Steuer auf Glücksspiel verfehlt Wirkung
Jahr für Jahr mehr Einnahmen aus der Vergnügungssteuer
- Zwei Sätze tauchen seit 2019 in den Beschlussvorlagen zu Spaichinger Haushaltsplanberatungen regelmäßig auf: „Das Aufkommen aus der Vergnügungssteuer ist in den letzten Jahren stark angestiegen. Es ist aber nicht gelungen, mit einer Anhebung des Steuersatzes der Anzahl der Geldspielgeräte signifikant entgegen zu wirken.“Die erhoffte Lenkungswirkung der Steuer, nämlich die Zahl der Glücksspielautomaten in der Stadt deutlich zu senken, ist also nicht erreicht worden.
Auch für 2023 erwartet die Stadt wieder Einnahmen von rund 650.000 Euro aus der Vergnügungssteuer. Dieser unterliegen Spiel-, Geschicklichkeitsund Unterhaltungsgeräte, die im Stadtgebiet an öffentlich zugänglichen Orten wie Spielhallen, Gaststätten, Kantinen oder Vereinsräumen gegen Geld aufgestellt sind. In den Gaststätten und Spielhallen Spaichingens stehen derzeit rund 70 dieser Geräte, so die Auskunft der Stadtverwaltung auf Anfrage dieser Zeitung. Von der Steuer ausgenommen sind zum Beispiel Musikautomaten, Billardtische, Tischfußballgeräte und Darts-Spielgeräte. Der Betreiber muss eine Steueranmeldung je nach Gerätearten, nach dem Aufstellungsort und nach den einzelnen Geräten abgeben. Zur Ausübung der Steueraufsicht dürfen die städtischen Bediensteten die Aufstellungsorte betreten.
Das baden-württembergische Glücksspielgesetz von 2012 hatte die Bedingungen für Glücksspielstätten verschärft. Demnach dürfen in Gaststätten maximal zwei Glücksspielautomaten vorhanden sein (statt vorher drei). Außerdem müssen Spielhallen mindestens 500 Meter Abstand voneinander haben. Eine Halle musste damals an der Hauptstraße schließen, doch eine andere eröffnete dafür im Gewerbegebiet.
Seit 1. Mai 2010 werden in Spaichingen Gewinnspielautomaten nach der so genannten Bruttokasse besteuert. Statt Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeiten wie bis dahin pauschal zu besteuert, wird seitdem besteuert, was umgesetzt wird. Neben den Mehreinnahmen für den Stadtsäckel hatte Bürgermeister Hans Georg Schuhmacher diesen Vorstoß damals auch damit begründet, auf diese Weise die bestehenden Spielhallen „in den Schranken zu
halten oder eventuell sogar zu reduzieren“, da die Gefahr von Spielsucht als Volkskrankheit wachse.
Zunächst lag der Steuersatz auf Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit bei 20 Prozent, seit 2011 bei 23 Prozent, und 2016 hat der Gemeinderat den Bemessungsmaßstab für die Vergnügungssteuer noch einmal auf 25 Prozent der Bruttoeinnahmen erhöht. Damit hat die Stadt aber auch
das Ende der Fahnenstange erreicht und den für den laut Rechtsprechung höchst möglichen Steuersatz entschieden. Bei noch höheren Steuersätzen würde eine „erdrosselnde Wirkung“vorliegen – sprich: Die Steuer wäre so hoch, dass sich ein Betrieb nicht mehr lohnen würde.
Dies ist allenfalls bedingt gelungen, was sich auch darin bemerkbar macht, dass bei den Einnahmen aus der Vergnügungssteuer von Jahr zu Jahr eine Aufwärtstendenz festzustellen war. Doch die Zahl der Geldspielgeräte in der Stadt ist nur leicht gesunken: Waren es 2011 noch 95 Geräte, so 2017 nur noch 84 und derzeit seien es rund 70 – so viele wie seit zwei Jahren. „Wahrscheinlich wirft selbst bei einem Steuersatz bei 25 Prozent die Sache noch ausreichend Gewinn ab“, so Harald Haupt, Fachbereichsleiter Steuern, Beiträge, Liegenschaften der Stadt Spaichingen. „Die Frage ist schwierig zu beurteilen, zumal die Spielsucht offensichtlich nicht mit der Reduzierung der Automaten eingedämmt wird.“
In der Tat ist die Zahl der Glücksspielsüchtigen im Landkreis Tuttlingen seit Jahren konstant, so Jennifer Matthies von der Fachstelle Sucht in Tuttlingen. Nach ihren Erfahrungen hätte allerdings während der Coronazeit nur „ein sehr geringer Anteil der Glücksspielsüchtigen das Glücksspiel in den Online-Bereich verlagert“, konstatiert sie. Für die meisten der Glücksspielsüchtigen sei daher die Schließung der Spielhallen in der Coronazeit tatsächlich hilfreich gewesen, „weil sie“, so Matthies, „schlichtweg nicht spielen gehen konnten“.