Weltmeister beendet Marokkos Märchen
Frankreich folgt Argentinien ins Finale – Chance auf erste Titelverteidigung seit 60 Jahren
(SID) Kylian Mbappé stützte sich erschöpft auf seine Oberschenkel, dann tauschte er sein schmutziges Trikot mit seinem alten Freund Achraf Hakimi. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron jubelte oben auf der Ehrentribüne - doch alles wurde übertönt von 30.000 marokkanischen Fans, die ihre müden Fußball-Helden wie Weltmeister feierten. Den WMTitel aber können die Franzosen als erste Mannschaft seit Brasilien 1962 zum zweiten Mal in Folge holen.
Mbappé gegen Messi – die WüstenWM bekommt ihr glühend erwartetes Traumfinale der Superstars und Teamkollegen. Frankreichs standhafte Weltmeister beendeten das marokkanische Märchen in einem packenden Halbfinale mit einem 2:0 (1:0). Sie können am Sonntag gegen Lionel Messi und Argentinien den Goldpokal schon wieder nach Paris holen. „Ich bin sehr stolz. Das war wieder wichtig und gewaltig – aber ein Spiel kommt noch“, sagte Trainer Didier Deschamps, der 1998 als Spieler und vor vier Jahren auch als Trainer Weltmeister geworden war. „Wir streben wieder den Titel an. Wunderbar!“
Für die stets mutigen und aggressiven Marokkaner platzte nach dem historischen Vorstoß in die Vorschlussrunde hingegen der Traum, als erste afrikanische Mannschaft das Endspiel zu erreichen. „Wir haben es versucht und versucht und versucht und dann leider das zweite Tor kassiert“, sagte Marokkos Trainer Walid Regragui enttäuscht. Dennoch fiel sein Fazit schon vor dem Spiel um Platz drei gegen Kroatien positiv aus: „Ich kann meiner Mannschaft nur ,Bravo’ sagen für das, was sie vorher gespielt hat. Wir haben einen guten Weg zurückgelegt und werden mit unseren Landsleuten feiern.“
Die Titelfeier wird jedoch in Frankreich oder Argentinien steigen. Es ist das perfekte Finale für Katar: Die Weltstars beider Nationen sind Vereinskollegen bei Paris St. Germain –
und der französische Meister gehört dem WM-Gastgeber. Nachdem die Argentinier am Vortag Kroatien klar mit 3:0 besiegt hatten, zogen die Franzosen am Mittwochabend nach. Die 68.294 Zuschauer im „Beduinenzelt“von Al-Khor unterstützten zum Großteil den Außenseiter, doch es half nichts: Theo Hernández (5.), jüngerer Bruder des verletzten Bayern-Spielers Lucas, und der 44 Sekunden zuvor eingewechselte Frankfurter Randal Kolo
Muani (79.) führten Frankreich ins Finale.
So werden sie sich also treffen am Sonntag (16 Uhr/ARD und MagentaTV): Kylian Mbappé, 23 Jahre jung, gewandt, blitzschnell, sagenhaft torgefährlich, der teuerste Spieler der Welt, bereits Weltmeister von 2018. Und: Lionel Messi, 35, sechsmaliger Weltfußballer,
der dann alleinige WM-Rekordspieler (26 Einsätze), der begabteste Spieler seiner Zeit – dem nur dieser eine Titel zur Krönung fehlt.
Bela Rethy kommentierte im ZDF zum Abschied an seinem 66. Geburtstag ein Spiel, das sportlich, historisch und gesellschaftspolitisch aufgeladen war. Marokkos Trainer Regragui und einige Spieler haben französische Wurzeln, Frankreich hatte Marokko als Kolonialmacht 1956 in die Unabhängigkeit entlassen. Nicht nur in Paris wurden angesichts der vielen Marokkaner im Land Ausschreitungen befürchtet.
Auf dem Platz übernahm Frankreich ohne einen Spieler des München-Quartetts das Kommando – und traf fast sofort. Fünf Marokkaner warfen sich im Strafraum in zwei Schussversuche
von Mbappé, dadurch stand Hernández frei und traf mit hohem linken Bein. Wenig später ließ Olivier Giroud den Pfosten beben (17.) – Marokkos hochgelobte Abwehr wankte.
Dennoch blieb die große Überraschungsmannschaft der WM risikobereit, kreativ, stark. Beispiel: Verteidiger Jawad El Yamiq setzte einen Fallrückzieher spektakulär an den Pfosten (44.). Pässe in die Tiefe lösten immer wieder Unruhe aus.
Nach der Halbzeitpause erhöhte der Außenseiter den Druck. Frankreich hatte einige Mühe, brandgefährliche Hereingaben an den Fünfmeterraum zu entschärfen. Es war eine Phase, in der Marokko alle Stärke und Wucht entfaltete, mühsam im Zaum gehalten vom Weltmeister. Mbappé bekam Härte zu spüren, hielt aber dagegen: Sein abgefälschte Schuss führte zum entscheidenden 2:0. Marokkos Traum war endgültig beendet.