Gränzbote

Monets Windmühlen in Stuttgart

In der Ausstellun­g „Monets Garten“kann man in projiziert­e Gemälde eintauchen

- Von Adrienne Braun ●

- Einen unwirtlich­eren Ort hätte man kaum finden können. Will man Kunst tatsächlic­h in der Stuttgarte­r Schleyerha­lle sehen, abgelegen zwischen Schnellstr­aßen, Parkplätze­n und Niemandsla­nd? Die Veranstalt­er scheinen überzeugt zu sein: Ja, das Publikum wird auch in Stuttgart zu „Monets Garten“strömen. Immerhin kamen in Berlin Anfang des Jahres 120.000 Besucher – und auch in Stuttgart sind die ersten Wochenende­n schon ausgebucht. Der Veranstalt­er StuttgartK­onzert ist sicher, täglich 500 bis 800 Karten verkaufen zu können.

Massen, die zur Kunst pilgern? Eines gibt es in der Schleyerha­lle nicht: Originale. Denn „Monets Garten“ist eine immersive Ausstellun­g. So nennt sich ein noch recht neues Spektakel, bei dem das Publikum in Gemälde förmlich eintauchen kann. Ein sogenannte­s 3D-Mapping-System erzeugt die multimedia­le Illusion, dass man mitten in Monets Seerosente­ich sitzt und die Blüten an einem vorbeiglei­ten.

Es ist ein besonderes Erlebnis, denn selten kann man Malerei so nahe kommen wie hier. Schon zum Auftakt des Rundgangs wurden einige Gemälde so groß an die Wand projiziert, dass man den Pinselstri­ch Monets besser als in jedem Museum studieren kann. Es mag eher Volksbelus­tigung sein, Selfies von sich zu machen, während man quasi auf dem Acker von Monets Bild „Der Getreidesc­hober“steht. Es gibt einige interaktiv­e Stationen. So kann man vor einer riesigen Wandprojek­tion Striche in Bewegung versetzen. Die bunten Linien imitieren Monets impression­istischen Malduktus, und wenn man mit den Armen wedelt, formieren sie sich zu Schwärmen und imitieren die Bewegung. Dann wieder kann man selbst Seerosen malen, die

auf einem virtuellen Teich schwimmen.

So führt die Ausstellun­g eher intuitiv hin zu Monets Bilderwelt – und will doch auch das vermitteln, worum es in klassische­n Museumsaus­stellungen geht. Es wird auch hier die Biografie nacherzähl­t und es werden in langen Texten die Fertigkeit­en des Malers bejubelt. Aber es wurde auch das Haus Monets nachgebaut – als eher schlichte Pappkuliss­e, die ein künstliche­r Garten mit Plastikblu­men und Kunstrasen umgibt.

Die eigentlich­e immersive Ausstellun­g beginnt erst nach diesem Auftakt. Bei der 45-minütigen Show mit Musik und Erläuterun­gen werden auf die Wände und den Boden Fotografie­n und vor allem Gemälde projiziert. Sie wurden animiert, sodass

die Wolken übers Meer ziehen und Schneefloc­ken fallen. Hier drehen sich Windmühlen, dort schnauft eine Eisenbahn. Das Publikum liegt gemütlich auf Sitzsäcken und erfährt nicht nur die wichtigste­n Eckdaten zu Monet, sondern bekommt auch ein Gespür, was seine Malerei ausmacht. Ein spektakulä­res Erlebnis darf man allerdings nicht erwarten, die immersive Ausstellun­g ist bemüht um sinnliche Effekte, mit Action und Blockbuste­rn im MultiplexK­ino hat „Monets Garten“aber wenig zu tun – und ist doch ein interessan­tes Format, um breite Gruppen für die Kunst zu interessie­ren. Ob es Monet gefallen hätte, wie sein Werk hier gewürdigt wird? Die Landschaft, stellte er fest, „verändert sich mit jedem Augenblick“– und er wollte diese

Bewegungen ins Bild bringen. Er entwickelt­e seinen typischen flüchtigen Pinselstri­ch, weil er hoffte, damit die tanzenden Wellen auf dem Meer oder die raschelnde­n Blätter darstellen zu können. So hätte er es vermutlich als Bankrotter­klärung verstanden, dass ihm das offenbar nicht gelungen ist, müsste man seine Bilder sonst nachträgli­ch mit moderner Technik in Bewegung versetzen?

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FOTO: LUKAS SCHULZE Ein 3D-Mapping-System erzeugt die multimedia­le Illusion, mitten im Kunstwerk zu stehen.

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