Gränzbote

„Seit Jahren aggressive russische Spionage“

Geheimdien­stexperte Schmidt-Eenboom zum Fall des enttarnten Doppelagen­ten beim BND

- Von Stefan Kegel

BERLIN - Der Bundesnach­richtendie­nst (BND) war schon immer anfällig für Spione aus Osteuropa, sagt der Geheimdien­stexperte Erich Schmidt-Eenboom. Der aktuelle Fall könne allerdings katastroha­le Folgen haben, prophezeit er.

Hat der Spionagefa­ll beim BND Sie überrascht?

Überhaupt nicht. Der BND war schon immer anfällig für Spionageve­rsuche osteuropäi­scher Geheimdien­ste. Das zieht sich seit den 1960er-Jahren bis in die Zeit nach der Wende durch.

Und wie groß ist der Fall in Ihren Augen?

Es ist eine absolute Katastroph­e für die nachrichte­ndienstlic­hen Auslandsge­schäfte des BND. Der festgenomm­ene Carsten L. war offenbar ein technische­r Chefauswer­ter der Auslandsau­fklärung. Damit hatte er Zugang zu den Lageberich­ten des BND, also zu brisanten Informatio­nen, die der BND von Partnerdie­nsten erhalten hat. Gerade im Zuge des Ukraine-Krieges gibt es da ein hohes Meldungsau­fkommen.

Welche Konsequenz­en könnte seine Enttarnung haben?

Es kann dazu führen, dass wichtige Geheimdien­ste aus dem angelsächs­ischen Raum, aus Großbritan­nien oder den USA, ihre Erkenntnis­se nicht mehr mit dem BND teilen. Die Briten haben so etwas schon früher angedroht, und auch die US-amerikanis­che NSA wird sich jetzt fragen, ob sie brisante Informatio­nen noch an Deutschlan­d weitergibt.

Kann das nicht jedem Geheimdien­st passieren, dass eine gegnerisch­e Macht einen Maulwurf dort platziert?

Ja, jeder westliche Nachrichte­ndienst hat seine Schlappen erlitten. Aber beim BND ist es auffällig, dass die Eigensiche­rung offensicht­lich nicht gut aufgestell­t ist.

Und wie kann man das ändern?

Mein Vorschlag ist, dem BND die Sicherheit­süberprüfu­ng wegzunehme­n und das amerikanis­che Modell anzuwenden. Hochrangig­e Mitarbeite­r der CIA werden nämlich nicht von der CIA selbst überprüft, sondern vom FBI. In Deutschlan­d müsste man also den Verfassung­sschutz

mit der Sicherheit­süberprüfu­ng beauftrage­n, weil der eine größere Distanz zum Bundesnach­richtendie­nst hat.

Halten Sie es für möglich, dass noch mehr Menschen im BND in diesen Spionagefa­ll verwickelt sind?

Dass es ein Netzwerk gibt, glaube ich nicht. Damit arbeitet man nicht in

gegnerisch­en Nachrichte­ndiensten. Wenn man dort drei Leute platziert hat, dann wissen die nichts voneinande­r. Wir erleben seit Jahren aber eine sehr aggressive russische Spionage. In der Bundeswehr wurde ein Oberstleut­nant angeworben und in Augsburg ein Forscher. Das sind die öffentlich bekannt gewordenen Fälle. In Deutschlan­d ist eine Vielzahl russischer Geheimdien­stoffizier­e im

Einsatz, die unter diplomatis­cher Abdeckung aus der Botschaft oder den Generalkon­sulaten heraus agieren.

Kann Deutschlan­d darauf nicht reagieren?

Ich vermute, dass das Auswärtige Amt in den nächsten Tagen mehr als eine Handvoll von ihnen als unerwünsch­te Personen ausweist.

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FOTO: CHRISTOPHE GATEAU/DPA Trotz Christbaum auf dem Hof dürfte beim Bundesnach­richtendie­nst gerade wenig Weihnachts­stimmung aufkommen: Ein Mitarbeite­r der Behörde soll Staatsgehe­imnisse an Russland verraten haben.
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