Monets Windmühlen in Stuttgart
In der Ausstellung „Monets Garten“kann man in projizierte Gemälde eintauchen
- Einen unwirtlicheren Ort hätte man kaum finden können. Will man Kunst tatsächlich in der Stuttgarter Schleyerhalle sehen, abgelegen zwischen Schnellstraßen, Parkplätzen und Niemandsland? Die Veranstalter scheinen überzeugt zu sein: Ja, das Publikum wird auch in Stuttgart zu „Monets Garten“strömen. Immerhin kamen in Berlin Anfang des Jahres 120.000 Besucher – und auch in Stuttgart sind die ersten Wochenenden schon ausgebucht. Der Veranstalter StuttgartKonzert ist sicher, täglich 500 bis 800 Karten verkaufen zu können.
Massen, die zur Kunst pilgern? Eines gibt es in der Schleyerhalle nicht: Originale. Denn „Monets Garten“ist eine immersive Ausstellung. So nennt sich ein noch recht neues Spektakel, bei dem das Publikum in Gemälde förmlich eintauchen kann. Ein sogenanntes 3D-Mapping-System erzeugt die multimediale Illusion, dass man mitten in Monets Seerosenteich sitzt und die Blüten an einem vorbeigleiten.
Es ist ein besonderes Erlebnis, denn selten kann man Malerei so nahe kommen wie hier. Schon zum Auftakt des Rundgangs wurden einige Gemälde so groß an die Wand projiziert, dass man den Pinselstrich Monets besser als in jedem Museum studieren kann. Es mag eher Volksbelustigung sein, Selfies von sich zu machen, während man quasi auf dem Acker von Monets Bild „Der Getreideschober“steht. Es gibt einige interaktive Stationen. So kann man vor einer riesigen Wandprojektion Striche in Bewegung versetzen. Die bunten Linien imitieren Monets impressionistischen Malduktus, und wenn man mit den Armen wedelt, formieren sie sich zu Schwärmen und imitieren die Bewegung. Dann wieder kann man selbst Seerosen malen, die
auf einem virtuellen Teich schwimmen.
So führt die Ausstellung eher intuitiv hin zu Monets Bilderwelt – und will doch auch das vermitteln, worum es in klassischen Museumsausstellungen geht. Es wird auch hier die Biografie nacherzählt und es werden in langen Texten die Fertigkeiten des Malers bejubelt. Aber es wurde auch das Haus Monets nachgebaut – als eher schlichte Pappkulisse, die ein künstlicher Garten mit Plastikblumen und Kunstrasen umgibt.
Die eigentliche immersive Ausstellung beginnt erst nach diesem Auftakt. Bei der 45-minütigen Show mit Musik und Erläuterungen werden auf die Wände und den Boden Fotografien und vor allem Gemälde projiziert. Sie wurden animiert, sodass
die Wolken übers Meer ziehen und Schneeflocken fallen. Hier drehen sich Windmühlen, dort schnauft eine Eisenbahn. Das Publikum liegt gemütlich auf Sitzsäcken und erfährt nicht nur die wichtigsten Eckdaten zu Monet, sondern bekommt auch ein Gespür, was seine Malerei ausmacht. Ein spektakuläres Erlebnis darf man allerdings nicht erwarten, die immersive Ausstellung ist bemüht um sinnliche Effekte, mit Action und Blockbustern im MultiplexKino hat „Monets Garten“aber wenig zu tun – und ist doch ein interessantes Format, um breite Gruppen für die Kunst zu interessieren. Ob es Monet gefallen hätte, wie sein Werk hier gewürdigt wird? Die Landschaft, stellte er fest, „verändert sich mit jedem Augenblick“– und er wollte diese
Bewegungen ins Bild bringen. Er entwickelte seinen typischen flüchtigen Pinselstrich, weil er hoffte, damit die tanzenden Wellen auf dem Meer oder die raschelnden Blätter darstellen zu können. So hätte er es vermutlich als Bankrotterklärung verstanden, dass ihm das offenbar nicht gelungen ist, müsste man seine Bilder sonst nachträglich mit moderner Technik in Bewegung versetzen?