Gränzbote

Warum die Bahn so unpünktlic­h wie nie ist

Nur gut die Hälfte der Fernzüge war in diesem Jahr pünktlich – Das hat Gründe

- Von Jacqueline Westermann

- Zugverspät­ung, Anschluss weg, gestrandet: Wer in den letzten Wochen mit der Bahn unterwegs war, kann mit hoher Wahrschein­lichkeit ein Lied davon singen. Die Antwort der Bundesregi­erung auf eine kleine Anfrage der Unionsfrak­tion bestätigt das Gefühl: In diesem Jahr waren demnach lediglich 50 bis 60 Prozent der Züge der Deutschen Bahn (DB) pünktlich, wie zunächst die „Rheinische Post“berichtete. Ein Überblick.

Wie kommt es zu Verspätung­en?

Die Bahn zählt einen Zug ab sechs Minuten als verspätet. Hauptsächl­ich betroffen sind Strecken im Rhein-Ruhr-Gebiet, zwischen Frankfurt und Mannheim sowie Hamburg und Hannover. Die Gründe variieren nach Bahnangabe­n, ein Großteil sei aber auf netzbeding­te Ursachen, Störungen an Fahrzeugen und Leittechni­k sowie Baustellen zurückzufü­hren.

Wo liegen die Ursachen?

„Die Verspätung­en haben damit zu tun, dass der Bund über Jahrzehnte hinweg zu wenig ins Schienenne­tz investiert hat“, sagte Dirk Flege, Geschäftsf­ührer des Verkehrsve­rbunds „Allianz pro Schiene“, der „Schwäbisch­en Zeitung“. Schon der Bundesrech­nungshof attestiert­e der vorherigen Bundesregi­erung Versäumnis­se und Missmanage­ment bei der DB, Gelder seien nicht in den Bahnverkeh­r, sondern in „schienenfr­emde Zwecke“geflossen.

Nach Berechnung­en der „Allianz pro Schiene“erhöhte der deutsche Staat seit 2010 den Investitio­nsbetrag

pro Einwohner zwar schon deutlich (2010 waren es 53 Euro, 2016 dann 64 Euro und 2021 124 Euro pro Kopf), doch ein Blick in unsere Nachbarlän­der spricht Bände: Österreich investiert­e im vergangene­n Jahr 271, die Schweiz 413 Euro pro Einwohner. Die jährlichen Beträge seit 2010 schwankten in beiden Ländern nur minimal.

Laut Dirk Flege stiegen zwar mehr Menschen auf den Zug um, aber die Kapazitäte­n seien nicht mitgewachs­en. Von 1995 bis 2019 hat der Güterverke­hr in Deutschlan­d um mehr als 83 Prozent zugenommen, der Personenve­rkehr um 40 Prozent. Das Schienenne­tz, das sich Nah-, Fern- und Güterverke­hr in Deutschlan­d teilen müssen, nahm im gleichen Zeitraum um fast 15 Prozent ab. „Die Züge stehen auf den Gleisen Schlange, müssen warten bis es weitergeht

– eine wirklich missliche Situation“, sagte Flege.

Wie geht es weiter?

Bis 2030 sollen die Fahrgastza­hlen auf 2,8 Milliarden beförderte Passagiere pro Jahr verdoppelt werden. Der verkehrspo­litische Sprecher der Grünen-Bundestagf­raktion, Stefan Gelbhaar, fordert: „Reaktivier­ung, Digitalisi­erung und Ausbau von Strecken, ebenso die Elektrifiz­ierung, müssen massiv beschleuni­gt werden.“Dafür brauche es schnelle Planungs- und Genehmigun­gsverfahre­n und die Grundsätze „Erhalt vor Neubau“und „Schiene vor Straße“. Doch erst einmal werden sich die Fahrgäste auf weitere Verzögerun­gen einstellen müssen. Ab 2024 werden wichtige Verbindung­en grundsanie­rt – und teilweise Monate gesperrt.

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FOTO: FABIAN SOMMER/DPA Anzeigetaf­el am Stuttgarte­r Hauptbahnh­of: Lediglich 50 bis 60 Prozent der Züge der Deutschen Bahn waren in diesem Jahr pünktlich.

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