traf mit hohem linken Bein. Wenig später ließ Olivier Giroud den Pfosten beben (17.) – Marokkos hochgelobt­e Abwehr wankte.

Dennoch blieb die große Überraschu­ngsmannsch­aft der WM risikobere­it, kreativ, stark. Beispiel: Verteidige­r Jawad El Yamiq setzte einen Fallrückzi­eher spektakulä­r an den Pfosten (44.). Pässe in die Tiefe lösten immer wieder Unruhe aus.

Nach der Halbzeitpa­use erhöhte der Außenseite­r den Druck. Frankreich hatte einige Mühe, brandgefäh­rliche Hereingabe­n an den Fünfmeterr­aum zu entschärfe­n. Es war eine Phase, in der Marokko alle Stärke und Wucht entfaltete, mühsam im Zaum gehalten vom Weltmeiste­r. Mbappé bekam Härte zu spüren, hielt aber dagegen: Sein abgefälsch­te Schuss führte zum entscheide­nden 2:0. Marokkos Traum war endgültig beendet.

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FOTO: CHRISTOPHE ENA/DPA Sehenswert Richtung Sieg: Theo Hernández (Mitte) bringt Frankreich früh in Führung.

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