Gränzbote

Lawinen, Kälte, Glätte

Warnung vor Gefahren in verschneit­en Bergen – Winterwand­ern boomt

- Von Sabine Dobel ●

BAD TÖLZ/BERCHTESGA­DEN (dpa) Im vergangene­n Frühjahr hat sich die Gefahr noch winterlich­er Berge drastisch gezeigt: Allein an den wenigen Tagen um Ostern rutschten in den bayerische­n Alpen drei Wanderer auf Altschnee aus und stürzten in den Tod – Teil einer regelrecht­en Serie tragischer Bergunfäll­e.

Die meisten Unfälle passieren beim Wandern im Sommer, zwei Drittel aller Einsätze der Bergwacht Bayern betreffen Wanderer. Bergwacht, Polizei und Deutscher Alpenverei­n (DAV) warnen nun vor besonderen Gefahren in der Wintersais­on. Denn immer mehr Menschen schnüren auch in der kalten Jahreszeit die Wanderstie­fel. Bergsport liegt im Trend – und öfter als früher fehlt zum Skifahren der Schnee.

„Der Winter in den Bergen ist nicht der Sommer in Weiß“, mahnt Bergwacht-Sprecher Roland Ampenberge­r. Wegmarkier­ungen seien im Schnee schnell nicht mehr erkennbar. Es werde rasch dunkel. Hinzu kommen die Kälte, das Risiko, auf eisigen Wegen auszurutsc­hen, und die Lawinengef­ahr. Vier Menschen starben im vergangene­n Winter in Bayern in Lawinen – zwei von ihnen waren Wanderer.

„In den Bergen kommt man beim Winterwand­ern schnell an Grenzen. Wer ohne Schneeschu­he oder Tourenski und die entspreche­nde Notfallaus­rüstung und Erfahrung unterwegs ist, sollte in Talnähe und auf geräumten Wegen bleiben“, mahnt DAV-Präsident Roland Stierle.

Im Sommer einfache Wanderunge­n könnten winters zu anspruchsv­ollen Touren werden, die hochalpine Ausrüstung erforderte­n, sagt Maximilian Maier vom Polizeiprä­sidium Oberbayern Süd. Es könnten durchaus Eispickel, Steigeisen oder

Grödel – als abgespeckt­e Version – nötig sein, um im verschneit­en und vereisten Gelände nicht abzurutsch­en. Für manch einfache Sommertour sei im Winter auch eine Lawinenaus­rüstung ratsam: Verschütte­tensuchger­ät, Lawinensch­aufel und Sonde.

Gerade Wanderer sind auf derartige Anforderun­gen der winterlich­en Bergwelt oft weder von den Kenntnisse­n noch von der Ausrüstung her vorbereite­t. Oft ist bei Unfällen neben Unkenntnis auch Leichtsinn im Spiel. Manche sind mit leichten Schuhen unterwegs, andere folgen einfach einer App oder starten trotz ungünstige­r Wetterbedi­ngungen.

Im Februar machten sich zwei Wanderer bei Schnee und Wind zu einer Hütte bei Oberstdorf auf und verliefen sich. Einer erfror, der andere starb im Krankenhau­s. Um Ostern rutschte ein Ehepaar aus SachsenAnh­alt,

unterwegs in Turnschuhe­n und mit unzureiche­nder Ausrüstung, an einem verschneit­en Wegabschni­tt im Zugspitzge­biet in den Tod. Im Juni mussten im österreich­ischen Kleinwalse­rtal mehr als 100 Schüler und Lehrer aus Bergnot gerettet werden. Die Lehrkräfte hatten im Internet eine Route ausgesucht, die sich als viel zu schwer erwies.

Im September geriet ein niedersäch­sischer Bergsteige­r am Hochkalter bei Berchtesga­den in einen Wetterstur­z. Unterhalb des 2607 Meter hohen Gipfels rutschte er ab. Er setzte dramatisch­e Notrufe ab, bei denen er angab, sich in Schneestur­m und eisiger Kälte kaum noch halten zu können. Dann brach der Kontakt ab. Rettungskr­äfte suchten unermüdlic­h – doch für den jungen Mann gab es in Eis und Schnee keine Rettung. Vier Wochen später wurde seine Leiche entdeckt.

Die Bergwacht Bayern zählte von Mai bis Ende Oktober weniger Einsätze als im Vorjahr. Auch die Zahl der Bergtoten in dem Zeitraum ist laut Ampenberge­r gesunken – von 85 im Vorjahr auf nun 57. Ein Grund für den Rückgang könnte der verregnete Herbst gewesen sein. Polizeispr­echer Maier riet, bei örtlichen Bergführer­n oder Tourismusv­erbänden Informatio­nen einzuholen, ob das Ziel auch wie geplant zu erreichen sei.

Nicht wenige Einsätze finden laut Ampenberge­r inzwischen nach 18 Uhr statt. Über 300 Mal mussten die Retter im Sommer 2021 bei Dunkelheit ausrücken. Dabei sei gerade dann die Verfügbark­eit von Hubschraub­ern stark eingeschrä­nkt und damit der Unfallort schwerer erreichbar. Die steigende Zahl abendliche­r Ausflüge ins Gebirge ist auch Naturschüt­zern ein Dorn im Auge, da das Wild gestört wird.

 ?? FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA ?? Ein Mitglied der Bergwacht schaufelt beim Lawinenhun­dekurs der Allgäuer Bergwacht den Eingang zu einem Schneeloch frei. Bergwacht, Polizei und Deutscher Alpenverei­n warnen vor Gefahren in der Wintersais­on.
FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA Ein Mitglied der Bergwacht schaufelt beim Lawinenhun­dekurs der Allgäuer Bergwacht den Eingang zu einem Schneeloch frei. Bergwacht, Polizei und Deutscher Alpenverei­n warnen vor Gefahren in der Wintersais­on.

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