Angst vor neuen Virusvarianten in China
CDU-Politiker fordert Stopp von Direktflügen – USA drängen Peking zu mehr Transparenz bei Infektionswelle
PEKING (dpa) - In der massiven Corona-Welle in China mit gegenwärtig schätzungsweise einer Million Neuinfektionen am Tag wachsen Sorgen über die Entwicklung neuer Virusvarianten. Chinas Gesundheitsamt forderte die Provinzbehörden auf, regelmäßig Proben des Virus zu analysieren und über die Ergebnisse zu berichten. In einem Telefonat mit seinem Amtskollegen Wang Yi unterstrich US-Außenminister Antony Blinken am Freitag im Umgang mit dem Ausbruch „die Notwendigkeit von Transparenz für die internationale Gemeinschaft“.
Aus Angst vor neuen Virusvarianten forderte der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt, sogar einen Stopp der Flugverbindungen mit der Volksrepublik. Die durch die verfehlte Corona-Politik „verursachten explodierenden Covid-Zahlen in China bedrohen die ganze Welt mit einer neuen Infektionswelle“, sagte der CDU-Abgeordnete dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Erst wenn wir sicher
sind, dass aus China keine neue, gefährliche Mutation droht, sollten wir die Flugverbindungen wieder aufnehmen.“
Über die Risiken gab es aber auch andere Einschätzungen. „Ich denke nicht, dass die Lage in China eine bedeutende zusätzliche Gefahr für viele andere Länder darstellt“, sagte der britische Medizinprofessor Paul Hunter von der University of East Anglia in Norwich. „Schließlich hat der größte Rest der Welt hybride Immunität“, sagte der Experte und verwies damit auf den Schutz sowohl durch Impfungen als auch Ansteckungen. Neue Varianten entstünden ständig, aber jedes Mal schienen die Fähigkeiten abzunehmen, sagte der Professor.
Um neue Varianten zu entdecken, wies Chinas Gesundheitsamt die Provinzen an, drei Krankenhäuser in jeweils drei Städten auszuwählen, die jede Woche Proben von 15 Infektionen, zehn schweren Erkrankungen und allen Toten sammeln. Nach der Entschlüsselung der Genome sollen die Ergebnisse innerhalb einer Woche berichtet werden. So könnten „mögliche Symptome, Übertragungsfähigkeiten und Pathogenität neuer Varianten mit potenziellen biologischen Veränderungen“in Echtzeit beobachtet werden, sagte der Direktor des Virus-Instituts des Gesundheitsamtes, Xu Wenbo, laut Nachrichtenagentur Xinhua.
Die Entwicklung wird im Ausland mit Sorge betrachtet, da China das
Ausmaß und die Schwere der Infektionswelle herunterspielt. So melden Gesundheitsbehörden nur wenige Tausend Infektionen täglich, während Modellrechnungen des in London ansässigen Forschungsinstituts Airfinity gegenwärtig von wahrscheinlich mehr als einer Million Infektionen und mehr als 5000 Toten am Tag ausgehen. Die Welle wird demnach im Januar und März zwei Höhepunkte mit möglicherweise 3,7 Millionen beziehungsweise 4,2 Millionen Fällen täglich erleben.
Nach fast drei Jahren mit Lockdowns, Zwangsquarantäne und Massentests hatte das bevölkerungsreichste Land am 7. Dezember seine harte Null-Covid-Politik abrupt aufgehoben. Die Kehrtwende wurde damit begründet, dass die Infektionen mit den neuen Omikron-Varianten nicht mehr so schwer verliefen. Doch sahen Experten den Grund vor allem darin, dass die strikten Maßnahmen angesichts der explosionsartigen Ausbreitung nicht mehr durchgehalten werden konnten.