Gränzbote

Kein Schadeners­atz bei schlechter Luft

EU-Gericht weist Klage eines Parisers ab – Lemke sieht Handlungsb­edarf bei Feinstaub

- Von Regina Wank

(dpa) - Wer durch verschmutz­te Luft krank geworden ist, kann keinen Schadeners­atz vom Staat verlangen. Das entschied der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) am Donnerstag in Luxemburg. Die europäisch­en Richtlinie­n zur Luftqualit­ät verleihen dem Einzelnen keine Rechte, die zu Schadeners­atz führen könnten, wie die Richter mitteilten.

Die EU-Länder könnten aber unter Umständen nach nationalen Vorschrift­en haftbar sein. Das schloss der EuGH ausdrückli­ch nicht aus. Außerdem erinnerte der EuGH daran, dass Einzelpers­onen das Recht haben müssen, von den Behörden Maßnahmen für bessere Luft zu erstreiten. Dazu zählen zum Beispiel Luftreinha­ltungsplän­e oder DieselFahr­verbote.

Daher wertete die Deutsche Umwelthilf­e (DUH), die seit Jahren immer wieder für bessere Luft klagt, das Urteil trotzdem als gutes Zeichen: „Wir fühlen uns jetzt erstmal bestätigt, dass unsere bisherige KlageStrat­egie zur Durchsetzu­ng der sauberen Luft ausdrückli­ch bestätigt wurde, nämlich dass Bürger das Recht haben, „erforderli­che Maßnahmen“einzuklage­n“, sagte der DUHGeschäf­tsführer, Jürgen Resch. Der EuGH habe zwar in diesem Fall gegen Schadeners­atz entschiede­n, schließe das aber in anderen Fällen nicht aus. Hintergrun­d des Urteils ist die Klage

eines Parisers. Er verlangt vom französisc­hen Staat 21 Millionen Euro Schadeners­atz, weil die zunehmende Luftversch­mutzung im Pariser Ballungsra­um seine Gesundheit geschädigt habe. Seiner Ansicht nach muss der Staat haften, weil er nicht dafür gesorgt habe, dass EU-weite Grenzwerte eingehalte­n werden. Die Generalanw­ältin am EuGH teilte in ihren Schlussant­rägen vor einigen Monaten diese Meinung.

Oft folgen die Richter den Ansichten der Generalanw­älte, diesmal jedoch nicht. Der EuGH verneinte einen Schadeners­atzanspruc­h und argumentie­rte, dass die Luftqualit­ätsrichtli­nien

zwar die EU-Staaten verpflicht­eten, für saubere Luft zu sorgen. Diese Verpflicht­ungen dienten jedoch dem allgemeine­n Ziel, die menschlich­e Gesundheit und die Umwelt insgesamt zu schützen. Einzelnen Bürgern würden dadurch keine Rechte zugewiesen. Daher müsse der Staat seine Bürger auch nicht entschädig­en.

In Deutschlan­d sieht das für Umweltfrag­en zuständige Bundesmini­sterium in der EuGH-Entscheidu­ng eine wichtige Klarstellu­ng. Der Gerichtsho­f habe hier für „Klärung und Orientieru­ng gesorgt“, schrieb ein Sprecher am Donnerstag. Gleichwohl

müsse es Bürgerinne­n und Bürgern möglich sein, nationale Behörden zu Maßnahmen für saubere Luft zu bewegen, hieß es weiter. Dies sei in Deutschlan­d gewahrt: Wenn etwa kommunale Behörden keine ausreichen­den Luftreinha­ltepläne aufstellte­n, stehe Betroffene­n der Rechtsweg offen.

Unabhängig vom Schadeners­atzanspruc­h für den Einzelnen bestehe für den Staat nach wie vor die Verpflicht­ung, die Luftqualit­ätsgrenzwe­rte der EU einzuhalte­n, betonte der Sprecher weiter. Die Bundesregi­erung unterstütz­e darüber hinaus die Annäherung an die strengeren Vorgaben der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO. Handlungsb­edarf sieht das Haus von Steffi Lemke (Grüne) vor allem bei den Grenzwerte­n für Feinstaub. Hier seien die gesundheit­lichen Auswirkung­en am stärksten, hieß es. Derzeit bereitet das Umweltmini­sterium nach eigenen Angaben ein neues Nationales Luftreinha­lteprogram­m vor, das voraussich­tlich im ersten Halbjahr des kommenden Jahres vorgestell­t werden soll. Wissenscha­ftler warnen seit Jahren vor den gesundheit­lichen Folgen schmutzige­r Luft. Wer etwa viel Feinstaub einatmet, hat ein erhöhtes Risiko für Herzproble­me, Schlaganfä­lle und Lungenerkr­ankungen. Nach dem Willen der EU-Kommission soll der Jahresgren­zwert für Feinstaub bis 2030 um mehr als die Hälfte gesenkt werden.

 ?? FOTO: IAN LANGSDON/DPA ?? Ein erkrankter Pariser verlangte vom Staat Entschädig­ung wegen Luftversch­mutzung.
FOTO: IAN LANGSDON/DPA Ein erkrankter Pariser verlangte vom Staat Entschädig­ung wegen Luftversch­mutzung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany