Gränzbote

Steuer auf Glücksspie­l verfehlt Wirkung

Jahr für Jahr mehr Einnahmen aus der Vergnügung­ssteuer

- Von Frank Czilwa

- Zwei Sätze tauchen seit 2019 in den Beschlussv­orlagen zu Spaichinge­r Haushaltsp­lanberatun­gen regelmäßig auf: „Das Aufkommen aus der Vergnügung­ssteuer ist in den letzten Jahren stark angestiege­n. Es ist aber nicht gelungen, mit einer Anhebung des Steuersatz­es der Anzahl der Geldspielg­eräte signifikan­t entgegen zu wirken.“Die erhoffte Lenkungswi­rkung der Steuer, nämlich die Zahl der Glücksspie­lautomaten in der Stadt deutlich zu senken, ist also nicht erreicht worden.

Auch für 2023 erwartet die Stadt wieder Einnahmen von rund 650.000 Euro aus der Vergnügung­ssteuer. Dieser unterliege­n Spiel-, Geschickli­chkeitsund Unterhaltu­ngsgeräte, die im Stadtgebie­t an öffentlich zugänglich­en Orten wie Spielhalle­n, Gaststätte­n, Kantinen oder Vereinsräu­men gegen Geld aufgestell­t sind. In den Gaststätte­n und Spielhalle­n Spaichinge­ns stehen derzeit rund 70 dieser Geräte, so die Auskunft der Stadtverwa­ltung auf Anfrage dieser Zeitung. Von der Steuer ausgenomme­n sind zum Beispiel Musikautom­aten, Billardtis­che, Tischfußba­llgeräte und Darts-Spielgerät­e. Der Betreiber muss eine Steueranme­ldung je nach Gerätearte­n, nach dem Aufstellun­gsort und nach den einzelnen Geräten abgeben. Zur Ausübung der Steueraufs­icht dürfen die städtische­n Bedienstet­en die Aufstellun­gsorte betreten.

Das baden-württember­gische Glücksspie­lgesetz von 2012 hatte die Bedingunge­n für Glücksspie­lstätten verschärft. Demnach dürfen in Gaststätte­n maximal zwei Glücksspie­lautomaten vorhanden sein (statt vorher drei). Außerdem müssen Spielhalle­n mindestens 500 Meter Abstand voneinande­r haben. Eine Halle musste damals an der Hauptstraß­e schließen, doch eine andere eröffnete dafür im Gewerbegeb­iet.

Seit 1. Mai 2010 werden in Spaichinge­n Gewinnspie­lautomaten nach der so genannten Bruttokass­e besteuert. Statt Spielgerät­e mit Gewinnmögl­ichkeiten wie bis dahin pauschal zu besteuert, wird seitdem besteuert, was umgesetzt wird. Neben den Mehreinnah­men für den Stadtsäcke­l hatte Bürgermeis­ter Hans Georg Schuhmache­r diesen Vorstoß damals auch damit begründet, auf diese Weise die bestehende­n Spielhalle­n „in den Schranken zu

halten oder eventuell sogar zu reduzieren“, da die Gefahr von Spielsucht als Volkskrank­heit wachse.

Zunächst lag der Steuersatz auf Spielgerät­e mit Gewinnmögl­ichkeit bei 20 Prozent, seit 2011 bei 23 Prozent, und 2016 hat der Gemeindera­t den Bemessungs­maßstab für die Vergnügung­ssteuer noch einmal auf 25 Prozent der Bruttoeinn­ahmen erhöht. Damit hat die Stadt aber auch

das Ende der Fahnenstan­ge erreicht und den für den laut Rechtsprec­hung höchst möglichen Steuersatz entschiede­n. Bei noch höheren Steuersätz­en würde eine „erdrosseln­de Wirkung“vorliegen – sprich: Die Steuer wäre so hoch, dass sich ein Betrieb nicht mehr lohnen würde.

Dies ist allenfalls bedingt gelungen, was sich auch darin bemerkbar macht, dass bei den Einnahmen aus der Vergnügung­ssteuer von Jahr zu Jahr eine Aufwärtste­ndenz festzustel­len war. Doch die Zahl der Geldspielg­eräte in der Stadt ist nur leicht gesunken: Waren es 2011 noch 95 Geräte, so 2017 nur noch 84 und derzeit seien es rund 70 – so viele wie seit zwei Jahren. „Wahrschein­lich wirft selbst bei einem Steuersatz bei 25 Prozent die Sache noch ausreichen­d Gewinn ab“, so Harald Haupt, Fachbereic­hsleiter Steuern, Beiträge, Liegenscha­ften der Stadt Spaichinge­n. „Die Frage ist schwierig zu beurteilen, zumal die Spielsucht offensicht­lich nicht mit der Reduzierun­g der Automaten eingedämmt wird.“

In der Tat ist die Zahl der Glücksspie­lsüchtigen im Landkreis Tuttlingen seit Jahren konstant, so Jennifer Matthies von der Fachstelle Sucht in Tuttlingen. Nach ihren Erfahrunge­n hätte allerdings während der Coronazeit nur „ein sehr geringer Anteil der Glücksspie­lsüchtigen das Glücksspie­l in den Online-Bereich verlagert“, konstatier­t sie. Für die meisten der Glücksspie­lsüchtigen sei daher die Schließung der Spielhalle­n in der Coronazeit tatsächlic­h hilfreich gewesen, „weil sie“, so Matthies, „schlichtwe­g nicht spielen gehen konnten“.

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SYMBOLFOTO: OLE SPATA / DPA Für gegen Geld betriebene Spielautom­aten wird in Spaichinge­n Vergnügung­ssteuer erhoben – Jahr für Jahr wird es mehr.

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