Von Bayern in die Welt und bis ins All
Der Freistaat bietet in der Weihnachtszeit Romantik pur – Vor allem ausländische Gäste zeigen sich begeistert
Mark kann es kaum glauben. Mit glänzenden Augen steht der 59-Jährige vor einer Gasse auf dem festlich erleuchteten Weihnachtsmarkt in Regensburg. Stand reiht sich an Stand, es gibt Krippen in allen Größen – ein Paradies für den Kanadier. Seit er ein Kind ist, faszinieren den zweifachen Vater Krippen – seine Eltern, Nachfahren irischer Einwanderer, haben eine kleine bei sich zu Hause. Und überhaupt Weihnachtsmärkte. Die findet Mark wunderschön – wie seine Mitreisenden, die Bayern (besser) kennenlernen wollen.
„Traditionell anders“– mit diesem Slogan wirbt Bayern Tourismus. Doch was sollen die Menschen aus Kanada, den USA, Japan, Frankreich, Italien, England und Deutschland sehen, wen kennenlernen, um dieses Motto zu verstehen? Vom weihnachtlich geschmückten München geht es zuerst nach Schloss Elmau im Landkreis Garmisch-Partenkirchen, am Fuß des atemberaubenden Wettergebirges gelegen. International bekannt ist Elmau schon, denn dort konferierten 2015 und 2022 die Regierungschefs der G7-Länder unter sehr hohen Sicherheitsvorkehrungen. Majestätisch steht das Schlosshotel da, in dem 320 Beschäftigte ihren Gästen zu Dienst stehen. Die Schachtdeckel sind verplombt, die berühmte Merkel-Obama-Bank mit dem grandiosen Blick auf die Berge ist leer. Drinnen herrscht Wohlfühlatmosphäre: In den Kaminen knistert Feuer, Gespräche werden gedämpft geführt. Immer wieder trifft man auf Darstellungen von Elefanten-Kissen mit den Dickhäutern drauf beispielsweise – auf Schloss Elmau das beliebteste Diebesgut – zeugen von der Liebe des Schlossbesitzers zu den grauen Riesen. Kunden, die diese exklusive Anlage nutzen, kämen hauptsächlich aus Deutschland. Bei Touristen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten dagegen sei Elmau nicht gefragt. „Für sie sind wir zu billig. Erst ab 10.000 Euro aufwärts pro Nacht wird es für sie interessant“, berichtet Marketingchefin Naomi Jödicke.
Es sind natürlich nicht die Elmauer Elefanten, die das Bild Bayerns prägen, sondern unter anderem die Lüftlmaler. An den Hausfassaden beispielsweise in Mittenwald und Garmisch prangen Bilder mit Szenen aus dem Alltag – sie zeigen Menschen im Wirtshaus, bei der Arbeit auf dem Feld. Jetzt ist Bernhard Rieger, Lüftlmaler, Fan von König Ludwig und einer der 80 Botschafter von Bayern Tourismus, gefragt. Der Künstler hält die Lüftlmal-Tradition aufrecht – allerdings nur an alten Häusern, denn „die neue Architektur schränkt mich zu sehr ein.“Allein dabei bleibt es nicht: „Was für Andy Warhol Marilyn Monroe war, ist für mich das Gesicht eines Bergbauern“, erklärt der Lüftlmaler, der seine Werke ins Genre „Alpinpopart“einordnet. Woher das Wort „Lüftl“rührt, ist nicht klar: Könnte sein, dass es vom 1748 in Oberammergau geborenen Lüftlmaler Franz Seraph Zwinck stammt, der im „Haus zum Lüftl“gewohnt hat. Einer anderen Interpretation zufolge könnte es ausdrücken, dass der Künstler arbeitet, wenn s’Lüftl um das Haus weht.
In Sonthofen gibt es gleich zwei Besonderheiten: Erstere ist das Klausentreiben, bei dem junge Männer verkleidet und vermummt mit ihren
Schellen zwischen 22 und 24 Uhr ohrenbetäubenden Lärm machen und mit Ruten Schaulustige auf den Straßen schlagen. Bis zu seinem 16. Lebensjahr hat Marcel Hecht warten müssen, bis er bei den Klausen aufgenommen wurde, für sein Häs viel Geld ausgegeben. Kein Klausentreiben hat der mittlerweile 26-Jährige verpasst: „Da muss man einfach dabei sein.“
Die zweite Tradition in Sonthofen ist das Bierbrauen, auf das Braumeister, Hirschbräu-Chef und BayernTourismus-Botschafter Kilian Stückler setzt. Nach wie vor liegt die Familienbrauerei, die er in der sechsten Generation führt, mitten im Ort, ist sein ganzer Stolz. Viel Hopfen aus Tettnang verarbeitet die Brauerei, ins riesige Lager im Keller geht es für Gäste über einen schmalen Gang, der 1891 von Hand gegraben wurde. Vor allem Besucher aus dem Ausland staunen über das 1516 verkündete Reinheitsgebot fürs Bier und dass es noch heute Gültigkeit hat.
Von Sonthofen führt die adventliche Bayernreise nach Nördlingen, eine mittelalterliche Stadt mit einer komplett erhaltenen Stadtmauer. Dass es auch auf den dortigen Weihnachtsmarkt in der Altstadt geht, ist selbstverständlich. Die wichtigsten Daten von Nördlingen erklärt eine Stadtführerin: 898 erstmals urkundlich erwähnt, aufgrund seiner Lage an der Kreuzung zweier großer Handelsstraßen, die von Frankfurt/ Würzburg nach Augsburg und von Nürnberg nach Ulm führten, war die Stadt, die heute an der Romantischen Straße liegt, vom Mittelalter bis in die frühe Neuzeit für den Handel sehr bedeutend. Doch die Handelsrouten wurden verlagert, zudem verlor Nördlingen aufgrund des 30-jährigen Kriegs an wirtschaftlicher Bedeutung. Was wiederum bewirkte, dass das mittelalterliche Stadtbild weitgehend erhalten ist. Wissenswert auch: Astronauten kommen immer wieder nach Nördlingen – die
Nasa trainierte 1970 im Nördlinger Ries, vor 15 Millionen Jahren Einschlagsort eines Meteoriten, die Astronauten der Apollo-14-Mission.
Auch Regensburg hatte wie Nördlingen früher eine enorme Bedeutung. Ein Nachweis hierfür ist die große Kathedrale, die an die im französischen
Reims erinnert. Mit Köln, Paris und Prag habe man zur Zeit ihrer Erbauung 1200 auf einer Linie sein wollen. Auch in Regensburg, wo römische Geschichte erlebbar ist, wird Tradition gelebt. Das zeigt Perlenstrickerin und Bayern-Botschafterin Claudia Flüger-Ebert. Ihr ist es ein Herzensanliegen, dass diese alte Handwerkskunst erhalten bleibt.
Vielseitig sei Bayern, stellt Fiona, eine in Kanada wohnende Engländerin, fest. „Genauso habe ich mir Bayern vorgestellt“, frohlockt sie, als sie durch eine verschneite Landschaft mit Kapelle im Bayerischen Wald wandert. Und Mark aus Kanada, der Krippenliebhaber? Er ist begeistert von der Krippensammlung im Bayerischen Nationalmuseum in München. So viel Platz wie für die ausgestellten Krippen erforderlich hat Mark zu Hause nicht. Er entscheidet sich deshalb für eine kleine Krippe, die sogar in sein Handgepäck passt. Sie wird bald ihren Platz haben und ihn an Bayern erinnern – in Montreal unterm Weihnachtsbaum.