Drehorgel ist Alfons Hermles große Liebe
Auch seine Frau kann er mit seiner Leidenschaft anstecken – Gemeinsam unterwegs
GOSHEIM - Als kleiner Junger hat er bei einem Fest zum ersten Mal eine Drehorgel gesehen und gehört. Es war Liebe auf den ersten Blick, erinnert sich Alfons Hermle noch genau. Bei dieser ersten Begegnung blieb es Jahrzehnte lang. Ein Zufall entfachte diese Liebe wieder.
Es war das Jahr 1994, das Alfons Hermle zu seinem Hobby brachte. Bei einem Bekannten in Frittlingen sah er eine Drehorgel und lieh sich diese aus. Sein 50. Geburtstag stand an und er machte sich selbst das größte Geschenk: eine eigene Drehorgel. Bei einem Drehorgelbauer in Weilstetten bei Balingen erwarb er einen Bausatz und baute die Drehorgel einen Winter lang zusammen.
Am 1. Mai 1995 war dann Premiere, zum ersten Mal trat er als Drehorgelspieler auf, auf einem Maimarkt in Gosheim. „Es folgten Auftritte in Freilichtmuseen, in Seniorenheimen, im Hospiz, auf der Landesgartenschau, auf Weihnachtsmärkten, Maiandachten und im Europapark. Während seiner Berufsjahre als selbstständiger Malermeister fand er nur wenig Zeit für sein Hobby. Heute, als Rentner, absolviert er viele Termine, allein in der vergangenen Woche waren es vier.
Seit 2001 begleitet ihn seine Frau Lisa. Bei ihr stand weniger die Liebe zur Drehorgel im Vordergrund, sondern vielmehr die Liebe zu ihrem Mann. „Ich begleitete ihn immer, stand aber nur herum und wartete auf ihn. Da kam Alfons auf die Idee, dass ich auch eine Drehorgel bekommen und mitspielen soll.“Heute gefällt es ihr genauso sehr wie ihm, doch das war nicht immer so.
„Ich musste sie erst überzeugen, dass sie mitmacht. Anfangs genierte sie sich“, sagt Alfons Hermle. Aber das habe sich schnell gelegt. „Heute freue ich mich richtig auf unsere Auftritte, es ist schön, wenn viele bei uns stehenbleiben“, sagt die 73Jährige.
Besonders ältere Leute lockt ihre Musik an, aber auch Kinder, für die das Ehepaar stets Gummibärchen bereithält. „Die Kinder schauen sich interessiert das Instrument von allen Seiten an, ältere Leute singen gerne mit“, sagt Alfons Hermle, der extra
ein Liedheft zusammengestellt hat und dieses, wenn die Gelegenheit passt, austeilt und zum Mitsingen einlädt.
Aber da gibt es auch die Menschen, die noch nie eine Drehorgel gesehen haben, so wie Pfarrer Joseph Kaniyodickal aus Indien und ehemaliger Pfarrer in Nusplingen, dem Hermle bei einem Gottesdienst begegnet ist. „Er hatte noch nie eine Drehorgel gesehen und konnte nur staunen, wie dieses Instrument funktioniert“, sagt Hermle. Ebenso erging es Pfarrer Nwokedi aus Nigeria, der im Sommer schon öfters die Vertretung in der Seelsorgeeinheit Lemberg übernommen hat. Bei einer Andacht wollte er die Drehorgel unbedingt selbst einmal spielen.
Etwas aufgeregt ist der 78-Jährige auch heute noch vor seinen Auftritten. Technische Probleme kommen selten vor, ein Antriebsgummi war mal gerissen oder ein Schlauch gekracht. Wenn er zu spielen beginnt, hofft Hermle, dass er die passenden Lieder ausgesucht hat, und der Funke zum Publikum überspringt. 30 Jahre Drehorgelerfahrungen lassen ihn meist die richtigen Entscheidungen treffen. „Es kam
aber auch schon vor, dass manche die Liedhefte zugeklappt und beiseite gelegt haben, dann wusste ich Bescheid“, erzählt Hermle lachend.
Dreht man die Kurbel, wird durch einen Blasebalg Luft erzeugt und strömt in die Pfeifen. Das Notenband steuert die Luftzufuhr, wodurch anschließend die jeweiligen Melodien erklingen. So erklärt Hermle fachkundig die Funktion der Drehorgel, seiner Prinzessin, wie er sie liebevoll nennt. Einfluss nehmen kann er mit dem Kurbeln, denn je schneller er kurbelt, umso schneller ertönt die Musik. Zudem kann er eine Flöte, einen Trompetenklang oder eine Violine „zuschalten“. So fände sich für jeden Anlass, ob Kirbe oder Kirchenkonzert, die passende Musik. Nach oben seien keine Grenzen gesetzt, aber mit 8000 bis 10.000 Euro müsse man beim Kauf eines neuen Instrumentes rechnen, sagt Hermle.
Auch wenn das Ehepaar auf dem Heuberg keine Gleichgesinnten findet, in der weiteren Umgebung gibt es auf jeden Fall eine Drehorgel-Szene, von Stuttgart über Bayern bis in die Schweiz reichen ihre Bekanntschaften.
Sie treffen sich regelmäßig und sind untereinander gut vernetzt. „Ende August trafen wir uns alle beim Drehorgeltreffen in Bad Zurzach in der Schweiz. Dabei erfahren wir, welche Veranstaltungen es für uns gibt“, sagt Hermle. Auf diesem Weg erfuhren sie vor Jahren von Drehorgelspielern im Europa-Park. Seither sind sie zwei Mal im Jahr im Park aktiv, erst am vergangenen Wochenende begrüßten sie die Gäste im Freizeitpark zur Wintersaison, zusammen mit acht weiteren Drehorgelspielern.
Zurück aus Rust fiebern die beiden dem Kirchenkonzert am Dienstag um 14 Uhr in der Gosheimer Kirche entgegen. Letzte Vorbereitungen werden getroffen, Enkelin Emely und Schwiegertochter Carmen, welche die Ansagen in der Kirche übernimmt, helfen mit. „Wir freuen uns, dass Oma und Opa so ein besonderes Hobby, eine sinnvolle Beschäftigung haben, Menschen eine Freude machen und dabei auch Geld sammeln“, sagen die beiden voller Stolz. Beim Kirchenkonzert sollen die Spenden an den Tafelladen in Trossingen gehen.
„Da kam Alfons auf die Idee, dass ich auch eine Drehorgel bekommen und mitspielen soll“, berichtet Lisa Hermle.
„Es kam aber auch schon vor, dass manche die Liedhefte zugeklappt und beiseite gelegt haben“, erzählt Alfons Hermle.