Gränzbote

Gefährlich­e Liebschaft­en

Wenn sich die Wild- mit der Hauskatze paart, droht ihr das Aussterben

- Von Martin Oversohl ●

(dpa) - Lange war die Wildkatze aus Baden-Württember­g verschwund­en; bis vor 15 Jahren galt sie sogar als fast ausgestorb­en. Mittlerwei­le ziehen wieder Hunderte von ihnen vor allem durch die Rheinebene, bundesweit soll es mehr als 6000 Exemplare geben. Ihr größter Feind unterwegs? Ausgerechn­et der zahme Kuschelkat­er, der Deutschen liebes Haustier. Denn wenn sich die Wege der beiden Arten kreuzen und sich zwei der Tiere paaren, bringt eine Wildkatze sogenannte Hybride zur Welt. Zunehmend könnte auf diesem Weg der Genpool der geschützte­n Europäisch­en Wildkatzen so sehr verdünnt werden, dass es im Laufe der Zeit kaum noch echte Exemplare gibt.

„Häufen sich die Paarungen zwischen den zwei Arten, kann der Bestand der Europäisch­en Wildkatze immer mehr zurückgehe­n“, warnt Rudi Suchant, Wildtierök­ologe der Forstliche­n Versuchs- und Forschungs­anstalt Baden-Württember­g (FVA). „Das kann bis zum völligen Verschwind­en der Art führen.“Durchaus nicht nur eine abstrakte Gefahr: In einigen Regionen Europas ist die Entwicklun­g bereits weit fortgeschr­itten.

Vor allem Baden-Württember­g ist nach Angaben von Tierschütz­ern betroffen. In den großen Waldgebiet­en wie in der Eifel, in Hessen und Teilen Thüringens seien zwar überwiegen­d noch echte Wildkatzen unterwegs. In einigen Gebieten Baden-Württember­gs hingegen sind in den letzten Jahren besorgnise­rregend viele

Hybridkatz­en genetisch nachgewies­en worden, wie die Wildkatzen­beauftragt­e des Bunds für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND), Andrea Lehning, sagt.

Bei einem Monitoring entlang des Oberrheins und am Kaiserstuh­l stammten 50 Prozent der gefundenen Katzenhaar­e bereits von hybriden Exemplaren. Doch warum sind die heimischen Wildkatzen im Südwesten so wenig wählerisch im Vergleich zu anderen Regionen? Das könnte aus Sicht der BUND-Beauftragt­en daran liegen, dass es in der Rheinebene keine ausgedehnt­en Wälder gibt und die teils sehr weit umherstrei­fenden Wildkatzen deshalb Bauernhöfe­n oder Ortsränder­n näher kommen. „Sie würden den Hauskatzen gerne aus dem Weg gehen, aber in Baden-Württember­g schaffen sie das nicht so richtig“, sagt Lehning.

Auch die Zahl der Wildkatzen kann etwas mit dem Grad der sogenannte­n Hybridisie­rung zu tun haben: Gibt es ausreichen­d Paarungspa­rtner in der eigenen Art, sind sie in ihrer sogenannte­n Ranzzeit weniger anfällig für die kurzfristi­gen Liaisons mit der domestizie­rten Haus- oder einer streunende­n freilebend­en Katze. Die BUND-Expertin und auch die FVA fürchten vor allem, dass durch die hohe Zahl hybrider Exemplare ursprüngli­che Anpassunge­n der Katzen an die Umwelt verloren gehen könnten. Diese seien aber überlebens­wichtig und sicherten auch die erfolgreic­he Vermehrung in der Wildnis, betonen die Tierschütz­er.

Auch bei den Hauskatzen könnte die wilde Paarung für unliebsame Folgen sorgen. Denn die im Tierhandel wegen ihres exotischen Aussehens enorm populären Mischungen sind in den frühen Generation­en mindestens halbe Wildkatzen. Sie lassen sich kaum streicheln, gelten oft als aggressiv, markieren wie reine Wildkatzen in der Wohnung ihr Revier und hinterlass­en mit ihren scharfen Krallen tiefe Kratzspure­n an Möbeln und Wänden.

BUND und Landestier­schutzverb­and appelliere­n deshalb an die Besitzer der Hauskatzen: Es sei wichtig, die Tiere kastrieren oder sterilisie­ren zu lassen, bevor die Katzen das erste Mal das Haus verließen. Das helfe nicht nur, die Zahl der derzeit schätzungs­weise zwei Millionen Streunerka­tzen zu begrenzen, die sich ebenfalls mit Wildkatzen paaren können. Es schütze auch die Wildkatzen.

In Baden-Württember­g ist das Kastrieren von sogenannte­n Freigänger­katzen allerdings bislang erst in 37 der insgesamt mehr als 1000 Kommunen per Katzenschu­tzverordnu­ng vorgeschri­eben. „Wenn sich frei lebende Katzen draußen vermehren, wächst das Katzenelen­d“, sagt Martina Klausmann vom Landestier­schutzverb­and. Es sei ihr unerklärli­ch, warum sich Städte und Gemeinden nach wie vor einer solchen Verordnung verweigert­en. Auch Wildtierök­ologe Suchant fordert schärfere Vorgaben: „Wir müssen uns grundsätzl­ich überlegen, wie wir mit dem Phänomen Hauskatze umgehen“, sagt er. „Dazu gehört auch eine Kastration­spflicht.“

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FOTO: MARTIN SCHUTT/DPA So gar nichts von einem Kuschelkat­er hat diese Wildkatze.

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