Wenn der Sack Zement plötzlich zwei Euro teurer ist
Wie baut man in Kenia ein Haus? Jana Winterhalter und ihr Team kämpfen mit der Inflation und dem Wetter
TUTTLINGEN (dh) - Eine Packung Maismehl, das kaufen in Kenia fast alle, fast jeden Tag, erzählt Jana Winterhalter. Bis vor einigen Monaten kostete die Packung einen Euro. Jetzt kostet sie zwei. Der Lohn eines Arbeiters liegt bei fünf Euro am Tag. „Und dann müssen die Familien noch für jeden Eimer Wasser bezahlen“, meint Winterhalter.
Inflation und Wahlen – das letzte Jahr in Kenia sei „ein verrücktes Jahr“gewesen, sagt die ehemalige Tuttlingerin. Jana Winterhalter ist in Tuttlingen aufgewachsen. Die vergangenen Jahre, vor allem die beiden letzten, hat sie aber fast ausschließlich in Kenia verbracht, genauer in Kandongu. Ehrenamtlich hat sie dort mit mehreren Mitstreitern Hilfsprojekte aufgezogen. Eine Schule hat sie aufgebaut, und vor ein paar Jahren auch eine Landwirtschaft. Famoja heißt das Projekt, unsere Zeitung unterstützte es schon 2021 im Rahmen der Weihnachtsspendenaktion.
Das Vorhaben ist auf einem Grundstück, etwa 20 Kilometer von Kandongu entfernt, angesiedelt. Ein zehn- bis zwölfköpfiges Team aus Sozialpädagogen, Lehrern und Landwirten baut dort Süßkartoffeln, Bananen, Kräuter und Reis an. Wichtig ist dem Team, dass nur heimisches Saatgut verwendet wird. Importierte Samen und die zugehörigen Pestizide sind tabu, „sie machen den Boden kaputt“, sagt Winterhalter.
Doch die Bedingungen in der kenianischen Landwirtschaft sind hart. Drei Jahre lang hat es keine richtige Regenzeit mehr gegeben. Sie rede nicht von deutschem Nieselregen, meint Winterhalter. „Es muss tropisch schütten, damit die Erde sich vollsaugt, der Mais muss Wasser speichern.“Das Famoja-Team hatte dabei noch Glück: Die Flächen liegen zum Teil am Fluss, eine solarbetriebene Pumpe sorgt dafür, dass die Felder bewässert werden können.
Zudem gibt es nun einen Brunnen, gebaut mit Spendengeld. „Wir nennen ihn den Zauberbrunnen“, sagt Winterhalter lachend: Schon ein bis zwei Meter unter der Erdoberfläche stießen sie beim Bau auf eine Wasserader. „Andere müssen sieben, acht Meter graben, bis sie überhaupt ein paar Tropfen finden.“
Neben dem Anbau hat Famoja sich aber noch mehr vorgenommen: Das Gelände soll eine Demo-Farm werden, ein Lernort für andere. „90 Prozent der Menschen hier leben von der Landwirtschaft“, erklärt Winterhalter, „es kann nicht sein, dass sie auf teure Sachen vom amerikanischen und deutschen Markt angewiesen sind.“Ihr Ziel sei es nicht, die Verwestlichung zu stoppen, „aber der Trend zum Wiederentdecken ist da“, meint sie, „nach dem Motto: Schau mal, das hat schon meine Großmutter angebaut.“
Für den Austausch und die Vernetzung mit anderen braucht Famoja allerdings eine Anlaufstelle. Und die soll in Form eines Hauses in den nächsten Monaten und Jahren entstehen. „Modern und innovativ, mit Grasdach, aber mit traditionellen Methoden gebaut“, erklärt Winterhalter. Einen Plan gibt es bereits, einen Bauleiter vor Ort auch. Es soll nicht zu aufwändig werden: ein großer Raum für Treffen, dazu zwei Schlafräume, die auch vermietet werden können – Tourismus könnte in der Zukunft ein weiteres Standbein des Projekts sein, auch da wächst die Nachfrage.
Doch wie baut man ein Haus in Kenia? Winterhalter hat Erfahrung aus erster Hand, sie hat sich selbst erst ein Haus gebaut. „Da hab ich viele Fehler gemacht und daraus gelernt“, meint sie. „Diese Fehler machen wir jetzt nicht mehr.“Herausforderungen gibt es trotzdem, und zwar wieder einmal die Preise. Vor allem die hohen Benzinpreise schlagen sich oft eins zu eins auf die Waren nieder, denn alles muss von Nairobi aufs Land transportiert werden. Das macht es nicht leicht, sagt Winterhalter. „Wenn ich zum Händler gehe und einen Preis für einen Sack Zement bekomme, dann gilt der bis zum Abend. Am nächsten Tag kann er schon wieder zwei Euro teurer sein.“
Probieren will es das Team trotzdem. Im Januar soll Baustart sein – wenn alles nach Plan verläuft. „Und das tut es so gut wie nie“, weiß Winterhalter inzwischen. Trotzdem: Irgendwann klappt es, da ist sie sich sicher.